15. Januar 2017 1 Likes

Tödliches Labyrinth auf dem Mond

Der Klassiker „Projekt Luna“ von Algis Budrys ist ebenso spannend wie vielschichtig

Lesezeit: 3 min.

Ein rätselhaftes außerirdisches Artefakt, ein Materietransmitter, viele Wissenschaftler und ein risikobereiter Sportler – das sind die Bestandteile von „Projekt Luna“ (im Shop), dem Meisterwerk, mit dem sich Algis Budrys in die Annalen der Science-Fiction eingeschrieben hat. Der faszinierende Roman liegt nunmehr bei Heyne in überarbeiteter Übersetzung, mit zeitgemäßem Satzspiegel und wunderschönem Einbandmotiv vor.

Algis Budrys: Projekt LunaHinterlassenschaften fremdartiger Spezies gehören zu den großen Themen der Science-Fiction, die immer wieder mit herausragenden Resultaten durchgespielt werden. Zu den bekanntesten Beispielen gehören Arthur C. Clarkes „2001“-Saga (im Shop), Frederik Pohls preisgekröntes Hauptwerk „Die Gateway-Trilogie“ (im Shop) sowie der als Stalker verfilmte Roman „Picknick am Wegesrand“ der Gebrüder Strugatzki (in „Gesammelte Werke 2“, im Shop). All diesen Büchern ist gemein, dass die Relikte der Außerirdischen ihr Geheimnis nicht oder nur teilweise offenbaren, was die Rätsel über das Textende hinaus weiterbestehen lässt. Auch der Klassiker von Algis Budrys lässt sich hier mühelos einreihen.

„Projekt Luna“ erschien zuerst 1960. Dr. Edwards Hawks hat einen Materietransmitter entwickelt, der es ermöglicht, das Duplikat eines Menschen drahtlos zu einer Empfangsstation zu schicken. Selbige steht in einer geheimen US-Station auf dem Mond, und zwar am Rand eines mysteriösen Labyrinths, das – hundert Meter breit, zwanzig Meter hoch, mindestens eine Million Jahre alt – von Außerirdischen gebaut wurde und jeden Eindringling in kürzester Zeit tötet. Entsprechend schwierig gestaltet sich die Erforschung. Da das Duplikat und der auf der Erde verbliebene Mensch geistig miteinander verbunden sind, führt die Erfahrung des eigenen Sterbens zu schwerwiegenden psychischen Problemen. Hawks sucht daher einen Ausnahmekandidaten – und findet ihn in Al Barker, einem selbstbewussten Abenteurer, dessen Hang zum Risiko suizidöse Neigungen nahelegt. Barker lässt sich in der ihm eigenen Großmäuligkeit auf das unter der Federführung der U.S. Navy stehende Projekt ein; ohne wirklich zu begreifen, was ihm bevorsteht. Doch ihm gelingen bei der Erforschung des Labyrinths Fortschritte. Obwohl seine Doppelgänger weiterhin sterben, schafft er es, Schritt um Schritt in das rätselhafte Artefakt vorzudringen. Aber was passiert eigentlich, wenn er an dessen Ende anlangt – und das letzte Duplikat nicht getötet wird?

Der 1932 in Königsberg (Ostpreußen) geborene Algis Budrys, der im Alter von fünf Jahren mit seinen Eltern in die Vereinigten Staaten gezogen und 2008 dort verstorben ist, hat immer wieder bemerkenswerte Romane – wie etwa „Some Will Not Die“ (1961, dt. „Einige werden überleben“) oder „Michaelmas“ (1977, im Shop) – vorgelegt; zwei seiner Arbeiten wurden auch verfilmt. Obwohl mehrfach für den Hugo Award nominiert, gehören seine Bücher zu den weniger bekannten Werken der Science-Fiction, mit einer Ausnahme: „Projekt Luna“, das immer wieder auf Bestenlisten geführt wird.

Tatsächlich ist es Budrys hier gelungen, eine ausgesprochen faszinierende Grundidee konsequent weiterzuentwickeln, wobei der Schwerpunkt auf der Konstellation der Charaktere und ihrer Entwicklung liegt – und nicht auf handelsüblichen Actionszenen im Weltall. Tatsächlich braucht es lange, bis man als Leser mit Al Barker auf dem Mond ankommt; doch dies ist beileibe kein Nachteil. Budrys interessiert sich für die Psychologie seiner Figuren und dafür, was das Labyrinth aus ihnen macht; er nutzt die Möglichkeiten der Science-Fiction, um sie mit einer extremen Situation zu konfrontieren. Dabei liegt es nahe, im Artefakt nicht nur einen Katalysator für die Handlung, sondern ebenso eine Metapher für den Lebensweg und die Unausweichlichkeit des eigenen Todes zu sehen. Kein Wunder also, wenn der vielschichtige Roman auch nach fünfundfünfzig Jahren noch unterhält – und fasziniert.

Algis Budrys: Projekt Luna (Rogue Moon) • Aus dem Amerikanischen von Wulf Bergner, neu durchgesehen und ergänzt von Elisabeth Bösl • Heyne, München 2016 • 272 SeitenE-Book: € 7,99 (im Shop)

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