7. April 2014

Das Leben geht weiter

Karen Lord und „Die beste Welt“ – die neue Stimme der Science-Fiction

Lesezeit: 3 min.

Zwei Bücher haben gereicht, um Karen Lord auf der kurzen Liste jener Autoren zu platzieren, auf die man achten muss: „Redemption in Indigo“, ihr 2010 erschienenes Debüt, das sogleich mit Preisen überschüttet wurde, 2013 gefolgt von „Die beste Welt“ (The Best of All Possible Worlds). Zwei Bücher, die unterschiedlicher kaum sein können und die von Anfang an klarstellen, dass Lord keine Autorin ist, die den leichten Weg gehen möchte.

Lord wurde 1968 auf der Karibikinsel Barbados geboren und studierte Natur- und Sprachwissenschaften an der Universität von Toronto. Doch nach der Promotion geriet ihre akademische Karriere ins Stocken, denn sie musste wie so viele feststellen, dass Forschungsgelder in wirtschaftlich schweren Zeiten nicht vom Himmel fallen. Sie arbeitete als Physiklehrerin, bildete Soldaten aus und war im diplomatischen Dienst tätig.

Und nebenbei schrieb sie „Redemption in Indigo”, den Roman, der 2009 den Frank Collymore Literary Award gewann, einen Preis, der in ihrer Heimat von einer Jury aus Akademikern, Autoren und Kulturbeauftragten verliehen wird – und zwar für unveröffentlichte Manuskripte. Lord war so überrascht, als sie den Preis gewann, dass sie erstmals darüber nachdachte, ihr Hobby zum Beruf zu machen.

„Redemption in Indigo” basiert auf einem senegalesischen Märchen und erzählt von einer jungen Frau, die Ärger mit der Götterwelt bekommt, nachdem sie einen magischen Gegenstand erhalten hat. Der Roman wurde begeistert aufgenommen, gewann u.a. den Crawford Award und Mythopoeic Fantasy Award, außerdem wurde er für den World Fantasy Award nominiert.

Lord setzte sich sogleich an eine Fortsetzung, doch die Arbeit ging nur zögerlich voran. „Ich hatte eine Art Schreibblockade, und daher erschuf ich eine andere Welt, eigentlich nur als Schreibübung. Doch allmählich wuchsen mir diese neue Figuren ans Herz, und als das Sequel zu Redemption zunehmend düsterer wurde, konnte ich mich bei Delarua und Dllenahkh, den Charakteren aus Die beste Welt, etwas entspannen.” (auf Clarkesworldmagazine)

Auch „Die beste Welt“ wurde noch vor der Veröffentlichung mit dem „Colly“ ausgezeichnet und Lord machte sich auf die langwierige Suche nach einem Agenten und einem Verleger – was ganz offensichtlich auch dann nicht ganz einfach ist, wenn einem die Qualität der Arbeit bereits schriftlich mitgeteilt wurde.

Doch vielleicht liegt es auch ein wenig daran, dass sich Lords Roman den herkömmlichen Lesegewohnheiten etwas entzieht. „Die beste Welt“ beginnt zwar mit einem Donnerschlag, nämlich dem Untergang des Zentralplaneten der Galaxis, aber das erfahren die Leser eher beiläufig. Und im Folgenden geht es weniger darum, was eigentlich passiert ist und welche Folgen das für die Galaxis hat. Nein, eine Space Opera hat Lord eher am Rande im Sinn, sie konzentriert sich lieber auf die Folgen, die die Katastrophe für eine ganz bestimmte Person hat – und Grace Delarua ist nicht mal eine typische Heldin. Delarua landet mit anderen Angehörigen ihres Volkes auf Cygnus Beta – aus den „Kolonialherren“ sind Flüchtlinge geworden.

„Die Inspiration für Die beste Welt waren 1. das Erdbeben im Indischen Ozean 2004, in dessen Folge in bestimmten Fischerdörfern mehr Frauen und Kinder als Männer starben, 2. ein Ungleichgewicht der Geschlechter in Ländern mit angewandter Pränataldiagnostik und/oder Restriktionen der Kinderanzahl, und 3. die Effekte, die Frauenmangel auf Gesellschaften hat. Aber eine Geschichte wurde es erst, als jemand in einem Blog-Beitrag über den Star Trek-Reboot schrieb, dass die meisten Überlebenden des Planeten Vulkan anscheinend Männer waren und die Frage gestellt wurde, was das wohl für die Zukunft dieser Kultur bedeuten würde.“ (auf Book Page)

Diese zentrale Idee beseelt „Die beste Welt“.

„Bei einer Tragödie dieser Dimension wird das Innere des Menschen völlig erschüttert, der Sinn für Oben und Unten geht verloren. Doch trotzdem geht das tägliche Leben weiter. Man muss Wasser trinken oder eine Tasse Tee. Man muss aufstehen und sich anziehen. Es ist beinahe lächerlich, aber das Leben nimmt keine Rücksicht auf Tragödien. Trauer ist wie ein Schwindelanfall. Aber wie finden die Menschen wieder sicheren Halt?” (Book Page)

Karen Lord macht aus dieser Frage einen fantastischen Reiseroman und eine Romanze. Mit ihr hat die moderne Science Fiction eine neue, aufregende Stimme gefunden. Die Fortsetzung von „Die beste Welt“ ist bereits in Arbeit – „The Galaxy Game“ soll Mitte 2014 erscheinen. Und bis dahin wird Karen Lord garantiert noch den einen oder anderen Preis gewinnen…

Karen Lord: Die beste Welt (The Best of All Possible Worlds) • Roman • Aus dem Englischen von Irene Holicki • Heyne Verlag, München 2014 • 400 Seiten • € 8,99 (im Shop)

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.