19. April 2016 5 Likes 6

Unentdeckte Perlen

Fünf Science-Fiction-Bücher, die definitiv zu wenig Aufmerksamkeit bekommen

Lesezeit: 5 min.

Kennen Sie das? Sie werfen einen Blick auf die aktuelle Bestsellerliste und fragen sich, wie um alles in der Welt es dieser oder jener Titel da drauf geschafft hat. Und diesen Roman, den Sie kürzlich gelesen haben und der Sie völlig aus den Socken gehauen hat, kennt keine – pardon – alte Sau. Um das zu ändern, habe ich meine Top-Fünf-SF-Bücher zusammengestellt, die einen Platz auf der Bestsellerliste verdient hätten:

 

5. Pierce Brown: Red Rising

Lassen Sie mich raten: Sie haben nur „Jugendbuch“ gelesen und Red Rising (im Shop) von Pierce Brown als Panem-Aufguss abgetan, richtig? Ja, es gibt eine Art „Hungerspiele“, in denen junge Menschen in einem gnadenlosen Kampf gegeneinander antreten müssen, aber das war‘s dann auch schon mit den Parallelen. Denn die „Spiele“ sind Bestandteil der militärischen Ausbildung und werden dementsprechend auch nicht mit Romanzen gewonnen. Darrow lebt auf dem Mars und gehört der niedrigsten Kaste, den Roten, an. Jeden Tag schuftet er in den Minen, stets in der Hoffnung, dass das Terraforming eines Tages Früchte trägt. Seine Frau wird für ein rebellisches Lied zum Tode verurteilt. Darrow schwört daraufhin den Goldenen, die in der Hierarchie ganz oben stehen, Rache. Doch die kann ihm nur gelingen, wenn er einer von ihnen wird …

Wem sich nach der Hinrichtungsszene am Anfang des Romans der Magen nicht umgedreht hat, ist innerlich bereits tot. Red Rising ist nichts für schwache Nerven!

 

4. Harlan Ellison: Ich muss schreien und habe keinen Mund

„Nee, kenn ich nicht“, ist die Standard-Antwort, wenn ich vom amerikanischen Genre-Urgestein Harlan Ellison erzähle. Warum er in seiner Heimat berühmt, hierzulande allerdings nur einem kleinen Kreis ein Begriff ist, verstehe ich beim besten Willen nicht. Liegt es daran, dass er überwiegend Kurzgeschichten geschrieben hat? Oder dass er wie ein moralischer Kompass ist, der gleichzeitig in unterschiedliche Richtungen zeigt? Wie dem auch sei: Diese abgrundtiefe Bildungslücke können Sie mit dem Sammelband Ich muss schreien und habe keinen Mund (im Shop) schließen, in dem zwanzig Stories, mal Science-Fiction, mal Horror, mal Crime Noir, aber allesamt genial, versammelt sind.

Wer sich nicht sofort auf einen dicken Wälzer einlassen will, kann sich erst einmal mit einer Gratis-Story aus Ich muss schreien … anfixen lassen: „Bereue, Harlekin!“, sagte der Ticktackmann gibt es in unserem Shop, Die bessere Welt hier in unserem Magazin.

 

3. Rob Reid: Galaxy Tunes

Die Deutschen haben wohl keinen Humor. Das ist die einzige Erklärung, die mir einfällt, warum kaum jemand die wahrscheinlich witzigste Space Opera (mit Betonung auf „Opera“!) der Welt kennt: Rob Reids Galaxy Tunes (im Shop). Die Menschen sind Versager, das weiß das ganze Universum. Nur die Musik, die auf Erden produziert wird, die ist richtig gut. So gut sogar, dass sich die Aliens der gesamten Galaxis ungeniert die wunderbaren terrestrischen Klänge herunterladen. Doch dann finden Alien-Anthropologen heraus, dass es auf der Erde eine merkwürdige Tradition gibt: das Urheberrecht. Nun stehen die Aliens ausgerechnet bei der geistig minderbemittelten Menschheit so tief in der Kreide, dass dieser die komplette Galaxis gehört. Bleiben zwei Möglichkeiten: Die Vernichtung der Erde oder der legale Weg. Urheberrechtsanwalt Nick Carter (nein, nicht der von den Backstreet Boys!) soll’s richten und die Aliens aus der Sache rausboxen.

Reid brennt ein wahres Feuerwerk aus Musik-Trivia, Popkultur-Referenzen und Absurditäten ab, das unglaublich skurril ist. Die Frage ist nur: Was davon ist erfunden, was nicht? Dass das Universum plissiert ist klingt irgendwie logischer als die Tatsache, dass ein Einfamilienhaus weniger kostet als eine Raubkopie von My Sharona, oder?

 

2. Connie Willis: Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Historikerin Kivrin wird aus dem Jahr 2054 ins mittelalterliche England geschickt. Doch bei der Übertragung kommt es zu Problemen, und so landet sie nicht wie geplant im Jahr 1320, sondern im Jahr 1348 – dem Todesjahr, in dem die Pest England entvölkerte. Und eine Rückkehr in die Zukunft scheint unmöglich zu sein … Ja, genau: Die Jahre des Schwarzen Todes (im Shop) ist ein Zeitreise-Mittelalter-Roman. Aber einen wie diesen haben Sie in Ihrem Leben noch nie zu Gesicht bekommen. Im mittelalterlichen England findet sich nicht die geringste Spur von Wanderhuren-Romantik (fetter Pluspunkt), und im England der Zukunft haben diejenigen die Kontrolle über die Zeitmaschine, die damit auch umzugehen wissen: Die Historiker (nicht etwa die Physiker – noch ein Pluspunkt). Connie Willis fängt nicht nur den Horror der Pestjahre ein (spätestens auf Seite 300 werden Sie Ihre Lymphknoten abtasten), sondern schildert parallel dazu einen modernen Seuchenausbruch in der westlichen Welt, der nicht minder erschreckend ist. Horrorvorstellungen, aufgelockert durch verrückte Professoren und eine starke Forscherin im Mittelalter – warum haben Sie dieses Buch nicht schon längst im Regal?

 

1. China Miéville: Perdido Street Station

New Crobuzon ist ein Moloch von einer Stadt. Hier ist alles möglich; hier bekommt man selbst den abgründigsten Herzenswunsch erfüllt. Doch selbst dieser Albtraum von einer Stadt kann einen Albtraum haben. Durch eine Verkettung von unglücklichen Umständen und Zufällen lässt der abgehalfterte Wissenschaftler Isaac Dan dar Grimnebulin gefährliche Monster los, die New Crobuzon vernichten können, wenn er sie nicht zuerst unschädlich macht. Die Suche nach dem Versteck der Kreaturen ist wie eine Schnitzeljagd durch ein Wunderland, das absolut surreal ist und sich gleichzeitig unfassbar real anfühlt. Die Details, mit denen Miéville seine Stadt anfüllt, sind so unglaublich, dass mir beim Lesen vor Staunen der Mund offenstand. Die oben skizzierte Handlung ist auch nur das Grundgerüst – es gibt tausend Nebenplots, die vom Hauptstrang abzweigen und sich ein paar hundert Seiten später wieder mit ihm vereinigen.

Perdido Street Station (im Shop) ist mal Fantasy, mal Steampunk und mal Science-Fiction; China Miéville ist der wahrscheinlich coolste Autor der Welt; und die Übersetzerin Eva Bauche-Eppers, die für ihre Übersetzung von Miévilles Das Gleismeer (im Shop) für den Kurd Laßwitz Preis nominiert ist, hat ein wahres Meisterwerk abgeliefert. Nur Sie scheinen diesen Roman aus mir völlig unverständlichen Gründen noch nicht im Regal stehen zu haben. 

Kommentare

Bild des Benutzers timetunnel

Ich habe Galaxy Tunes in der englischen Originalversion ("Year Zero") gelesen und weiß daher nichts über die Qualität der deutschen Übersetzung, aber ich kann ansonsten nur zustimmen: das Buch ist wirklich sehr sehr witzig. Teils albern, aber auch tiefgründig. Man merkt, dass der Autor sich mit den Themen "Musik", "Musikindustrie" und "Urheberrechte" gut auskennt. Eigentlich mag ich ja Vergleiche wie "der neue Douglas Adams" nicht, vor allem weil sie eigentlich immer ausgemachter Blödsinn sind, aber falls jemand einen solchen Vergleich machen würde würde ich bei diesem Buch am ehesten sagen, dass das tatsächlich zutrifft.

Bild des Benutzers Elisabeth Bösl

Mir geht es andersrum: Ich habe das Original nicht gelesen und kenne nur die deutsche Übersetzung - und bei der habe ich Tränen gelacht!

Bild des Benutzers Doctor Flamenco

Tolle Liste. Gerade Harlan Ellison kann man mMn gar nicht oft genug empfehlen.

Bild des Benutzers Elisabeth Bösl

Da kann ich nur zustimmen und Danke sagen! :-)

Bild des Benutzers Tezla

Ich freue mich auch schon demnächst auf Pierce Brown: Red Rising. Ich warte jedoch bis die Trilogie im September komplett erhältlich ist. Dann geht es flüssiger =)

Bild des Benutzers Elisabeth Bösl

Ja, auf die Fortsetzung freue ich mich auch schon. Habe auf Deutsch angefangen und wollte nicht auf Englisch weiterlesen - auch wenn das Warten schwergefallen ist!

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