8. Mai 2017 1 Likes

„Battle Royale“ – Panem, eat this!

Bitterböse Gewaltoper mit Klassikerstatus

Lesezeit: 4 min.

„Battle Royale“ aus dem Jahr 2000 dürfte, vor allem angesichts der hier bereits angesprochenen Kontroverse in Hinblick auf „Die Tribute von Panem“, einer der wenigen japanischen Filme sein, von dessen Titel – trotz vormaliger, absolut unverständlicher Indizierung und Beschlagnahmung – auch Zuschauer schon mal gehört haben sollten, die mit dem asiatischen Film ansonsten nichts am Hut haben, zumal der Roman, auf dem der Film basiert, dank Heyne schon seit 2006 in deutscher Übersetzung zu haben ist.

Nun, ganze peinliche 17 (!) Jahren nach der Veröffentlichung im Heimatland gibt es „Battle Royale“ endlich völlig frei im Handel als pralles, aber trotzdem günstiges 4-Disc-Set zu erwerben und es ist zu hoffen, dass diesem großen Film, diesem fulminante Abschiedswerk eines Regie-Titanen, der maßgeblichen Einfluss auf Künstler wie Takeshi Kitano, Quentin Tarantino oder William Friedkin hatte, endlich vollumfänglich gewürdigt wird und sich vielleicht auch hierzulande ein größeres Publikum findet.

Erzählt wird von einer nicht mehr in den Griff zu kriegenden Schulklasse, die vom Staat, der auf diese rabiate Art die hohen Arbeitslosenzahlen und die ansteigende Jugendkriminalität eindämmen will, in naher Zukunft auf eine verlassenen Insel entführt wird. Dort kriegen die Kids explosive Halsbänder umgelegt und die Aufgabe sich innerhalb von drei Tagen abzuschlachten – der Überlebende darf nach Hause gehen, bleibt mehr als einer übrig, fliegen alle in die Luft und damit so richtig Bewegung in die Sache kommt, werden täglich Gefahrenzonen aufgerufen, wer sich zu lange in diesen Bereichen der Insel aufhält, fliegt ebenfalls in die Luft. Mit je einer zufällig ausgewählten Waffe, was sowohl eine effektive Maschinenpistole als aber auch lediglich ein Topfdeckel sein kann, wird das Spiel gestartet….

Wer nun an „Graf Zaroff – Genie des Bösen“ (1932), „Herr der Fliegen“ (1963) oder „Running Man“ (1987) denkt, liegt nicht ganz falsch, allerdings wandert Kinji Fukasaku in eine andere Richtung und kleidet seinen Stoff in einen satirisch unterfütterten Quasi-Kriegsreißer, auf dessen Grund ein Generationenkonflikt schlummert. Nach Beginn des Todesspieles folgt man in klassischer Katastrophenfilm-Dramaturgie den vielen Protagonisten, die sich verhalten, wie sich Menschen in solchen Ausnahmesituationen nun mal verhalten: Die einen begehen Selbstmord oder kämpfen ohne Zaudern sofort gegeneinander, die anderen verbünden sich; alte, wieder aufbrechende Konflikte und Misstrauen sorgen für zusätzlichen Zündstoff, vorzeitige Abgänge werden mit einem zynischen Kill-Count illustriert, der den heimischen Jugendschützern einstmals fast noch mehr als die harschen Gewaltszenen aufstieß.

„Battle Royale“ wurde vielfach vorgeworfen, dass man, auch wenn mit Shuya, Noriko und Shogo so was wie Hauptfiguren angeboten werden, kaum Verbindung zu den Charakteren aufnehmen kann, da nur wenig bei den Figuren verweilt wird und somit lediglich das grelle Spektakel bleibt. Das ist durchaus nicht falsch, die Kritik läuft aber trotzdem ins Leere, da Fukasakus Film – und hier werden weitaus eher Parallelen zum Schaffen Paul Verhoevens, vor allem „Starship Troopers“ (1997), als zu den genannten Verwandten deutlich – auf zwei Ebenen funktioniert: Zum einen als handwerklich überragend, vor allem extrem dynamisch inszenierte, grelle und, man muss es einfach mal ganz profan sagen, verdammt unterhaltsame Gewaltoperette, zum anderen aber auch als Portrait eines Generationenkonflikts, den der zum Drehzeitpunkt 70jährige Regisseur mit einem ausgestreckten Mittelfinger ganz klar zu Gunsten der Jugend entscheidet, denn die Alten, und das wird besonders in der Figur von Lehrer Kitano, dem darstellerischen und emotionalen Kern des Films, gespielt von keinem geringeren als Japans Kulturexport Nummer eins, Takeshi Kitano, deutlich, haben versagt, existieren in einer Welt, die ihnen fremd geworden ist; der Versuch fehlender Respekt mit brutaler Gewalt – das letzte Mittel Verzweifelter – zurückzuerobern, scheitert.   

„Battle Royale“ ist filmischer Punk, ein mit heißerer Stimme gebelltes „Fuck You“ und ein leidenschaftliches Plädoyer für die Jugend, für ein Morgen, ein besseres Morgen, ein unsterbliches Monument eines begnadeten Regisseurs, dass endlich in angemessener Form (die Einkaufskanal-Synchro wird jetzt einfach mal totgeschwiegen, Originalton plus Untertitel sind ja vorhanden) präsentiert wird. Neben dem „Extended Cut“, über den man sich streiten kann (das zusätzliche CGI-Blut ist jedenfalls ein definitives No-Go) und diversen kleineren Features findet sich ein wirklich tolles, insgesamt vier-(!!!)stündiges Making-Of, dass auf die aus amerikanischen Bonusmaterialien sattsam bekannten Bester-Film-den-ich-je-gedreht-hab-Ansagen verzichtet, sondern unterhaltsam und zuweilen sehr amüsant vom Herstellungsprozess des Films berichtet, in dessen Mittelpunkt unangefochten Kinji Fukasaku steht. Wenn man dabei zuschaut, wie dieser alte, weißhaarige Mann mit ungebremster Energie durch die Sets rennt, Anweisungen bellt, donnernd über alles mögliche lacht, Textzeilen leise mitspricht, noch an die allerkleinsten Details denkt und sich auch nicht zu schade ist, beim Make-up selbst Hand anzulegen, wird einem nachhaltig vor Augen geführt, was im Leben wirklich zählt: Leidenschaft. Einfach umwerfend und definitiv noch ein zusätzliches Kaufargument.

„Battle Royale“ ist seit dem 28.04.2017 von Capelight erhältlich.

Battle Royale (Japan 2000) • Regie: Kinji Fukasaku • Darsteller: Tatsuya Fujiwara, Aki Maeda, Takeshi Kitano, Chiaki Kuriyama, Tarô Yamamoto, Sôsuke Takaoka, Takashi Tsukamoto

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