18. März 2017 3 Likes 1

Goldrausch im All

Asteroidenbergbau wie in „The Expanse“: Holen wir uns die Rohstoffe zukünftig aus dem Weltraum?

Lesezeit: 7 min.

Asteroidenbergbau ist im Universum von The Expanse (im Shop) der Garant für den Wohlstand der Erde: Im Asteroidengürtel gibt es Dutzende Stationen, in denen Metalle aller Art, Kohlenstoff und Wasser gefördert wird. Sie werden von irdischen Firmen und deren Sicherheitsdiensten beherrscht, während die Gürtler inzwischen in der dritten und vierten Generation unter teilweise unmenschlichen Bedingungen arbeiten. In der Roman- und TV-Serie von Daniel Abraham und Ty Franck führt das irgendwann zum Aufstand der Belter, der unabsehbare Konsequenzen für die inneren Planeten des Sonnensystems haben wird.

Der Traum von den Reichtümern aus dem All ist alt – 114 Jahre, um genau zu sein. 1903 spekulierte Konstantin Eduardowitsch Ziolkowski, der Vater der modernen Kosmonautik, dass die Menschheit eines Tages außerirdische Rohstoffe abbauen könnte. Dank der Meteoriten wusste man damals schon, dass manche Himmelskörper teilweise aus Eisen und seltenen Edelmetallen wie Platin oder Palladium bestehen. Kein Wunder, dass auch hunderte Jahre nach Ziolkowski immer noch über den Asteroidenbergbau spekuliert wird. Doch was ist dran am Asteroidenbergbau? Gibt es im Gürtel wirklich was zu holen? Und wenn ja, was?

In den 114 Jahren seit Ziolkowski haben wir den Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter mit immer besseren Teleskopen kartiert und dabei auch untersucht, woraus er besteht. Vermutlich sind die Gesteinsbrocken bereits seit der Entstehung des Sonnensystems dort draußen. Man vermutet, dass sie eigentlich einen weiteren Planeten hätten bilden sollen, aber Jupiters Gravitation verhinderte, dass sie sich zusammenballten. Deswegen bilden sie heute ein ausgedehntes Trümmerfeld, das aus unterschiedlich großen Gesteinsbrocken besteht, die kleinsten nur wenige Meter im Durchmesser. Das größte Objekt im Gürtel ist Ceres, ein Planetoid mit 975 Kilometern Durchmesser (und weißen Flecken). Spektroskopische Untersuchungen haben gezeigt, dass etwa die Mehrheit aller Asteroiden im Gürtel aus kohlenstoffhaltigem Gestein bestehen. Diese sogenannten C-Klasse-Asteroiden machen etwa 75% aus. Die zweithäufigste Gruppe ist die S-Klasse (17%), die aus Silikatgestein besteht, dicht gefolgt von der M-Gruppe, von der man vermutet, dass sie hauptsächlich aus Nickel und Eisen besteht. Allerdings kommt man mit einem Spektroskop nur so weit – das zeigt die sogenannte X-Gruppe, bei denen wir schlicht nicht wissen, woraus sie sich zusammensetzt. Es könnte sein, dass wir dort Metalle und andere Elemente finden, die auf der Erde nicht vorkommen. Es gibt also einiges zu holen da oben. John S. Lewis, emeritierter Professor für Planetenwissenschaften an der University of Arizona, schätzte in seinem 1996 erschienenen Buch Mining the Sky, dass der Asteroid Amun einen Wert von gut 20 Milliarden Dollar haben könnte. Seiner Meinung nach würde ein Asteroid mit einem Durchmesser von einem Kilometer ausreichend Bodenschätze liefern, um den Bedarf der Menschheit an Industriemetallen jahrzehntelang zu decken.

Aber wie kommen wir an diese sagenhaften Schätze heran? Tatsächlich wird an diesem Problem bereits eifrig geforscht, und das ausgerechnet in Luxembourg. Das kleine EU-Land, das es mit seinen gerade einmal 570 000 Einwohnern nicht einmal unter die Top 20 der größten amerikanischen Städte schaffen würde, hat letztes Jahr 200 Millionen Euro für Firmen lockergemacht, die gemeinsam der University of Luxembourg die Möglichkeiten zum Asteroidenbergbau erforschen wollen. Damit lockte es die beiden Platzhirsche, Deep Space Industries und Planetary Resources, ins Land. Und angeblich denkt auch Elon Musk darüber nach, eine SpaceX-Filiale in Luxembourg zu eröffnen. Tatsächlich hat Luxembourg eine sehr erfolgreiche Raumfahrtgeschichte: 1985 wurde das Unternehmen SAS gegründet, das heute der größte Satellitendienst weltweit ist. Jetzt will Luxembourg offenbar zu einer Art Silicon Valley für den Asteroidenbergbau werden.

Deep Space Industries hat vor, in Luxembourg ein unbemanntes Schiff, den Prospector X, zu entwickeln, das im Erdorbit kreist und auf dem die Technologien zum Abbau getestet werden können. Allerdings will die Firma nicht etwa in den Gürtel, sondern hat sich ein weitaus näheres Ziel ausgesucht. Denn Raumfahrt ist bekanntlich teuer: um ein Objekt hinter der Marsbahn zu erreichen, wird eine gewaltige Menge Treibstoff benötigt, was zum einen teuer ist – um ein Kilo in den Erdorbit zu befördern, kostet derzeit 80 000 US-Dollar – und zum anderen die Nutzlast der Rakete einschränkt – sie kann also nicht so viel Equipment transportieren. Doch Asteroiden gibt es nicht nur im Gürtel. Deep Space Industries und ihre Konkurrenz von Planetary Resources haben es deswegen auf erdnahe Asteroiden abgesehen, die mit demselben Energieaufwand erreicht werden können wie der Mond. Bisher sind etwa 150 000 erdnahe Asteroiden bekannt. Zur Not könnten wir der Natur sogar ein wenig auf die Sprünge helfen: 2012 veröffentlichte das Keck Institute for Space Studies in Kalifornien ein Studie, der zufolge es machbar wäre, einen erdnahen Asteroiden mit einer Masse von 500 000 Kilo in eine Umlaufbahn um den Mond zu ziehen, wo er relativ einfach zu erreichen wäre.

Die Wunschliste der Firmen ist lang: der geeignete Himmelskörper sollte ein C- oder M-Asteroid sein, weil man dort neben den begehrten Metallen auch Wasser finden kann, aus dem man wiederum Raketentreibstoff gewinnen kann. Er muss groß genug sein, dass sich der Abbau rentiert, und auf einer Flugbahn unterwegs sein, die ihn in regelmäßigen, nicht zu langen Abständen nahe an die Erde heranbringt, sodass der Transport der Bodenschätze nicht allzu viel kostet. Klingt nach einer langen Suche? Mitnichten: Planetary Resources hat bereits acht erdnahe Asteroiden entdeckt, die infrage kämen.

Hinfliegen ist jedoch nicht alles: am Ziel muss ja auch Bergbau betrieben werden, wahrscheinlich vollautomatisch. Das ist im All wesentlich leichter als auf der Erde, denn auf den Asteroiden herrscht eine sehr, sehr viel geringere Schwerkraft als auf unserer Heimatwelt, weil sie sehr, sehr viel kleiner sind. Das erfordert einerseits Techniken zur Verankerung der Robot-Bergarbeiter – man denke an Philae, die ESA-Sonde, die sich mit Harpunen an 67P hätte festhalten sollen, was nicht ganz geklappt hat. Andererseits bedeutet eine geringere Schwerkraft auch, dass die Asteroiden im Gegensatz zur Erde wahrscheinlich keinen festen Kern haben, der im Laufe von Jahrmillionen eisenliebende Elemente wie Platin oder Gold hätte anziehen können, wie das bei uns der Fall ist. Allzu tief müssten wir also im All nicht nach Bodenschätzen graben – sie liegen einfach auf der Oberfläche herum und müssten nur eingesammelt werden. Dank der geringen Schwerkraft sollten sich auf größere Mengen Metall leicht bewegen lassen.

Deep Space Industries denkt auch über „Tankstellen im All“ nach: C-Klasse-Asteroiden, an denen eine automatische Treibstoff-Fabrik verankert wird, die das im Gestein enthaltene Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufspaltet. Raumschiffe auf dem Weg zum Asteroidengürtel könnten irgendwann einmal an so einer Tankstelle Halt machen und müssten weniger Treibstoff von der Erde mitbringen (wodurch mehr Nutzlast befördert werden kann). Denkbar ist auch, dass die vor Ort gefundenen Metalle gar nicht zur Erde zurückgebracht werden, sondern vor Ort weiterverarbeitet werden. Es gibt also jede Menge Ideen – doch der erste Schritt muss sein, die Raumfahrt insgesamt billiger zu machen. Nur dann können ultraleichte Geräte, robotische Montanarbeiter und vielleicht eines Tages auch menschliche Space-Bergleute ins All gebracht werden, sodass sich das Unternehmen auch rentiert.

Doch dürfen Firmen einfach so ins All fliegen und irgendwelche Metalle aus Asteroiden schlagen? Wem gehören die denn? Der Space Treaty von 1967 besagt, dass der Weltraum inklusive der sich darin befindlichen Himmelskörper wie der Mond oder die Asteroiden nicht Eigentum eines Landen sein dürfen. Allerdings konnte man sich 1967 nicht vorstellen, dass es eines Tages Privatfirmen gibt, die in der Lage sind, ins All zu fliegen. Dieses Schlupfloch wurde vom Space Act, den die amerikanische Regierung 2015 erlassen hat, ein Stück weit zementiert. Asteroiden gehören nach wie vor niemandem – aber die Rohstoffe, die auf und in ihnen sind, können von Unternehmen beansprucht werden. Damit wäre zumindest für amerikanische Asteroidenbergbauer eine gewisse Rechtssicherheit gewährleistet. In Luxembourg hält man sich da noch bedeckt, stellt allerdings vorsichtige Vergleiche mit dem internationalen Seerecht an. Das besagt, dass den Fischern zwar das Wasser und die Fische darin nicht gehören, dass sie jedoch ihre Netze auswerfen dürfen. Erst, wenn man den Fang an Deck geholt hat, gehören die Fische den Fischern. Denkbar wäre es auch, sich ein Beispiel am Abkommen zum Abbau von Rohstoffen in der Tiefsee zu nehmen. Das besagt unter anderem, dass kein Einzelstaat im Übermaß von einer gemeinschaftlichen Ressource profitieren darf. Solche Abkommen werden naturgemäß nur ungern ratifiziert – die USA beispielsweise haben nicht unterzeichnet –, weil große Firmen natürlich nur ungern in etwas investieren, wenn sie hinterher nicht allein Profit daraus schlagen können.

Bevor sich die Staaten und Firmen auf der Erde allerdings um die Edelmetalle aus Weltraum streiten, dürften noch einige Jahrzehnte vergehen. Weder gibt es derzeit die nötigen Technologien, noch ist die Raumfahrt kostengünstig genug, dass es sich lohnen würde. In dreißig, vierzig Jahren könnte das anders aussehen. Dann sind vielleicht die irdischen Rohstoffe so teuer und die Raumfahrt dank wiederverwendbarer Raketen so billig geworden, dass sich der Bergbau im Weltraum lohnen könnte. Der nächste Goldrausch scheint also nur eine Frage der Zeit – und ziemlich sicher wird er, wie in The Expanse, auf dem Rücken derer ausgetragen, die die Drecksarbeit machen.

Bild © Deep Space Industries/Bryan Versteeg

Kommentare

Bild des Benutzers Lichtecho

Ob es sich jemals lohnen wird, Rohstoffe auf den Asteroiden für unsere irdischen Bedürfnisse abzubauen, kann bezweifelt werden. Wenn wir aber, wie in The Expanse, unser Planetensystem für uns Menschen zugänglich machen wollen, ist es sehr sinnvoll, die vorhandenen Rohstoffe vor Ort zu nutzen. Wir können nur dann dauerhaft bemenschte Stationen auf dem Mars unterhalten oder große Erkundungsraumschiffe zu den Gasriesen bauen, wenn wir nicht alles aus dem Gravitationstopf der Erde nach oben bringen müssen.

Ich glaube in diesem Jahrtausend erleben wir den Ausstieg des Menschen aus seiner Kinderkrippe Erde. Gegenüber den Träumern des goldenen Sciencefiction-Zeitalters haben wir inzwischen eine sehr konkrete Vorstellung davon, wie dieser Schritt nachhaltig(!) gelingen kann. Dazu gehören die Erfahrungen der Weltraummedizin auf der ISS, die wiederverwendbaren Raketen von SpaceX und BlueOrigin und eben auch die Fähigkeit lokale Rohstoffe nutzen zu können.

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