25. November 2014 1 Likes

Zukunftstechnologie 2.0

Ein Interview mit Herbert W. Franke anlässlich der E-Book-Ausgabe seiner Romane und einer Lesung in Zürich

Lesezeit: 5 min.

Herbert W. Franke ist ein Urgestein der Science-Fiction in Deutschland: Seit 1957 ist er als Schriftsteller tätig und verfasste über 20 Romane, zahlreiche Kurzgeschichten und jede Menge Sachbücher, vor allem zu den Themen Computerkunst und Höhlenforschung, neben der Science-Fiction und seiner universitären Karriere die beiden großen Tätigkeitsfelder Frankes. Außerdem war er jahrelang Science-Fiction-Herausgeber bei Goldmann und Heyne. 2014 sind fünfzehn seiner Romane aus den Jahren 1961-2004 als E-Book bei Heyne erschienen (im Shop), ab November erscheint eine gedruckte Werkausgabe im Verlag p.machinery.

Am 04.12.2014 wird er in Zürich seinen neuen Roman im Rahmen einer Diskussionsrunde vorstellen (Flyer als PDF). Neben Franke werden der Physiker Klaus Ensslin (ETH Zürich), der Franke-Herausgeber Hans Esselborn (Universität Köln) und Philipp Theison (Deutsches Seminar der Universität Zürich) über das Thema Nanotechnologie und den Umgang damit in der Science-Fiction diskutieren. Wir sprachen vorab mit ihm über seine Romane, manipulierte Menschen und die Zukunft des Genres:

 

Herr Franke, 15 Ihrer Romane sind kürzlich als E-Book bei Heyne erschienen, einem Verlag, in dem Sie selbst jahrelang zusammen mit Wolfgang Jeschke als Herausgeber tätig waren. Hätten Sie es damals, in den Sechziger- und Siebzigerjahren, für möglich gehalten, dass es das E-Book einmal geben würde und dass Ihre Bücher einmal in dieser Publikationsform erscheinen würden?

An die erfreuliche Möglichkeit, dass man nun Bücher von mir herunterladen und von kleinen, handlichen Bildschirmen lesen kann, habe ich nicht gedacht, doch habe ich damals schon erwartet, dass man später einmal viel mehr vom Bildschirm lesen wird und weniger von bedrucktem Papier.

Lesen Sie selbst E-Books?

Ja. Besonders gern an den Abenden in dunklen Räumen vor dem Einschlafen im Bett.

Erinnern Sie sich noch an Ihre erste Science-Fiction-Publikation? Freut man sich nach über sechzig Jahren im Geschäft noch wie am ersten Tag, wenn Romane neu aufgelegt werden – sei es als E-Book oder als gedruckte Werkausgabe, die ab November 2014 beim Verlag p.machinery erscheint?

Es freut mich in der Tat – weil es ein Zeichen dafür ist, dass das, was da zu lesen ist, seine Gültigkeit über die Jahre hinweg erhalten hat.

​Haben Sie einen persönlichen Favoriten unter Ihren Romanen, und wenn ja, welcher ist es und warum?

Besondere Bedeutung hat mein Roman „Zone Null“. Es war eine Auftragsarbeit, und ich habe dabei einige besonders umstrittene Möglichkeiten einer technisch unterstützten Psychologie beschrieben – z.B. die Verdoppelung von Persönlichkeiten.

Im Mittelpunkt vieler Ihrer Romane steht der manipulierte Mensch oder auch der Mensch in einer manipulierten Realität. Was fasziniert Sie so an diesem Thema?

In diesem Fall ist es nicht so sehr die Faszination, die mich zu diesen Themen führt, als die Tatsache, dass es schon längst eine Manipulation des Menschen mit Hilfe technischer Mittel gibt – wobei die sich dafür neu eröffnenden Möglichkeiten immer phantastischer werden.

Ihr Roman „Ypsilon minus“ ist, soviel ich weiß, sowohl in der UdSSR als auch in der DDR erschienen – erstaunlich, wenn man bedenkt, dass es darin um die absolute Kontrolle durch ein übermächtiges, computergestütztes System geht. Haben Sie eine Theorie, wie „Ypsilon minus“ das gelingen konnte?

Ich habe selbst am meisten darüber gestaunt. Die russischen Auflagen dieses Romans und auch anderer waren unwahrscheinlich groß, aber damals gab es – zumindest für die ersten, die dort erschienen sind – keine Honorare.

„Die Schule für Übermenschen“ befasst sich, sehr vereinfacht gesagt, mit den Auswirkungen, die jede Form von physischem und psychischem „Upgrade“ auf den Menschen hat. Was meinen Sie, wird eine solche Schule einmal notwendig sein?

Notwendig sicher nicht – aber so etwas wie Zuchtanstalten für Soldaten und Sportler sind ja schon in Betrieb.

Auch die Künstliche Intelligenz findet ihren Platz in Ihren Romanen, ebenso wie das, was später als Cyberspace bekannt wurde. Sehen Sie sich als Vorreiter für bestimmte Subgenres innerhalb der Science-Fiction? Schließlich schrieben Sie ja schon lange vor William Gibson darüber.

Es ist nicht mein Verdienst, sondern eine willkommene Tatsache, dass auftretende Probleme mich oft zu Ideen für mögliche Lösungen anregen. Dabei mögen auch solche gewesen sein, die noch niemand vorher gehabt hat. Und gerade der Bereich „Science-Fiction“ sollte eine Quelle solcher Innovationen sein – wofür es ja gute Beispiele gibt.

Einer der Romane, der mir besonders gut gefallen hat, ist „Die Glasfalle“. Können Sie kurz etwas zur Entstehungsgeschichte sagen, woher Sie die Idee dazu hatten und welche Herausforderungen sich beim Schreiben stellten?  

Ich stand im Alter von 15 bis 18 Jahren leider unter Druck von Systemen, in denen jede Freiheit für eigenständiges Denken und Handeln unterdrückt wurde. In diesem Roman habe ich das Erlebnis einer solchen Situation aufgearbeitet.

Sie betätigen sich ja neben dem Schreiben auch noch auf vielen anderen Feldern – Sie sind Physiker, Höhlenforscher und Computerkünstler, um nur die prominentesten Beispiele herauszugreifen. Ist Ihnen das Genre Science-Fiction deswegen so sympathisch, weil es schon allein dem Namen nach zwischen Wissenschaft und Kunst liegt? Worin besteht für Sie der Anreiz, sich mit SF zu beschäftigen?

Es liegt ein besonderer Reiz darin, sich in völlig fremd anmutenden Welten zu bewegen. In den Höhlen ist das faktisch möglich – der Unterschied gegenüber der Außenwelt ist beachtenswert. In der Science-Fiction verwirklicht sich so etwas nur gedanklich, aber der Eindruck auf den Autoren wie auch auf den Leser ist nicht grundsätzlich verschieden.

Wie sehr beeinflussen sich Schriftstellerei, Kunst und Forschung gegenseitig in Ihren Werken? Ziehen Sie denn überhaupt zwischen diesen Bereichen klare Trennlinien, klare Grenzen?

Wir brauchen dafür keine klaren Grenzen – im Gegenteil: Dort, wo sich die Bereiche überschneiden, findet man die kreativen Zonen des Wissens und Gestaltens.

Lesen Sie noch aktuelle Science-Fiction-Romane und schauen Sie sich aktuelle Science-Fiction-Filme an? Wie denken Sie über den derzeitigen Zustand des Genres, und wohin wird es sich Ihrer Meinung nach entwickeln?

Leider erfüllen nur wenige Science-Fiction-Romane die von mir angedeuteten Kriterien. Was die Filme betrifft, so gibt es jetzt großartige technische Mittel, um auch die visuellen Vorstellungen kreativer Autoren zu vermitteln; es wird leider nur wenig davon Gebrauch gemacht, doch in einigen Filmen aus letzter Zeit deutet sich doch eine Verbesserung der Situation an.

Lassen Sie uns zum Abschluss einen kleinen Blick in die Zukunft werfen: Sie schreiben an einem neuen Roman? Worum geht es, und was erwartet den Leser?

Im Mittelpunkt steht die Nanotechnologie, die Möglichkeit, Technik auch in kleinsten Dimensionen einzusetzen. Das betrifft nicht nur neue Baumaterialien, synthetische Nahrungsmittel, Medikamente und Schaltsysteme, sondern auch den Eingriff ins Nervensystem von Tieren und Menschen und schließlich auch ins Gehirn. Man kann Daten ins Gehirn einspielen und andere löschen und damit unter anderem auch die Vergangenheit verändern – und fälschen. Genau darum geht es in meinem neuen Buch mit dem vorläufigen Titel „Nanox“, aus dem ich bei der Veranstaltung in Zürich vorlesen werde.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Zukunftstechnologie 2.0 – Nanos in Technologie und Medien

Lesung und Diskussion mit Herbert W. Franke
Donnerstag, 04.12.2014, 20:00 Uhr bis 21:20 Uhr
Semper-Sternwarte, Collegium Helveticum, Schmelzbergstraße 25, 8006 Zürich

Weitere Informationen zur Veranstaltung finden Sie auf uzh.ch. Mehr Informationen zu Herbert W. Franke finden Sie auf seiner Homepage.

Die Romane Herbert W. Frankes finden Sie in unserem Shop.

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