7. November 2016 2 Likes

Reich an Ideen

Warum es nicht einmal mit der Science-Fiction als Basis einer neuen Währung versuchen?

Lesezeit: 4 min.

Die Probleme mit den traditionellen Fiatgeldwährungen wie dem Dollar, dem Pfund oder dem Euro, deren Wert von den Regierungen festgelegt wird, sind bekannt: Münzen und Geldscheine können gefälscht werden; die Geldmenge ist abhängig von den Launen der Politiker oder der Zentralbanken; sie verlieren durch Inflation an Wert und sind anfällig für Spekulationsgeschäfte. Außerdem ist physisches Geld dem Verschleiß ausgesetzt oder geht verloren und muss ersetzt werden.

Heutzutage finden viele unserer Finanztransaktionen online statt. Hauptsächlich wird dabei – wie etwa bei Kreditkarten oder PayPal – eine herkömmliche Währung lediglich auf elektronischem Wege verwaltet; doch im Jahre 2009 erblickte mit der Erfindung von Bitcoin eine neue Geldeinheit das Licht der Welt. Bitcoin ist eine Open-Source-Software, die direkte Transaktionen zwischen verschiedenen Benutzern ohne Banken oder Regierungen als Mittelsmänner ermöglicht. Jede Bitcoin-Transaktion wird in einem öffentlich einsehbaren Verzeichnis – der sogenannten „Blockchain“ – eingetragen, das  ständig aktualisiert wird.

Bitcoins werden nicht von einer zentralen, übergeordneten Autorität ausgegeben; jeder kann Bitcoins aus der Blockchain gewinnen („Mining“), indem er Rechenleistung zur Verfügung stellt, mit der Bitcoin-Transaktionen verifiziert und aufgezeichnet werden. Je länger die Blockchain wird, desto schwieriger und zeitaufwändiger wird es, Transaktionen zu bestätigen oder neue Bitcoins zu schöpfen, wodurch eine Bitcoin-Inflation verhindert wird. Die sogenannten „Miners“ erhalten zudem eine Transaktionsgebühr. Diese ist allerdings nicht verpflichtend, sodass man sich gegenwärtig noch darauf konzentriert, neue Bitcoins zu „erschaffen“. 2012 erhielt ein Miner fünfundzwanzig Bitcoins für jeden Block, den er der Blockchain hinzufügte. Diese Summe wird alle zweihundertzehntausend Blocks (etwa alle vier Jahre) halbiert und voraussichtlich Mitte des 22. Jahrhunderts gegen Null gehen, wenn die maximale Geldmenge von einundzwanzig Millionen Bitcoins erreicht ist.

Die zentrale Funktion der Blockchain ist die garantierte Knappheit der Bitcoins. Ohne ein Limit der verfügbaren Geldmenge besäße die einzelne Bitcoin keine Kaufkraft mehr; gäbe es Bitcoins wie Sand am Meer, wären sie aus finanzieller Sicht auch nur so viel Wert wie Sandkörner. Das Ganze hat bedauerlicherweise mehrere Pferdefüße: Die Blockchain kann durch Softwarefehler und Hackerangriffe beeinträchtigt werden. Bitcoins können gefälscht, Blockchain-Transaktionen sabotiert oder manipuliert werden. Da Bitcoins keinen traditionellen Stabilisierungsfaktoren unterliegen, sind die Wechselkurse mit herkömmlichen Währungen extrem unbeständig. Manche sprechen von einer Spekulationsblase oder gar einem Schneeballsystem.

Ich möchte an dieser Stelle also eine andere Währung vorschlagen – eine, die nicht auf Rechenleistung und dem Mining der Blockchain basiert, sondern auf dem Ersinnen neuer Science-Fiction-Ideen.

Warum sollte dieses System auf Science-Fiction und nicht auf einem anderen Literaturgenre basieren? Nun, die Science-Fiction ist das einzige Genre, das völlig neue Ideen, Konzepte und Annahmen – oder „Nova“, wie Darko Suvin sie bezeichnet – voraussetzt. Realistische Literatur reflektiert den Zustand der gegenwärtigen Welt; andere Genres – Liebesromane, Krimis, Western etc. – sind eine Variation bestimmter hergebrachter Themen und Prämissen. Natürlich ist auch der Science-Fiction das Recycling abgedroschener Ideen nicht fremd, man denke nur an die inzwischen wohlvertrauten Dystopien, Roboteraufstände oder insektoide Außerirdischen; wie jede andere Literatur wird auch die Science-Fiction vom Klischee bestimmt. Das Alleinstellungsmerkmal dieses Genres ist jedoch, dass es im besten Fall ein völlig neues Konzept präsentieren kann. Die Science-Fiction kann sich Dinge vorstellen, die nicht oder noch nicht existieren; sie spekuliert; sie extrapoliert; sie denkt in völlig neue Richtungen. Science-Fiction ist das Genre des Neuen.

Jede Neuerung ist von Natur aus selten und stellt damit die ideale Grundlage für eine neue Währung dar. Natürlich muss die Originalität eines Einfalls erkannt und verifiziert werden, genau wie man früher Gold aus dem Erz schürfte und dann auf seine Echtheit prüfte. Das moderne Äquivalent dieser alten Goldgräber, Goldwäscher und Edelmetallprüfer wären die Literaturkritiker – in der ureigenen „Blockchain“ des Genres geschulte und mit seiner Geschichte vertraute Männer und Frauen. Ein solches Kritikerteam müsste jede Neuveröffentlichung lesen und die darin enthaltenen echten „Nova“ in einem Katalog der Öffentlichkeit zugänglich machen.

Damit würden die derzeit aktiven SF-Autoren zu einer Zentralbank oder einer Goldreserve à la Fort Knox, dem Fundament also, auf dem diese Währung beruht. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil dieses Systems besteht darin, dass es die Autoren dazu zwingt, Klischees zu vermeiden und beim Schreiben auf Originalität und Fantasie zu setzen. Und da dieses System nicht von ultrakomplexen Computeralgorithmen abhängig ist, kann es auch nicht gehackt oder manipuliert werden.

Als Nebeneffekt würden sowohl die Autoren wie auch zu einem gewissen Grad die Kritiker der Science-Fiction zu immensem Reichtum gelangen. Obwohl ich selbst SF-Autor und -Kritiker bin, kann ich Ihnen versichern, dass ich diesen Vorschlag völlig uneigennützig und unabhängig von meiner persönlichen Situation vorbringe.

Wie sollte diese neue Währung heißen? Ich wäre dafür, sie nach einem der bekanntesten und einflussreichsten SF-Autoren überhaupt zu benennen, einem Genie, das ein wahrlich goldenes Händchen für neue und aufregende Konzepte hatte.

Vorhang auf also für: Dickcoin!
 

Adam Roberts ist eine der talentiertesten Stimmen in der neueren britischen Science-Fiction. Geboren 1965, studierte er Englische Literatur in Aberdeen und Cambridge und arbeitet derzeit als Dozent an der University of London. Alle Kolumnen von Adam Roberts finden Sie hier.

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