4. Juli 2016 1 Likes

Das Quieken aus dem All

Das Schicksal der Raumsonde Juno auf ihrem Weg zum Jupiter ist ungewiss

Lesezeit: 4 min.

Diesen Monat werden wir Menschen etwas noch nie Dagewesenes erleben: Eine von uns losgeschickte Raumsonde wird einen gefährlichen, kaum erforschten Ort in unserem Sonnensystem erreichen, und wir hoffen darauf, dass sie ein paar verwertbare Daten schickt, bevor sie den Geist aufgibt.

Mit diesem Ort meine ich nicht die Sonne. Natürlich ist die auch – technisch gesehen – ein extrem gefährlicher Ort. Kommt man ihr näher als die Venus, kocht sie einen wie ein Frühstücksei. Aber Tatsache ist, dass wir bereits eine Menge über die Sonne wissen: Wie sie funktioniert, welche chemischen Reaktionen in ihrem Inneren stattfinden, woraus sie besteht und natürlich auch, welche Temperaturen dort herrschen. Doch weil die Realität kein Danny-Boyle-Film ist, schicken wir vernünftigerweise überhaupt nichts dorthin.

Nein, unsere kleine Sonde, die den passenden Namen Juno trägt, hat ein viel unwirtlicheres Ziel als die Sonne, nämlich den Jupiter.

Obwohl sich der Jupiter in unserem Sonnensystem befindet, liegt er sozusagen am Rande der Welt – wie die weißen Flecken auf den alten Landkarten, die mit Ungeheuern und Fabelwesen bevölkert sind. Der Jupiter ist der größte Planet im Umkreis von Milliarden von Kilometern; tatsächlich ist er sogar so groß, dass die Erde mehr als tausend Mal in ihn hineinpassen würde. Und doch wissen wir so gut wie nichts über diesen Planeten. Wie sollten wir auch? Er besitzt ein so gewaltiges Gravitations- und Magnetfeld, dass er selbst den Erdball in einem Sekundenbruchteil platt wie einen Pfannkuchen machen würde. Auf der Erde sind wir jährlich einer Strahlung von etwa 0,3 Rad ausgesetzt, auf dem Jupiter sind es dagegen zwanzig Millionen Rad. Der Jupiter ist von wirbelnden Gaswolken umhüllt, die mit einer Geschwindigkeit von mehr als 3000 km/h über seine Oberfläche hinwegfegen, und wir haben nicht die leiseste Ahnung, was sich unter diesen Wolken abspielt. Heute, am 4. Juli 2016 – wenn unsere Sonde den Jupiter nach einer Reisezeit von 5 Jahren erreicht – bekommen wir die Möglichkeit, es herauszufinden. Vorausgesetzt, dass Juno nicht nur ein panisches digitales Quieken von sich gibt, bevor sie zu Brei zerquetscht wird.

Es ist ja nicht so, als hätten wir nicht bereits mehrere Sonden zum Jupiter geschickt: Zwei Pioneer- und zwei Voyager-Sonden sind in großer Entfernung an ihm vorbeigeflogen. Cassini-Huygens nutzte die Gravitation des Planeten, um sich in Richtung Saturn zu katapultieren („Schönen Dank auch!“). Im Jahr 2003 gelang es Galileo sogar, in die Umlaufbahn des Gasriesen einzutauchen. Leider endete diese Mission, als die Sonde ein panisches digitales Quieken von sich gab und zu Brei zerquetscht wurde.

Die Juno-Mission ist unsere bisher größte Hoffnung, wenn wir mehr über den Jupiter erfahren wollen. Die NASA – die endlich auf die Wünsche des Publikums einzugehen scheint – hat einen beeindruckenden, an eine Hollywoodproduktion erinnernden Werbefilm auf ihre Website gestellt. Darin diskutieren einige anonyme, ganz offensichtlich aber sehr hochrangige Wissenschaftler über diese Mission. Dass sie sich dabei alle Mühe geben, wie ein Sonderkommando der CIA zu klingen, kann man ihnen fast nicht verübeln: „Wir gehen rein, holen die Daten und verschwinden wieder“, sagt einer der Experten, der anscheinend zu viel Call of Duty gespielt hat. In Wirklichkeit ist diese Mission vielleicht nicht ganz so aufregend, ziemlich cool ist sie aber trotzdem.

Juno verließ unsere Atmosphäre bereits im Jahre 2011 und kam dann noch einmal kurz zurück, um mithilfe der Erd-Gravitation genug Schwung für die Reise zum Jupiter zu holen. Experten nennen das ein Slingshot-Manöver.

An ihrem Ziel angekommen, wird sich die Sonde Jupiters höchsten Sturmwolken bis auf 3000 Kilometer nähern – was das kosmische Äquivalent eines Handschlags darstellt. Von dort aus wird Juno so viele Daten wie möglich über den Planeten sammeln.

Das klingt jetzt wie ein hehres und edles Unterfangen, und das ist es auch – allerdings eines, das uns 1,1 Milliarden Dollar kostet. Ich sage hier so leichthin „uns“, dabei ist es eigentlich der wackere amerikanische Steuerzahler, der diese Rechnung begleicht. Nun fragen Sie sich vielleicht: Wozu das Ganze? Warum sollte man so viel Geld für die Erforschung eines sehr großen und sehr weit entfernten Himmelskörpers ausgeben, wenn man für die gleiche Summe auch jede Menge Bier und Call of Duty-Videospiele kaufen oder Donald Trump zum Mond schießen könnte?

Der Grund dafür ist ganz einfach: Der Jupiter ist unglaublich wichtig für unser Sonnensystem. Als ein explodierender Stern unsere unmittelbare kosmische Nachbarschaft erschuf, entstand zuerst die Sonne. Und gleich danach der Jupiter. Durch die Erforschung seiner Atmosphäre, seiner Zusammensetzung, seiner Temperatur und der Magnetfelder an seinen Polen können wir vieles über die Entstehung der Planeten unseres Sonnensystems erfahren und bereits bestehende Theorien auf ihre Richtigkeit überprüfen. Und mit diesem Wissen wird es uns irgendwann auch möglich sein, in anderen Sonnensystemen nach erdähnlichen Planeten Ausschau halten – was in einer Zeit, in der Leute wie Donald Trump unseren schönen Planeten bevölkern, gar keine schlechte Idee zu sein scheint.

Ich bin davon überzeugt, dass die Juno-Mission ihr Geld wert ist. In dieser Kolumne werde ich über verschiedene Weltraumprojekte schreiben, die wir trotz der hohen Kosten in Angriff nehmen sollten – weil sie ebenso faszinierend wie wichtig sind. Und solange weder Sie noch ich die Rechnung dafür bezahlen müssen, hoffe ich, dass Sie meine Ergüsse mit Interesse lesen. Wenn die nächste Kolumne erscheint, werden wir schon etwas mehr über den Jupiter wissen – zum Beispiel, ob das panische Quieken der bisher dorthin geschickten Sonden tatsächlich ein letzter Seufzer war …

 

Rob Boffard wurde in Johannesburg, Südafrika, geboren und pendelt als Autor und Journalist zwischen London, Vancouver und Johannesburg. Er schreibt u. a. für „The Guardian“ und „Wired“. Sein Debütroman „Tracer“ (im Shop) erscheint im Heyne Verlag.

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