10. April 2015 3 Likes 1

Das Romanimperium schlägt zurück

Mark Z. Danielewskis „The Familiar“ verleibt sich das Fernsehserielle ein

Lesezeit: 2 min.

Obwohl weder das Prinzip des Seriellen noch der mal offensiv, mal subtiler gepflegte ästhetische Austausch verschiedener Medien und Kunstformen untereinander alles andere als neue Phänomene darstellen, hat die breitöffentliche Relevanz neuerer Qualitätsfernsehserien fraglos zu einer Art Renaissance des umgangssprachlich epischen, d.h. im guten Sinn langatmigen Erzählens bürgerlich-realistischer Tradition in den populären Künsten geführt. Das Komplexe und in nicht wenigen Fällen mutig und wohlbegründet Ausufernde der Drehbücher der entsprechenden TV-Großproduktionen verdanken deren Autorinnen und Autoren (selbst)erklärtermaßen besonders den mehr oder weniger üppigen Romanen des weltliterarischen Kanons.

Ein Großer der neueren amerikanischen Literatur klaut nun gewissermaßen entschieden zurück. Der New Yorker Mark Z. Danielewski ist der Superstar unter den (tja: „postmodern“ mag man nicht mehr schreiben, da der Begriff schon seit Langem epochenhistorische Patina angesetzt hat; also vielleicht:) neoexperimentellen Gegenwartsautoren und Meta-Fantasten.

Sein monumentaler Debütroman „House of Leaves“ (2000; dt. „Das Haus“, btb) ist eine Spukhaushorror- und Liebesgeschichte, vor allem aber ein in stil-, typografie-, kompositions-, anspielungsreichtums- und allgemein formal- wie erzähltechnischer Hinsicht labyrinthisch-hybrides Buchmonstrum und bietet eines der spektakulärsten Leseerlebnisse der letzten Jahrzehnte. In den Niederlanden erschien 2005 die als Kinderbuch getarnte und buchgestalterisch ein wenig ins Kunstgewerbliche ausfransende, aber durchaus saftige Geistergeschichte „The Fifty Year Sword“, bevor Danielewski mit „Only Revolutions“ (2006) seinen zweiten, die Radikalismen des Debüts nochmal ein gutes Stück hinter sich lassenden Roman – die ultimative Love Story als ewiges Road Movie – veröffentlicht.

Mit „One Rainy Day in May“ startet nun im Mai mit 880 Seiten der 27 Einzelbände umfassende Serien-Roman „The Familiar“, in dessen Mittelpunkt, umgeben von einer Unzahl an Figuren und Orten, das zwölfjährige Mädchen Xanther und eine von diesem gerettete seltsame, auf den Weltverlauf massiv Einfluss nehmende Kreatur steht; der wie gewohnt äußerst ungewohnt gesetzte Text wird durchgängig von farbigen Illustrationen begleitet und wird laut Danielewski zeigen, „in welcher Konsequenz die Gattung Roman in der Lage ist, das Format der Fernsehserie heimzusuchen, sich einzuschreiben, in Stücke zu reißen und zu verschlingen.“ Vermutlich nichts für eine ungeduldige und auf Anstrengungsfreiheit bedachte Leserschaft, deren Serienschulung kaum auf einen so schweren Brocken vorbereiten kann – und überhaupt der Gefahr ausgesetzt, mehr bestaunt als gelesen zu werden. Wobei – vielleicht macht „The Familiar“ dann ja irgendwann seinerseits rückwirkend Schule und wird als 27957-teilige Fernsehserie adaptiert.

Bilder via io9

Kommentare

Bild des Benutzers Sebastian Pirling

Das ist ja total irre. Und irgendwie wieder auch nicht - wenn man sich diverse Inkunabeldrucke des 15. und 16. Jahrhunderts anschaut, findet man dort dieselbe Fabulier- und Formenlust. Die immerwährende Selbstinfragestellung des Mediums Buch ...
Danke für den Tipp!

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