29. August 2015 2 Likes

Die Akte Bradbury

Das FBI hat seine Unterlagen aus den Fünfzigern über den SF-Schriftsteller freigegeben

Lesezeit: 2 min.

Gleich zweimal nahm das FBI Science-Fiction-Autor Ray Bradbury unter die Lupe, einmal in den späten Fünfzigerjahren, das andere Mal gut zehn Jahre später. Die Behörden waren auf Bradbury vor allem wegen seiner Novelle The Fireman aufmerksam geworden, aus dem später der Roman Fahrenheit 451 (im Shop) entstand. The Fireman war Bradburys Protest gegen Senator McCarthy und dessen kommunistische Verschwörungs-Paranoia, was der Autor auch mehrfach öffentlich in Interviews erklärte – kein Wunder, dass das FBI und das Komitee für unamerikanische Umtriebe auf ihn und seine Texte aufmerksam wurden. Dass The Fireman in der UdSSR verboten war, störte die Ermittler nur wenig. Wesentlich interessanter dürften sie wohl das durch etwas übereifrige Zeugen verbreitete Gerücht gefunden haben, Bradbury plane einen illegalen Besuch in Kuba, um an einer Konferenz teilzunehmen.

Die Zeugenaussagen zu Bradbury, seinem Werk und seinen Schriftstellerkollegen lesen sich heute auf den ersten Blick eher unfreiwillig komisch: „Das grundlegende Ziel dieser Science-Fiction-Autoren ist es, der Bevölkerung so viel Angst einzujagen, dass sie an die Grenze zur Hysterie gerät“, heißt es in den Akten von 1959. Und weiter:

Einige Science-Fiction-Autoren haben durch das Medium der futuristischen Erzählung, die sich vorgeblich mit Wissenschaft befasst, die Illusion verbreitet, dass die Fortsetzung der Politik von heute unmöglich ist. […] Science-Fiction könnte ein sehr geeignetes Genre sein, um die Kommunistische Ideologie zu verbreiten.

Die Folge aus all dem: Wenn der Dritte Weltkrieg bevorsteht, könnte die amerikanische Bevölkerung glauben, dass sie von vornherein nicht gewinnen können, weil ihre Moral von den extrem populären SF-Romanen bereits untergraben wurde.

Die Verbreitung einer Ideologie konnte man zwar in Bradburys sehr erfolgreichen Texten nicht nachweisen, aber die Behörden stellten fest, dass seine Romane und Kurzgeschichten das Potenzial haben, etablierte Dogmen infrage zu stellen. Die Mars-Chroniken wiederholen, so die Ermittler, das Thema des Menschen als Zerstörer, nicht Erbauer. Science-Fiction, so heißt es an einer anderen Stelle in der Akte, versuche nach Bradburys eigener Aussage, falsche Werte in der Gesellschaft ans Licht zu bringen“. In welches Licht das wiederum heutige SF-Autoren – hier sei vor allem auf die berüchtigten „Puppies“ hingewiesen, die vordergründig mehr Spaß und weniger Predigten in der Science-Fiction fordern – rückt, sei jedem selbst zu beurteilen überlassen. Bradburys FBI-Akte ist ein weiterer Hinweis darauf, dass es der Science-Fiction schon immer auf mehr denn bloße Unterhaltung ankam. Sie bringt uns dazu, dass wir uns unsere Welt als eine andere vorstellen; dass wir auch darüber nachdenken, was sich ändern sollte. Und in diesem Sinne ist das Genre nie weit von der Politik entfernt.
Allerdings muss man nicht gleich so einen Wirbel veranstalten, um uns zum Nachdenken zu bringen. Isaac Asimovs FBI-Akte beispielsweise liest sich nicht halb so interessant …

Die Akte Bradbury kann man hier online einsehen: muckrock.com/bradbury-fbi-file.

Quelle: muckrock.com / Bild: openculture.com

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