1. September 2014

Batmans Sohn und weitere außergewöhnliche Gentlemen

Science-Fiction-Comic-Neuheiten im September

Lesezeit: 6 min.

Der Leseherbst beginnt im Comicbereich mit einigen beachtenswerten Science-Fiction-Novitäten. Im September gibt es in den Panel-Veröffentlichungen für Genre-Fans u. a. einen Blick in die düstere Zukunft von Gotham City, Iron Man als Sheriff auf dem Mond, das Finale einer bittersüßen Endzeitsaga und einen interessanten Trip für Sci-Fi-Comic-Süchtige.

 

Assassination Classroom Bd. 1

Carlsen, Taschenbuch, 192 S.

Seit 2012 erzählt der japanische Mangaka Yusei Matsui im östlichen Original die Geschichte eines übermächtigen Tentakelmonsters, das in einem Jahr die Erde zerstören möchte und bis dahin als Lehrer in einer japanischen Schule unterrichtet. Die Kids in der Klasse des oktopusähnlichen Lehrers/Weltenzerstörers sind die Einzigen, die ihn aufhalten und den Untergang der Welt verhindern können. Klingt verrückt? Ist es auch! Und ziemlich erfolgreich und groß: Die Sammelbände sind in Japan Bestseller, und nach einer Anime-Adaption, die in fünf großen japanischen Städten gezeigt wurde, ist für 2015 noch eine Anime-Serie fürs Fernsehen geplant. Außerdem soll es in absehbarer Zeit einen Live-Action-Film zum Manga geben. Das Ganze könnte also noch erfolgreicher und größer werden – da kann es nicht schaden, sich den ersten Band auf Deutsch mal anzusehen…

 

DC Premium 87: Damian – Der Sohn von Batman

Panini, Paperback/Hardcover, 132 S.

Grant Morrisons komplexe Batman-Strecke war nichts für Normal- oder Gelegenheitsleser und stieß selbst bei gestandenen Fans des Mitternachtsdetektivs nicht ausnahmslos auf Gegenliebe. Die Einführung von Damian Wayne, dem von der Mordliga aufgezogenen Sohn Batmans, war trotzdem richtig cool! Am Ende seiner Strecke als Bat-Autor hat Morrison Damian allerdings sterben lassen, um den Kreis zu schließen. Andy Kubert, der Morrison bei Damians Debüt als Zeichner zur Seite stand und vor Jahren mit dem schottischen Autoren-Giganten schon einmal einen Blick in eine mögliche Zukunft warf, in der Damian den Mantel und die Maske von Batman angelegt hat, schrieb und zeichnete nun eine Miniserie, die sich erneut dieser alternativen, finsteren Zukunft widmet. Der Dunkle Ritter stirbt darin, und der hitzköpfige Damian muss sich entscheiden: Geht er auf brutalen Rachefeldzug, oder wird er ein Held? Im deutschen Sammelband der starken Mini gibt’s noch das eben angesprochene Heft von Morrison und Kubert, in dem Damian erstmals als Batman der Zukunft gezeigt wurde.

 

Nirvana

Splitter, Hardcover, 120 S.

Mit „Die Druiden“, „Das fünfte Evangelium“ und „Das Reich Sienn“ hat sich der französische Comic-Autor Jean-Luc Istin bisher vor allem mit Fantasy-Stoffen hervorgetan. „Nirvana“, das der Autodidakt Arnaud Boudoiron herausragend gezeichnet hat, ist hingegen reinrassige Science-Fiction: Nirvana heißt die Droge, die die Welt des gleichnamigen Comics verändert hat – eine Droge, die nicht allein den Geist, sondern auch den Körper stark beeinflusst, den sie während des Trips in seine molekularen Einzelteile zerlegt und neu zusammensetzt. Hurley Judd ist einer der gnadenlosen Cops, die sich gegen die gefährliche Droge stellen, immer auf der Jagd nach Dealern und dem Erfinder von Nirvana. Kaum jemand hat einen so guten Antrieb wie Hurley, dessen Frau selbst von der Droge abhängig war und verschwand – bis sie ihm nun eine Botschaft zukommen ließ…

 

Iron Man: Fatal Frontier 1

Panini, Paperback, 132 S.

Im ersten von zwei Sonderbänden zur monatlichen Iron-Man-Heftserie wird die Erde aus dem All mit Raketen beschossen, und Tony Stark geht der Sache auf den Grund. Schnell findet der gerüstete Rächer heraus, dass ein alter Roboter der Sowjets, der auf dem Mond zurückgelassen und vergessen wurde, so die Aufmerksamkeit auf sich lenken wollte. Schließlich bekommt der Erdtrabant mehr Aufmerksamkeit, als gut ist, als der Roboter Dr. Doom und anderen irdischen Interessenten verkündet, dass es auf dem Mond ein neues Element gibt, das alle Energieprobleme lösen könnte. Und so beginnt ein wahrer Goldrausch zum lunaren Satelliten, den Iron Man als gerüsteter Sheriff irgendwie unter Kontrolle halten soll. Im Original erschien die Miniserie als digitaler Infinite Comic mit per Klick einblendbaren Ebenen und Sprechblasen, doch auch gedruckt funktioniert die SF-Story mit dem eisernen Avenger noch ganz gut, die Autor Kieron Gillen gern in der regulären Serie abgehandelt hätte, dort aber einfach nicht genug Platz und Zeit hatte, während Tony vor „Infinity“ im Weltall unterwegs war.

 

Sweet Tooth Bd. 6: Wilde Jagd

Panini, Paperback, 180 S.

Der kanadische Comic-Künstler Jeff Lemire ist ein echtes Allround-Talent. Nun hat nicht jede Auftragsarbeit als DC-Superhelden-Autor dieselbe Güte und Klasse wie Lemires eigenständige Werke – seine Vertigo-Endzeit-Serie „Sweet Tooth“ ist jedoch ein echtes Highlight und mehr als ein gelungener Kompromiss zwischen Kunstfertigkeit und Kommerz. Auf Deutsch erscheint nun der finale Band der rührenden, spannenden, traurigen, absolut überzeugenden Endzeit-Saga, in der Lemire immer seinen eigenen Weg gegangen ist und kanadische Mythen genauso eingearbeitet hat wie moderne Wissenschaft. Der Abschluss passt qualitativ und motivisch zum Rest von Lemires Beitrag zur postapokalyptischen Bewegung im zeitgenössischen Comic. Bittersüß!

 

Prophet Bd. 4: De Profundis

Splitter, Hardcover, 48 S.

Gemeinsam haben Xavier Dorison und Mathieu Lauffray nicht nur den überragenden Piratencomic „Long John Silver“ geschaffen und vor Kurzem endlich mit einiger Verspätung abgeschlossen. Zusammen lancierten sie zudem die Serie „Prophet“ – die nun ebenfalls mit einem vierten Album zu Ende gebracht wird! Und wie immer weht ein ordentlicher Hauch von Lovecraft durch die grandios visualisierten Seiten dieses finalen Albums, dessen Erscheinen immer wieder verzögert wurde. Nach all der Zeit sollte man wohl besser noch mal alle vier Bände am Stück lesen, um die Story über Himalaya-Expeditionen, unbekannte Zivilisationen und verhängnisvolle Paralleluniversen halbwegs auf die Reihe zu kriegen.

 

Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen: Die Century-Trilogie

Panini, Paperback/Hardcover, 244 S.

Seit 1999 berichten Comic-Gott Alan Moore und Zeichner Kevin O’Neill von den Abenteuern der Liga der außergewöhnlichen Gentlemen. In den ersten Bänden warteten u. a. die Marsianer aus dem Schaffen von H. G. Wells, und auch sonst zitiert Alan Moore in dieser Crossover-Steampunk-Pulp-Serie am Laufenden Band fiktive und reale Personen, Elemente oder Ereignisse aus dem jeweiligen Abschnitt der Geschichte und der Popkultur. Zuletzt gab es den ersten Band der „Nemo“-Trilogie und das berüchtigte „Black Dossier“ auf Deutsch. Davor erschienen drei ungebrochen referenzfreudige Bände, die im 20. Jahrhundert spielen, genauer gesagt in den Jahren 1910, 1969 und 2009. Diese drei Geschichten gibt es nun als dicken Sammelband namens „Centruy-Trilogie“. Die Liga, stets um unterschiedliche Heroen in ihren Reihen bemüht, zieht erneut los, um die Welt zu retten, und das nicht bloß vor den Hippies…

 

Lost Ctrl Bd. 1

Carlsen, Taschenbuch, 196 S.

Im ersten von zwei Bänden entführt Schweizer Manga-Künstlerin Evelyne Park in eine nicht allzu ferne Zukunft, in der die Menschen direkt mit dem Internet verbunden werden und das total aufregend und toll finden. Wer die Vernetzung ablehnt, muss letztlich gar in die Versenkung flüchten. Schließlich bleibt sogar nur noch die Flucht durch die Zeit. Doch etwas geht schief, und Protagonistin Scarlett erwacht alleine satte 100 Jahre in einer Zukunft, in der das Netzwerk alles umspannt und kontrolliert … so weit das Setting dieser neuen Manga-Dystopie, die im Großformat und in westlicher Leserichtung erscheint.

 

Sternenwanderer Bd. 5: Sra

Schreiber & Leser, Hardcover, 68 S.

Eine sinnige Neuauflage biegt mit dem vorletzten Hardcover-Album auf die Zielgeraden ein: Aus einer Citroen-Auftragsarbeit machte der französische Comic-Meister Moebius zwischen 1987 und 2004 „Sternwanderer“, eine insgesamt sechs Teile umfassende Science-Fiction-Saga in Panelform, die bei Schreiber & Leser aktuell neu aufgelegt wird. Im vorletzten Band der von Moebius unverkennbar und gewohnt fantastisch bebilderten Geschichte setzt Stell die Suche nach seiner geliebten Atana fort. Dabei erreicht er nicht nur das merkwürdig benamte Wüstendorf Sra, sondern begegnet auch immer mehr Monstern und Merkwürdigkeiten. Ein typischer Moebius!

 

Transmetropolitan Bd. 4: Die Spinne im Netz

Panini, Hardcover, 292 S.

Und auch die wuchtige „Transmetropolitan“-Werkausgabe im Hardcover bei Panini ist mit dem vorletzten Band von Warren Ellis’ und Darick Robertsons unvergesslicher SF-Saga aus der schmutzigen, fiesen Zukunft und um den darin wütenden Gonzo-Journalisten Spider Jerusalem dem Finale ganz nahe: Als Intimfeind des neuen Präsidenten bereitet der tätowierte Glatzkopf im vierten Sammelband seinen großen Coup vor. Diese Neuauflage ist dagegen schon jetzt ein Coup – immerhin sammelt sie in seitenstarken Doppelbänden und gebundener Form eine der wichtigsten und besten Science-Fiction-Comicserien aller Zeiten, die im US-Original zwischen 1997 und 2002 veröffentlicht wurde und bis zum heutigen Tag nichts von ihrer Qualität, ihrer Scharfzüngigkeit oder ihrer Boshaftigkeit eingebüßt hat.

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