Die kleinen Dinge

Mit seinen „Hilda“-Comics begeistert der britische Comic-Künstler Luke Pearson viele große und kleine Leser. Neben der niedlichen Optik überzeugen die fantastischen Abenteuer der jungen Hilda vor allem durch Pearsons Sense of Wonder, der irgendwo zwischen Tove Janssons „Mumins“ und den Anime-Märchen des Studio Ghibli verortet ist.

Jetzt ist „Was du nicht siehst“, das im Original 2011 nach dem ersten Hilda-Band veröffentlicht wurde, bei Reprodukt auf Deutsch erschienen, und zeigt einen völlig anderen Pearson. Das kleine Hardcover mit der Schwarz-Orange-Weiß-Farbpalette ist sicher nichts für junge Leser, wie Pearson selbst sagt, und wer eh schon eine depressive Phase durchläuft, sollte wohl ebenfalls aufpassen.

Denn der Brite erzählt von einem Paar in den Dreißigern, das sich auf unschöne Art entfremdet und trennt – und es verpasst, wieder zusammenzukommen, obwohl beide auf eine Versöhnungs-Mail warten. Doch Pearson zeigt noch mehr Dinge, die ungesehen und ungehört passieren oder vorbeiziehen: Gespenster und Seelen, tanzende Bäume, murmelnde Hunde, weinende Fenster, wachsende Wurzeln, wuchernden Krebs, die Reue eines in die Jahre gekommenen Mannes, eine sich in der Badewanne auflösende Frau – und natürlich pelzige Weltraum-Riesen, die Asteroiden nach der Erde werfen, die lediglich wegen des schlechten Zielwassers der Außerirdischen knapp in weniger als Mondentfernung vorbeigehen. Nicht zu vergessen die Anuriden, alienartige Krabbeltiere, die fasziniert vom menschlichen Verhalten sind und als stumme Beobachter die Fähigkeit haben, den Platz zu wechseln, ehe man sie sehen kann…

Nicht jedes Panel ist sofort zu dechiffrieren, und die 40 Seiten des Bändchens drücken schon ordentlich auf die Stimmung – trotzdem ist der mit einer Prise Science-Fiction und viel Melancholie versetzte magische Realismus von Luke Pearson in „Was du nicht siehst“ mehr als bloß einen Lesedurchgang wert.

Luke Pearson: Was du nicht siehst • Reprodukt, Berlin 2014  • 40 Seiten • € 14,00