12. Januar 2017

Giftige Zensur

Tetsuya Tsutsuis kritischer Manga „Poison City“

Lesezeit: 2 min.

Der japanische Comic-Künstler Tetsuya Tsutsui wurde erst Jahre später darüber informiert, dass der von ihm geschaffene, geschriebene und gezeichnete Manga „Manhole“ wegen seiner Inhalte und drastischen Darstellungen in der Präfektur Nagasaki auf den Index gesetzt worden ist. Als Tsutsui der Sache nachging, musste er mit Schrecken feststellen, mit wie wenig Sorgfalt die Verantwortlichen seinen Horror-Comic geprüft und in der Folge einfach gebannt haben. Diese erschütternde persönliche Erfahrung als zensierter Künstler führte zu Tsutsuis Manga „Poison City“, dessen erster Band Mitte Dezember bei Carlsen auf Deutsch erschienen ist.

Darin geht es um den jungen Mangaka Mikio Hibino, der den apokalyptischen SF-Horror-Comic „Dark Walker“ schreibt und zeichnet, in dem eine Seuche Menschen zu Kannibalen werden lässt. Mikio steht kurz vor einem Deal mit einem bekannten Manga-Magazin, das die Serie veröffentlichten möchte. Gleichzeitig wird im Japan des Jahres 2020 und speziell in Tokyo, wo bald die olympischen Spiele beginnen sollen, heftig und giftig zensiert und eifrig ‚gesäubert’. Auch Mikios Manga ist betroffen, mit Folgen für den Comic und das gesamte Magazin. Während Mikio selbst zwischen künstlerischer Freiheit und gesellschaftlicher Verantwortung hin und her gerissen ist, fürchtet er obendrein um seine Integrität sowie die Qualität und Zukunft seines vielversprechenden Werks …

Tetsuya Tsutsui gewährt in „Poison City“ Einblick in die Arbeitsabläufe von japanischen Manga-Künstlern und -Verlagen und extrapoliert das nach wie vor – bzw. allemal aktuelle –Thema Zensur in einer nahen Zukunftsvision, deren Grenzen zur Gegenwart verschwimmen. Er liefert sogar einen Exkurs in die Vergangenheit der US-amerikanischen Comic-Szene, die jahrelang unter der Selbstzensur unter dem aufgezwungenen Comics Code gelitten hat. All das reichert Tsutsui mit ein paar Sequenzen aus dem fiktiven Endzeit-Manga seines Protagonisten an, sozusagen einem Manga im Manga. Dennoch steht die kritische Auseinandersetzung mit Zensur, Zensierenden und Zensierten klar im Vordergrund der spannenden Künstler-Geschichte.

Der abschließende zweite Band ist für März angekündigt.

Alle Bilder: © 2015 Tetsuya Tsutsui

Tetsuya Tsutsui: Poison City Bd. 1 • Carlsen, Hamburg 2016 • 244 Seiten • Taschenbuch: 7,99 Euro

 

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