15. Februar 2017 4 Likes

Hat die Zukunft des Kinos zwei Buchstaben?

Die Berlinale 2017 im VR-Rausch

Lesezeit: 3 min.

Ausnahmsweise ist die Berlinale in diesem Jahr eine wahre Fundgrube für den Freund der Science-Fiction, was zwar in erster Linie an der tollen Retrospektive „Future Imperfect“ liegt, aber nicht nur. In den regulären Programmen der verschiedenen Sektionen ist Genreware zwar wie immer Mangelware, dafür weißt der Markt den Weg in die Zukunft. Gleich zwei russische Science-Fiction-Kracher wurden hier feil geboten und auch nach Deutschland verkauft, zum einen Fedor Bondrachuks „Attraction/ Anziehung“, der Ende Januar in seiner Heimat mehr als erfolgreich anlief, zum anderen Klim Shipenkos „Salyut 7“, der als im Weltraum angesiedelter kalter Krieg-Film beschrieben wird, was sich mindestens so spannend anhört wie die Behauptung, dass die 40 Minuten, die in Schwerelosigkeit gedreht wurden, ein Weltrekord darstellen.

Während diese beiden Filme demnächst zumindest in deutschen Wohnzimmern zu sehen sein werden, steht es um die Verfügbarkeit anderer Filme schlechter. Was an der Natur der Sache liegt und auch das größte Problem bei der Verbreitung einer Technik sein könnte, die schon jetzt unfassbare Möglichkeiten bietet: VR, Virtual Reality. Im Game-Bereich feiern die klobigen, langsam aber sicher bezahlbar werdenden Brillen schon große Erfolge, auch im Ausstellungsbereich findet man immer mehr Installationen, die sich dieser Technik bedienen, aber wird das Kino folgen?

Der Präsenz von VR auf bzw. am Rande der Berlinale nach zu urteilen unbedingt. Audi, einer der Hauptsponsoren der Berlinale lud etwa zu einer Panel-Diskussion zum Thema Neue Perspektiven durch Virtual Reality, wo eher unspannende Auto-Simulationen gezeigt wurden, aber auch die interessanten Ansätze des Regisseurs Cyril Tuschi. Der ist als Dokumentarfilmer bekannt, vor allem für „Der Fall Chodorowski“ über den russischen Oligarchen und Systemkritiker, widmet sich nun aber dem ungefährlicheren Gebiet der VR. Mit seiner Firma LaLaFilms entwickelt er VR filme und Erlebniswelten, die stark vom interaktiven Gedanken des Gaming geprägt sind.

Fraglos eine Möglichkeit der VR, doch inwieweit eignet sich die Technik für narrative Filme? Erstaunlicherweise ist die in Südafrika beheimatetet Firma Electric South Pionier auf diesem Gebiet. Zusammen mit dem Goethe-Institut hat sie Filmemachern aus Afrika einfache VR-Kameras zur Verfügung gestellt, mit denen in Accra und Dakar, Burundi und Liberia Kurzfilme entstanden, die Möglichkeiten und Grenzen der Technik aufzeigen: Während eine Dokumentation wie „Spirit Robot“ etwa einen spannenden Rundumblick in ein Kunstfestival in der ghanaischen Hauptstadt Accra liefert, bei der die Möglichkeit in alle Richtungen blicken zu können bereichert, ist genau dies das Problem beim narrativen „The Other Dakar“, der ein kleines Mädchen in die traditionelle Mystik der senegalesischen Stadt führt. Manches Mal folgt man da der Handlung, doch nach einem Schnitt ist das wichtigste auf einmal sozusagen im Rücken, so dass man erst eine Weile suchen muss, bis man seinen Blick wieder auf das wesentliche gerichtet hat.

Doch diese kleinen Probleme dürften bald der Vergangenheit angehören, wie Sönke Kirchhof berichtete, Geschäftsführer des Berliner VR-Studios INVR. Denn inzwischen gibt es Programme, die die Kopfbewegungen des Benutzers erfassen und bei einem Schnitt das relevante Element genau dahin setzen, wo der Blick des Benutzers gerade ist. Schier unbegrenzte Möglichkeiten deuten sich hier an, die die verschiedenen Kurzfilme, die von INVR präsentiert wurden eindrucksvoll zeigten: Oft von CGI geprägt (Durch das seit Jahren zunehmend perfektionierte Rendering von Landschaften der Games-Industrie), aber dadurch von beeindruckender Bildqualität. Schier schwerelos fliegt man da in „Tomorrow“ des Spaniers Nicolas Alcala durch fantastische Landschaften oder begibt sich in „White Patterns“ vom Franko-kanadischen Duo Pierre Friquet und Ando Shah auf eine Reise ins Unterbewusstsein, die mit ihren Kaleidoskopartigen Bildern an einen LSD-Trip erinnert.

Doch auch mit realen Bildern lassen sich eindrucksvolle Effekte erzielen, wie der holländische Film „Ashes to Ashes“ zeigt, bei dem der Benutzer quasi die Perspektive einer Urne einnimmt, um den herum sich seine Verwandten versammelt haben. In einer Einstellung gedreht versinkt man nach und nach so sehr in der virtuellen Welt, das man schließlich meint, sich tatsächlich zu bewegen, als im Film die Urne auf Schienen hin und her gefahren wird. Wie Neo einst treffend bemerkte: Wow! und zumindest im Ansatz fühlt man sich in solchen Momenten wie in der Matrix. Was mit dieser Technik in Zukunft noch möglich sein wird, gerade wenn sich ein technisch stets innovativer Regisseur wie Steven Spielberg mit VR beschäftigt, wie unlängst angekündigt, darauf darf man mehr als gespannt sein.

Große Abb. aus „Tomorrow“ von Nicolas Alcala.

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