24. Februar 2017 2 Likes

Aale auf dem Zauberberg

Es ist was im Wasser: „A Cure For Wellness“

Lesezeit: 3 min.

Gore Verbinski ist mehr als nur ein versierter Mainstream-Regisseur. Sieht man sich in seinem eklektischen Werk mal genau um, dann merkt man schnell, dass hier jemand wiederholt das Unmögliche möglich machte. Er brachte mit der Fluch der Karibik-Reihe die Gruppe der Leinwandpiraten zurück ins Blockbuster-Spiel, schuf mit The Ring das im Grunde einzige sehenswerte J-Horror-Remake, holte mit Rango auch ohne Unterstützung von Pixar/Disney einen Oscar und verwandelte Johnny Depp mit The Lone Ranger in Kassengift. A Cure For Wellness setzt nun seinem ungewöhnlichen Schaffen die Krone auf. Er selbst nennt den Film ein Experiment und meint damit in erster Linie den Umstand, dass es sich dabei um eine jener im mittleren Budget-Segment angesiedelten Veröffentlichungen handelt, von denen Hollywood immer weniger ausstößt – Genrekino eben mal nicht im Giganto-Modus oder komplett DIY, sondern für gemütliche 40 Millionen Dollar hergestellt. Doch das wahre Experiment findet auf inhaltlicher Ebene statt, denn was Verbinski hier in den Topf schmeißt, ist wirklich bemerkenswert.

An den amerikanischen Kinokassen hat diese Fischsuppe nicht wirklich funktioniert.  Wäre man Zyniker, so würde man dafür vielleicht in erster Linie die Tatsache verantwortlich machen, dass es sich um keinen Titel aus dem weiten Feld Remake / Sequel / Spin-off / Prequel / Comic-Adaption handelt. Damit läge man bestimmt auch nicht ganz falsch, denn Originalstoffe haben zur Zeit kaum eine Chance gegen Marvel, Star Wars & Co. Entscheidend für den mangelnden Erfolg dürfte eher sein, dass Verbinski einen wirklich unangenehmen Film gedreht hat, der das US-Massenpublikum offenbar überforderte.

Dabei beginnt alles wunderbar atmosphärisch und erinnert in seiner grünstichigen Eleganz zunächst an Verbinskis The Ring. Der junge Investment-Banker Lockhart wird aus der High-Tech-Zivilisation des modernen New York in ein finsteres Schloss mitten in den Schweizer Alpen geschickt, um dort einen dringenden Auftrag zu erledigen. So weit, so Bram Stoker. Jedoch erwartet ihn hier kein blutsaugender Aristokrat, sondern ein Sanatorium der besonders schrägen Art, in das sich sein ehemaliger Kollege Pembroke zurückgezogen hat. Statt den offenbar verrückt gewordenen Mann zurück in die Realität zu holen, wird der nassforsche Jung-Broker aber bald selbst zum Patienten. Und jetzt geht’s los: Als moderner Thomas-Mann-Held wandelt Lockhart durch die Gänge einer Heilanstalt, hinter deren Mauern sich schleimige Geheimnisse verbergen. Nach und nach (Verbinski lässt sich Zeit – das Ganze dauert zweieinhalb Stunden) kommt er der dunklen Vergangenheit des Schlosses auf die Spur, eine Entdeckungsreise, in deren Verlauf sein Körper zunehmend Gegenstand grausamer Behandlungen wird. Es wird gebohrt, angezapft, fixiert und penetriert, und während der junge Mann immer mehr zur wandelnden Krankheitsmetapher wird, entwickelt sich im Hintergrund eine Gothic-Horror-Operette, die den Film mit einem wunderbar flamboyanten Showdown versorgt, der sich gewaschen hat.

Das funktioniert auf allen Ebenen ganz wunderbar. Regie und Kamera finden grandiose Bilder für die Weirdness des Spitals, die erste Hälfte von A Cure For Wellness lebt vor allem von der fantastischen Location und ihrer Ausleuchtung. Genau so s(l)ick muss guter Krankenhaus-Horror aussehen. Das große Drama im Hintergrund wird dann vor allem von exorbitanten Darsteller-Leistungen getragen: Harry Potter-Villain Jason Isaacs gibt einen wunderbar sinistren Anstaltsleiter mit integriertem Twist, die Newcomerin Mia Goth überzeugt durch anämische Shelley-Duvall-haftigkeit, sogar der sonst oft etwas bemüht agierende Dane DeHaan funktioniert unter der Regie von Gore Verbinski ausnehmend gut als Publikumssurrogat.

Mit anderen Worten: A Cure For Wellness ist ein kleines, elegantes, unangenehmes Meisterstück, das es schafft, Erwartungen zu unterlaufen, Genre-Elemente frisch zu kombinieren und technisch perfekt zu präsentieren. Mehr zu verraten wäre Frevel, denn hier gibt es wirklich viel zu entdecken. Wider Erwarten ist das ein echter Brocken, den Verbinski und sein Autor Justin Haythe dem Publikum zum Fraß vorwerfen, ein überbordendes Büffet teils surrealer Einfälle, die nicht immer zünden, aber einfach schon wegen der Chuzpe ihrer Macher bestens unterhalten. Keine Konfektionsware, und gerade deshalb eine echte Empfehlung für alle, die ihren Horror idiosynkratisch und besonders aromatisch mögen.

„A Cure For Wellness“ ist seit dem 23. Februar bei uns im Kino zu sehen.

A Cure For Wellness • USA/D 2016 • Regie: Gore Verbinski • Darsteller: Dane DeHaan, Mia Goth, Jason Isaacs, Ivo Nandi, Celia Imrie

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