13. März 2017 1 Likes

Die Braut der Gottkaiserin

Mit „Die Krone der Sterne“ legt Kai Meyers seine erste unterhaltsame Space Fantasy vor.

Lesezeit: 4 min.

In einer weit, weit entfernten Galaxie wird Iniza zur Braut der Gottkaiserin auserkoren. Welches Schicksal ihr genau an der Seite der legendären Herrscherin blüht, weiß die junge Baronin noch nicht und möchte es auch vorerst gar nicht wissen. Stattdessen plant sie, dem Hexenorden zu entkommen, der Iniza an Bord der Raumkathedrale tief ins Innere des Reichs Tiamande verschleppen und zum Hof der Kaiserin bringen soll. Gemeinsam mit Glanis, ihrem Geliebten und Hauptmann ihrer Leibgarde, möchte sie der fliegenden Festung entkommen. Das Auftauchen des berühmt berüchtigten letzten Waffenmeisters Kranit verkompliziert die Angelegenheit jedoch ein wenig – und schon bald sind nicht nur die Hexen hinter Iniza, Glanis und Kranit her, sondern auch diverse andere machthungrige Personen.

An Kai Meyers Oeuvre kommt in Deutschland (fast) kein Phantast vorbei. Doch kann der vielseitige Autor, der bereits über 50 Romane verfasst hat, in denen er sich mit historischen Stoffen („Das Gelübde“) auseinandersetzt und fantastische Welten für Kinder- und Jugendliche  wie in „Merle“ und „Die Seiten der Welt“ erschaffen hat, auch ein waschechtes Weltraum-Epos schreiben? So mit Raumschiffen, Ray-Guns, Verfolgungsjagden, knallharten Kerlen und umwerfenden Damen? Und ob er das kann!

Eins jedoch vorweg: Fans von Hard-SF können nun aufhören weiter zu lesen oder dranbleiben und einen sich wirklich lohnenden Blick über den Tellerrand wagen. Es wird in dem 464 Seiten starken Roman keine wissenschaftliche Erklärung dafür geben, wieso, weshalb und warum Technik X eben funktioniert und wie die Waffe Y konstruiert ist. Das braucht eine gute Mischung aus Space Opera und Fantasy auch gar nicht, zumal in der Welt von „Die Krone der Sterne“ magische Kräfte zu existieren scheinen. Die Stärken von Meyers jüngsten Roman liegen eindeutig im Weltenbau und den starken weiblichen Figuren, die neben Iniza das Geschehen maßgeblich beeinflussen.

Bereits beim Aufschlagen des Paperbacks wird der Leser durch die großartigen Bleistiftzeichnungen von Jens Maria Weber („Codex Roboticus“) in die Welt des Romans hineingezogen. Wie schon in den alten Hobbit-Presse Bänden aus den 1970ern und 80er Jahren, dienen die Illustrationen als grafischen Vorspann und bieten einen kleinen Einblick in die Geschichte und auf die Barock anmutende Architektur der Weltraumgleiter und -schiffe, die dem absolutistischem Frankreich entsprungen zu sein scheinen. Genauer gesagt könnten sie das Ergebnis einer Kooperation von Leonardo da Vinci und Jules Verne sein, die bei einer gemeinsamen Zeitreise einen inspirierenden Zwischenstopp bei Ludwig XIV, dem Sonnenkönig, eingelegt und später Gustave Doré um die Ausarbeitung der angefertigten Skizzen gebeten hätten. Meyers wahre Inspirationsquelle für das beeindruckende Design war allerdings das Werk des amerikanischen Künstlers Kris Kuksi.


Eine der Illustrationen von Jens Maria Weber

Auch außerhalb der fliegenden Kathedralen mit ihrem magischen Antrieb bietet Tiamande einiges für Phantastik-Fans. Die Hexen sind nur eine fanatische Gruppe in diesem Space-Road-Movie auf Papier. Daneben gibt es noch Adlige mit Plänen, die denen der Gottkaiserin entgegen stehen, und Anhänger der „STILLE“, einer religiösen Gruppe, der Inizas Onkel Hadrath angehört. Ihr anderer Onkel, Fael, ist Anführer einer Piratenbande, die sich an einem geheimen Ort vor den Häschern der Herrscherin bisher verborgen hielt. In dieser technophoben Welt, die aus Angst vor einem erneuten Aufstand der Maschinenmenschen jeden technischen Fortschritt verteufelt und unterdrückt, ist Platz für jede Menge Außenseiter, die schon bald Inizas Weg kreuzen werden – und natürlich auch für die ein oder andere verbotene Technik.

Zu dem kleinen Heldentrupp um Iniza, Glanis und Kranit gesellen sich alsbald die Raumpilotin Shara Bitterstern, die auf einem mehr als unwirtlichen Planeten nach einem begehrten Rohstoff schürfen musste, und die Muse, eine ganz besondere Geisteswissenschaftlerin. Zusammen mit Iniza bilden sie ein unvergleichliches Frauen-Trio, das die männlichen Mitfahrer richtig alt aussehen lässt, auch wenn gerade Kranit damit alles andere als einverstanden ist. Seine Bemühungen, Iniza aus den gefährlichsten Aktionen herauszuhalten, werden nach kurzer Zeit zu einem Running Gag; denn welche Adlige lässt sich schon von einem Söldner etwas sagen? So humorvoll auch die ein oder andere Szene ist, so drastisch wird auch aufgezeigt, dass die Vergangenheit der Truppe alles andere als rosig war und die von ihnen getroffenen Entscheidungen sie immer noch prägt.

„Die Krone der Sterne“ ist ein lesenswertes, unterhaltsames Weltraumabenteuer vor einer märchenhaft-phantastischen Kulisse in einer weit, weit entfernten Galaxie. Das äußerst gelungene Space-Fantasy Debüt von Kai Meyer bietet alles, was das Weltraumherz begehrt: eine junge adlige Heldin, einen tapferen Hauptmann, einen grantigen Waffenmeister, eine taffe Pilotin – und eine umwerfende Muse! Die Resonanz auf den im Januar erschienenen Roman ist derweil so groß, dass nicht nur die zweite Auflage bereits im Handel erhältlich ist, sondern auch zwei Fortsetzungen angekündigt wurden (weswegen der kleine Cliffhanger am Ende hier keine negative Kritik erhält). Außerdem wird Ralf Schlüter nach der „Wolkenvolk“-Trilogie auch „Die Krone der Sterne“ für den Splitter Verlag als Comic adaptieren. Das sind wahrlich phantastische Aussichten!

P. S.: Sollten Sie „Die Krone der Sterne“ nicht im SF-Regal beim Händler Ihres Vertrauens antreffen, wagen Sie einen Blick in die Kinder- und Jugendbuchabteilung. Dort hat die Rezensentin den Titel auch schon angetroffen. Obwohl das Werk kein genuiner All-Age-Roman ist, da die Hauptfiguren allesamt ihre sehr erwachsenen Päckchen zu tragen haben, dürfte die größte Nebenwirkung für jugendliche Käufer die Entwicklung von einem fantasylesenden Teenager zu einem SF-Fan sein. Dagegen wäre wohl kaum etwas einzuwenden, oder doch?

Abb. ©  Jens Maria Weber

Kai Meyer: Die Krone der Sterne • Fischer Tor, Berlin, 2017 •  464 Seiten • 14,99 €

Ein weiteres Beispiel der Illustrationen von Jens Maria Weber

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