14. März 2017 2 Likes

„Zeit ist das größte Problem.“

Im Gespräch mit Daniel Abraham und Ty Franck, den Autoren von „The Expanse“

Lesezeit: 6 min.

Die „The Expanse“-Romane, die Daniel James Abraham und Ty Corey Franck unter dem gemeinsamen Pseudonym James S. A. Corey (im Shop) verfassen, lesen sich, als hätten Arthur C. Clarke, Larry Niven und Joss Whedon eine Mischung aus „Firefly“ und „Babylon 5“ inszeniert – und selbst dieser Vergleich trifft es am Ende nicht ausreichend. Die Bücher der Science-Fiction-Serie sind einfach zu vielseitig, sind abenteuerliche Space Opera, faktenreiche Hard-SF, Hardboiled-Krimi, Biopunk-Horror und Polit-Thriller in einem. Dabei setzt „The Expanse“ in einer Zukunft ein, in der die Menschheit das Sonnensystem kolonialisiert hat, wobei es drei Fraktionen gibt: Die Erde, den Mars und die Raumstationen in den Asteroiden des äußeren Gürtels. Neben dem Säbelrasseln dieser Parteien sorgt noch eine mysteriöse außerirdische Bio-Technologie für Ärger und Gefahr. Das Genre-Phänomen „The Expanse“, dessen Setting einst von Ty Franck als Rollenspiel konzipiert wurde und das 2011 mit dem Hugo-nominierten Roman „Leviathan erwacht“ seinen Anfang nahm, beschränkt sich außerdem längst nicht mehr auf die Bücher der beiden Autoren aus New Mexico, die gut mit George R. R. Martin befreundet sind. Die TV-Adaption von „The Expanse“, die seit 2015 läuft, wird als revolutionäres Highlight des modernen Serienfernsehens gefeiert. Passend zur Heyne-Neuauflage der ersten drei Romane als Taschenbuch sprechen Daniel Abraham und Ty Franck im Interview über ihre Zusammenarbeit, ihr Mitwirken an der TV-Serie, Star Wars, John Scalzi, GRRM und vieles mehr.

 

Hallo Daniel, Hallo Ty. Welche Figuren machen euch beim Schreiben der „The Expanse“-Bücher den meisten Spaß?

Daniel Abraham: Das ist tatsächlich eine richtig schwierige Frage. All deine Figuren sind deine Lieblinge, solange du mit ihnen arbeitest. Zumindest wenn es gut läuft.

Ty Franck: Yeah, doch es gibt definitiv ein paar, die für jeden von uns spezifisch sind. Wann immer ich eine Szene mit Miller oder Avasarala schreibe, füge ich wirklich nur Platzhalter-Dialog ein, weil ich weiß, dass Daniel diese Stimmen komplett intus hat und rockt.

DA: Und alle Sätze von Amos landen schließlich bei Ty.

TF: Amos ist meine Signatur.

Daniel, was ist das beste an der Zusammenarbeit mit Ty?

DA: Dass er die Welt schon entwickelt und die Geschichte ausgearbeitet hatte, bevor ich auch nur auf der Bildfläche erschienen bin. Das war es, was mich am Anfang überhaupt angelockt hat (grinst).

Und was ist das große Plus von Daniel als Co-Autor, Ty?

TF: Ich weiß nicht. Dass er guten Kaffee kocht?

Ihr habt zusammen auch einen Star Wars-Roman über Han Solo geschrieben (im Shop). War das anders als die Arbeit an „The Expanse“?

DA: Der Star Wars-Job war deshalb interessant, weil er wesentlich eingeschränkter war. Wir hatten weit mehr Mitwirkende auf der Verlagsseite sowie Leute, die uns kreativen Input dahingehend gaben, wie wir die Geschichte gestalten sollten.

TF: Aber es ging um die coolste Figur im Star Wars-Universum zur interessantesten Zeit ihrer eigenen Saga. Dazu konnten wir unmöglich nein sagen.

Am Anfang der „The Expanse“-Serie glaubt Jim Holden an die Freiheit aller Informationen. Der heutige Mensch ist bereits ziemlich transparent – müssen unsere größeren Institutionen das auch werden, damit wir als Gesellschaft funktionieren?

TF: Nun, Holden glaubt im ersten Buch daran, doch da befindet er auch noch recht früh in seiner persönlichen Geschichte. Die Story seiner Figur umspannt wirklich alle neun Romane, und was er am Ende glaubt, ist weit entwickelter und komplexer als das, was er am Anfang glaubt.

DA: Genau. Du betrachtest, wo er im vierten Buch steht, und seine Vorstellung von Gerechtigkeit ist schon eine völlig andere. Im sechsten Roman ist er dann gewissermaßen wieder zurück bei der Freiheit aller Informationen, aber seine Meinung darüber, welche Informationen wichtig sind, unterscheidet sich radikal von seiner anfänglichen Einschätzung. Ich persönlich fände es toll, wenn unsere Nachrichtenmedien uns nicht bloß Updates zu außergewöhnlichen Ereignissen geben würden, sondern auch zu ihrem Kontext.

Apropos Medien. Wie fühlt es sich an, plötzlich auf einem TV-Set zu sein und durch die Raumstationen und Raumschiffe zu schlendern, die ihr in eurer Vorstellung erschaffen habt – und sie dann auch noch auf dem Bildschirm zum Leben erwachen zu sehen?

TF: Das ist echt cool. Wir haben wirklich großes Glück, dass bei diesem Projekt jede Menge Menschen mitwirken, die äußerst erfahren und hingebungsvoll sind. Und einfach richtig gut in ihrem Job. Die Set-Designer und Konzept-Künstler sind in solchen Dingen viel besser als wir beide. Wir schreiben Bücher.

Kürzlich hieß es, ihr beide habt mehr Einfluss auf die TV-Adaption als die meisten anderen Buchautoren. Könnt ihr das erläutern?

DA: Wir hatten Glück. Als Mark und Hawk [Red.: die Oscar-nominierten Drehbuchautoren Mark Fergus und Hawk Ostby] den Piloten schrieben, hingen wir mit ihnen ab und sprachen darüber, und wir kamen alle richtig gut miteinander aus. Wir fragten, ob wir im Writer’s Room Platz nehmen dürften, noch bevor wir wussten, dass es eine große Sache war, das zu fragen. Und für sie war das cool.

TF: Yeah, ich habe die beiden und Naren Shankar [Red.: Autor und Executive Producer von „The Expanse“] regelrecht beschattet. Ich nahm und nehme an Meetings teil, die mich eigentlich gar nichts angehen. Und obwohl wir in keiner Angelegenheit das letzte Wort haben, verstehen wir den Prozess und die Geschichte gut genug, sodass wir für die Leute eine Hilfe sein können, die das Sagen haben.

Durch die TV-Serie hat sich euer Publikum verändert. Denkt ihr inzwischen anders über die Menge an Hard-SF oder Biopunk-Horror, die ihr einem vermeintlichen Mainstream-Reader zumuten könnt?

DA: Für uns war es immer ausgesprochen wichtig, dass die Bücher auch für Leser zugänglich sind, die nichts mit Science-Fiction zu tun haben. Ich habe das Gefühl, dass die Science-Fiction etwa in den 80er-Jahren einen Punkt erreicht hat, an dem es viel um Anspruch allein um des Anspruchs Willen ging. Darüber könnte ich mich echt auslassen. Aber dann kam John Scalzi mit seinem „Krieg der Klone“ (im Shop), und es stellte sich heraus, dass es da diese gewaltige Leserschaft gibt, die nach zugänglicher Science-Fiction hungert. Ich habe echt den Eindruck, dass er den Weg geebnet hat und wir ihm gefolgt sind.

Hat die TV-Serie euren Zeitplan oder euren Grundriss für die finalen Bücher verändert?

TF: Zeit ist das größte Problem. Eine Fernsehserie auf die Beine zu stellen ist so, als würde man fünf Filme im Jahr abdrehen. Es ist ein Haufen Arbeit. Rechne dazu die Bücher, und yeah … es kann eine Herausforderung sein.

DA: Wir gerieten mit der Abgabe des sechsten Buches „Babylons Asche“ ein paar Monate ins Hintertreffen, erwarten jedoch, zurück in den Zeitplan zu kommen. Der besagt nach wie vor, die letzten drei Romane und die letzten Novellen mit einem Buch pro Jahr abzuschließen, oder ein bisschen schneller.

Ihr seid beide mit George R. R. Martin befreundet. Hat er euch irgendeinen sarkastischen Ratschlag mit auf den Weg gegeben, als der TV-Deal zu „The Expanse“ spruchreif war und euer Werk immer mehr durch die Decke ging?

DA: Hat er nicht. Er ist ein Gentleman, unser George. Doch es wurden einige Witze gerissen, als „Leviathan erwacht“ als bester Roman für den Hugo Award nominiert war und Ty damals noch auf Georges Gehaltsliste stand. Ich pflegte zu sagen, dass George der einzige Autor sei, der so groß ist, dass sogar sein persönlicher Assistent ein Hugo-Nominierter war.

Gibt es noch etwas, dass ihr euren deutschsprachigen Lesern im Gürtel sagen wollt?

TF: Danke, dass ihr die Bücher lest. Wir hoffen, dass euch gefällt, wohin sich das Projekt entwickelt.

DA: Yeah. Mehr gibt es dem nicht hinzuzufügen.

Autorenfoto: Wikipedia. Links Ty Franck, rechts Daniel Abraham, aufgenommen im Juni 2014 in der Buchhandlung Borderlands Books in San Francisco.

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