21. März 2017 2 Likes

Even unto the End of the World

Review zu Amazons Pilotprojekt „Oasis“

Lesezeit: 4 min.

Seit dem 17. März stehen im Rahmen der Amazon Pilot Season fünf Episoden zu möglichen Serien bei Amazon Prime Video bereit. Alle Zuschauer sind explizit dazu aufgerufen, mit ihren Votings mit abzustimmen, welche Piloten dann tatsächlich eine ganze Staffel spendiert bekommen. Mit Oasis, das auf Michel Fabers Roman The Book of strange new Things basiert, ist für Sci-Fi-Fans nun im Gegensatz zum letzten Jahr auch ein mehr als spannendes Projekt dabei, das neben The Expanse und Legion vielleicht zu den vielversprechendsten aktuellen Sci-Fi-Serien avancieren könnte. Ein paar Eindrücke zum Piloten sollen diese These ein wenig erhärten.

Neben dem mit Richard Madden (Game of Thrones), Anil Kapoor (Slumdog Millionär), Antje Traue (Man of Steel) oder Haley Joel Osment (The Sixth Sense) hervorragend besetzten Ensemble, das bereits zum Start mit einigen Ecken und Kanten in der Figurenzeichnung aufwartet, gefällt an Oasis sofort das aufwändige Design und der inhaltlich dezente, gleichsam aber bereits zupackende Story-Ansatz. Protagonist Peter Leigh (gespielt von Madden), der im London des Jahres 2032 sowohl seiner Frau als auch dem ganzen Planeten beim Dahinsiechen zusehen muss, kämpft als moderner Priester einen scheinbar hoffnungslosen Kampf um ein Fünkchen Würde und Menschlichkeit in Zeiten des allgemeinen Zerfalls. Um zumindest einen Teil der menschlichen Spezies und Kultur langfristig vor dem Aussterben zu bewahren, arbeitet ein internationaler Konzern unter der Leitung des eigenwilligen David Morgan daran, auf dem fernen Planeten Oasis eine neue Kolonie für ein Prozent der Menschheit zu gründen.

Eine kritische Konstellation: Denn obwohl Religion als ein potenzieller Gefahrenherd zunächst bei der Planung der Kolonie ausgeschlossen wurde und jeder Mitarbeiter eine praktisch-technische Funktion zu erfüllen hat, wird Leigh eines Tages von Morgan kontaktiert, um ausgerechnet ihn zu rekrutieren. Anfangs von der Idee aus idealistischen Gründen abgestoßen, reist Leigh letztlich doch nach dem Tod seiner Frau nach Oasis und muss dort schnell feststellen, dass der Planet ein Geheimnis zu hüten scheint. Denn jedes Mitglied der Kolonie wird von Visionen seiner eigenen Vergangenheit und Gegenwart verfolgt. Morgan, der bereits vor Leighs Ankunft verschwunden ist und als Gründer der Kolonie einem religiösen Erlöserwahn verfallen zu sein scheint, hinterlässt diesem einige merkwürdig biblisch aufgeladene Hinweise, die Leigh nicht nur auf die Spur des Verschwundenen, sondern ebenso den Mysterien des Planeten bringen. Doch auch der Priester selbst wird von Visionen verfolgt, wobei sich nicht nur für Leigh die Frage stellt, wie er die ihm gesandten Zeichen eigentlich zu deuten hat und was hinter all dem steckt.

Oasis etabliert mit seinem New-World-Ansatz ein Setting, das vor Möglichkeiten nur so strotzt. Denn welche Richtung die Story um Madden als spirituelle Figur zwischen Prophet, Helfer oder vielleicht sogar Verderber - natürlich abseits der literarischen Vorlage - einnimmt, bleibt naturgemäß völlig offen. Ebenso, in welche Richtung sich das Binnenverhältnis der Kolonisten zwischen möglichen Referenzpunkten wie Battlestar Galactica, Deep Space Nine oder Event Horizon einspielt. Die Spannungen zwischen den Figuren aufgrund der beklemmenden Grundsituation eröffnen viele Konflikte, die neben der offensichtlich religiös konnotierten Dimension auch Raum für politische, interkulturelle oder natürlich auch moralisch technologische Diskurse anbieten, aber genauso dramaturgisch höchst unterhaltsame Wendungen versprechen. 

Schon der Ansatz, die Erde langsam sterben zu lassen und Oasis als elitären Heilsort für eine ausgewählte Elite zu betrachten, könnte mit etwas Fingerspitzengefühl sehr spannend ausgefüllt werden, da das Problem der Selektion inklusive einer damit verbundenen Verantwortung extrem komplex durchgespielt werden könnte. Inszenatorisch changiert die Episode gekonnt zwischen einer Visualität, die bei aller zeitweise eingestreuten Opulenz über einen längeren Zeitraum selten die Ebene eines geradezu realistischen Ansatzes verlässt, sowie einer eher reduzierten Einführung des Casts, die sich speziell in den eher funktionalen, häufig sehr knapp gehaltenen Dialogen äußert. Richtig nah kommt man noch keiner Figur, doch es fällt leicht, charakteristische Eckpfeiler und damit ein umfangreicheres Profil herauszulesen. 

Fazit

Auch ohne die Vorlage zu kennen hinterlässt der Pilot einen guten Ersteindruck, der neugierig darauf macht, wie eine ganze Staffel die angedeuteten Konflikte rund um Glaube, Prophetie und Erlösung mit anderen motivischen Genre-Konstanten wie dem Einbruch neuer Technologien und postapokalyptischer Gesellschaftsordnungen im Rahmen einer Brave New World zusammenbringt. Kenner der Vorlage dürfen sich nach dem bisher Gezeigten über eine inszenatorisch potente, weil mit viel Aufwand betriebene Umsetzung freuen, die ihren eigen Stil ebenso finden könnte wie insgesamt einen weitgehend eigenständigen Platz im aktuellen Sci-Fi-Serienkosmos.

Kurzum: Hoffentlich erhält Oasis genug Zuspruch, damit wir den ziemlich fiesen Cliffhanger am Ende des Piloten bald hinter uns lassen und den sehr gelungenen Vorspann öfter genießen dürfen.

Der Pilot zu Oasis ist bei Amazon Prime Video zu sehen.

© Amazon Studios/Left Bank Productions

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