25. Mai 2017 1 Likes

Geburtsstunde von Dystopia?

Jérôme Leroys „Der Block“ ist weitaus mehr als ein Krimi / Lesung am 26. Mai

Lesezeit: 2 min.

Es ist einer der Romane, an dem im Zuge des französischen Präsidentschaftswahlkampfes in diesem Jahr kaum einer vorbei kommt. In Jérôme Leroys Kriminalroman „Der Block“ beschreibt der Literaturkritiker und Herausgeber den Aufstieg der rechtsnationalen Partei „Patriotischer Block“ zum Regierungsmitglied. Erstmals 2011 in seinem Heimatland erschienen, zeichnet der Autor die Geschichte der französischen Rechten über einen Zeitraum von knapp 40 Jahren nach. Oder beschreibt „Der Block“ am Ende doch die Geburtsstunde einer Dystopie?

Es ist eine Nacht der Entscheidungen von der Leroy erzählt, in der sich bis zum Morgengrauen nicht nur die französische Politik ändern soll, sondern auch das Leben seiner beiden Protagonisten. Während das Fernsehen die Opfer der seit Monaten andauernden Unruhen in den Banlieus zählt, sitzt Antoine Maynard in seiner sicheren Wohnung und wartet auf seine Frau, Agnès Dorgelles, die für den Block bei einem Geheimtreffen um eine Beteiligung an der Regierung feilscht. Wer, wenn nicht sie, könnte Frankreich durch hartes Eingreifen noch befrieden? Maynard wird melancholisch, denn in dieser Nacht soll es auch ‚seinem Kleinen‘, Stéphane „Stanko“ Stankowiak, an den Kragen gehen. Der ehemalige Leiter des Sicherheitsdienstes des Blocks wartet in einem heruntergekommenen Hotelzimmer auf die von ihm ausgebildete paramilitärische ‚Delta-Gruppe‘, die ihn ausschalten soll. Er hat einfach zu viel Drecksarbeit für den Block erledigt und soll nun beseitigt werden.

„Der Block“ ist auf allen Ebenen, erzählerisch, sprachlich und auch inhaltlich, harter Stoff. Die Parallelen zum Front National sind da, wurden vom Autor aber aus rechtlichen Gründen verfremdet. Dennoch werden die Wahlerfolge des FN, die zum Einzug in die Stichwahlen 2002 und (auch wenn damals noch nicht abzusehen) 2017 führten, gerade durch Stankos Ansicht ‚von unten‘ nachvollziehbar erklärt. Aufgrund der vielen historischen Details, der Namen, Organisationen und Ereignisse, ist „Der Block“ kein Roman für zwischendurch, keiner zum Abschalten vom Alltag, sondern ein Stück Sozialgeschichte, das den Leser herausfordert. Er kann aber auch als fiktive Vorgeschichte zu einer der zahlreichen Dystopien gelesen werden, in der brachiale Staatsgewalt nur der Auftakt zu einer spannungsgeladenen Epoche ist.

Jérôme Leroy liest am Freitag, den 26. Mai um 21 Uhr im Rahmen des Tübinger Bücherfests im Rathaus der Stadt aus „Der Block“. Der Eintritt kostet 7 €, Besitzer des Bücherfestbandes zahlen 2 €.

Jérôme Leroy: Der Block • Aus dem Französischen von Cornelia Wend • Edition Nautilus, Hamburg, 2017 •  320 Seiten • 19,90 €

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