29. Mai 2017 3 Likes 1

Wie die Wölfe

„Wolfsmond“: Der zweite Band von Ian McDonalds „Luna“-Trilogie

Lesezeit: 3 min.

In Ian McDonalds „Luna“-Serie ist der Mond eine Industriekolonie der zukünftigen Erde und versorgt den blauen Planeten mit Energie und Rohstoffen. Eine Handvoll mächtiger Herrscherfamilien hat den Erdtrabanten, wo das Vertragsrecht das einzige gültige Gesetz darstellt und mit Leidenschaft gelebt, gekämpft, gevögelt und gehasst wird, unter sich aufgeteilt. Die Intrigen und Schlachten um die Ressourcen des unwirtlichen Mondes – um Macht und Reichtum – werden mit harten Bandagen und scharfen Klingen geführt. Die Mitglieder der Clans, die sich aus drei Generationen speisen, sind wie Wölfe: Es existieren eine strenge Hackordnung und ein ewiger Konkurrenzkampf, und wer nicht ständig aufpasst, verliert seine Stellung, seinen Einfluss, seine Privilegien oder gar sein Leben. In „Luna“, dem ersten packenden Roman der Serie, traf es die Familie Corta, deren Imperium von der Konkurrenz praktisch ausgelöscht wurde. In der Fortsetzung „Luna – Wolfsmond“ macht Ian McDonald (im Shop) genau da weiter, wo er im ersten Teil seiner ökonomischen, technologischen und politischen Vision für den Mond von Morgen aufgehört hat: Im vielfältigen Chaos eines brutalen Machtkampfes.

Mit der schriftstellerischen Erfahrung aus 30 Jahren setzt der 1960 geborene Engländer, der heute im irischen Belfast lebt, seine epische Geschichte aus dem ersten Band der komplexen Mond-Saga nahtlos fort. Häuser kämpfen gegen Häuser, Familienmitglieder gegen Familienmitglieder. Der Mond mit seinem Milliarden Jahre altem Staub, seinen Rovern, Planierraupen, Fabriken, Sonnenkollektoren, Killer-Bots, Cyber-Giftmücken, Katapulten und Zügen, seinem Kaffeemangel und seiner Vintage-Mode aus dem 3D-Drucker wird vom Krieg erschüttert. Gleichzeitig schickt McDonald den schwer gezeichneten Lucas Corta hinab auf die Welt seiner Vorfahren, die durch den Moonloop dauerhaft mit dem Mond verbunden ist. Allerdings ist der Körper des rachsüchtigen Jazzliebhabers, dessen Familie so gut wie vernichtet wurde, nicht auf die irdische Atmosphäre ausgerichtet – in der Hinsicht ist Lucas Corta ein von den unnachgiebigen Kräften des Mondes verändertes, verformtes Alien. Es ergibt einen schönen Kniff, das Brasilien des Jahres 2105 zumindest flüchtig mit den Augen eines Mondgeborenen zu betrachten. Während McDonald auf Luna die Gefüge durch noch mehr verlustreiche Angriffe und noch mehr Verrat weiter durcheinanderwirbelt und nebenbei z. B. die faszinierende Subkultur der bipolaren erdsüchtigen ‚Werwölfe’ eingehender beleuchtet, führt der preisgekrönte SF-Veteran auf der Erde überdies eine taffe neue Mitspielerin für sein ‚Spiel der Throne’ auf dem Mond ein, wo die gnadenlose Lady Luna so akzeptiert und verehrt wird wie Santa Muerte in Mittel- und Lateinamerika.

Zu Beginn hat „Luna – Wolfsmond“ etwas Mondstaub im Getriebe, was an der unmittelbaren Fortsetzung der Story aus dem Vorgängerroman liegen mag. Der Glossar im Anhang ist insbesondere auf den anfänglichen 100 Seiten der Freund des Viellesers. Im Verlauf des ersten Viertels steigert sich das lunare Sequel jedoch zu einer würdigen Fortsetzung und einem guten Mittelband der epischen Trilogie: mit einem ungebrochen coolen Setting, starken Figuren, unaufgeregter sexueller Offenheit und Freizügigkeit, ein paar gelungenen Abstechern in die Hard-SF und den bewährten „Game of Thrones“-Allüren, was Intrigen, Kämpfe und Wendungen angeht. Es bleibt dabei: Der alte Wolf Ian McDonald weiß genau, wie er glaubwürdig-gehaltvolle Zukunftsszenarien zu präsentieren hat, die im weiten Panorama ebenso überzeugen wie mit ihren einzelnen Protagonisten.

Ian McDonald: Luna – Wolfsmond • Aus dem Englischen von Friedrich Mader • Heyne, München 2017 • 496 Seiten • E-Book: 11,99 Euro (im Shop)

Kommentare

Bild des Benutzers Johann Seidl

Habe den Band eben fertiggelesen - ich bin noch immer ganz im Bann des Gelesenen. Das Glossar ist hilfreich (nicht aber für den eBook-Leser) - trotzdem ist der ganze Zirkus mit sehr extravaganten Bezeichnungen für Namen, Beziehungen und Funktionen schon leicht anstrengend ...

Ist ein klasse Buch - ganz im Geiste der Mars-Trilogie.
Wann kommt der 3. Band?

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