20. Juli 2017 1 Likes

Limbo in bunt

Das Indie-Game „Toby: The Secret Mine“ wandelt überdeutlich auf den Spuren von Playdead

Lesezeit: 4 min.

Auch im Gaming-Zirkus ist es natürlich aufgrund der Dichte an Produktionen schwierig geworden, sich dem ewigen Wiederholungszwang oder zumindest der latent gefühlten Dauerschleife immer wiederkehrender Motive zu entziehen. Man ist ja als Konsument zumindest nicht immer unglücklich, bereits Bekanntes in neuer Variation genießen und sich damit selbst mental ein wenig entlasten zu dürfen. Aber nur wenige Titel der jüngeren Vergangenheit schmiegen sich derart offensiv an eine bereits populäre Vorlage an wie Toby: The Secret Mine, das für PC, PS4, Xbox One und Mobile Plattformen erschienen ist. Bei Toby handelt es sich um ein dystopisches Jump´n´Run, das in Sachen Artdesign und Spielkonzept so nah an Playdeads epochalem Game Limbo (und auch ein wenig an dessen Nachfolger Inside) dran ist, dass man schon fast das böse Wort Plagiat in den Mund nehmen möchte. 

Das muss natürlich speziell in diesem Fall aber nicht per se unbedingt schlecht sein, denn Entwickler Lukas Navratil macht eben einerseits keinen Hehl aus seiner Verehrung und andererseits versucht das Resultat zumindest im Ansatz, auch eigene Akzente zu setzen. Die Gemeinsamkeiten bestehen neben der grafischen Inszenierung in markanten S/W-Bildern schon in der Grundausrichtiung des Gameplays. Wie bei den genannten Playdead-Titeln steuern wir einen kleinen Avatar (der folgerichtig sogar wie der Held aus Limbo - nur mit Hörnern - aussieht) durch eine düstere Welt voller Gefahren, die wir hauptsächlich mithilfe einer Kombination aus kleineren Schieberätseln und gut getimter Sprungeinlagen überwinden müssen. Ein gewisses Abstraktionsniveau verbunden mit einer Prise Knobellust muss dazu bei Spielern zwingend vorausgesetzt werden, um aus den sehr spärlichen Infos und Gegenständen, die wir mit unserer Figur überhaupt erhalten bzw. manipulieren können, eine sinnvolle Aktionskette zu bilden, die uns in das nächste Szenario weiterwandern lässt. Zwar warten auch kleinere Gegner, richtige Schlachten gehören aber logischerweise nicht zum Spielprinzip.

Ebenfalls nah am Vorbild und jederzeit präsent: die zahlreichen Tode, die wir im Verlauf der gut 5-6 Stunden andauernden Kampagne erleiden, da sich manche Passagen nur mit etwas Try-and-Error meistern lassen oder wir auch ganz gerne mal von einer Kreissäge oder ähnlichen Killern überrascht werden. Schlimm ist das nicht, denn die Rücksetzpunkte sind sehr fair gesetzt und die Ladezeiten - wieder wie bei Limbo - fallen stets angenehm kurz aus. Da Toby auch nicht der Versuchung unterliegt, schwerer sein Vorbild sein zu wollen, kommt nie echter Frust auf. Trotzdem gehört eine gewisse Verbissenheit schon an der ein oder anderen Stelle dazu, obwohl die simple Steuerung sowie die gerade in einem solchen Kontext extrem wichtige Kollisionsabfrage ihren Teil dazu beiträgt, das Geschehen insgesamt reibungslos ablaufen zu lassen. 

Der zunächst offensichtlichste (Design-)Unterschied zwischen Original und Kopie besteht in der Verwendung von Farben, welche die Settings von Toby abwechslungsreicher und damit letztlich hübscher erscheinen lassen. Da die Atmosphäre dennoch nichts an ihrer intendierten und für das Gesamtkonzept zwingend nötigen Bedrücktheit einbüßt, kann Toby an dieser Stelle eigenständige Pluspunkte sammeln. Auch die hier deutlicher erkennbare Story um die Rettung entführter Kinder markiert zwar im Vergleich zu Limbo mit seiner nur in Nuancen aufscheinenden Vielleicht-Geschichte ein Eigenständigkeitsmarkmal, zeigt allerdings auf den zweiten Blick eher eine grundsätzliche Schwäche auf.

Denn es fehlt Toby nicht nur an dieser Stelle an dem entscheidenden Tick Kopfkino, das die Games von Playdead so herausragend zu evozieren beherrschen. Wo sich die düsteren Bilder aus Limbo oder Inside im Kopf zu ganz eigenen Szenen weiterspinnen und so lange nachwirken, dass man sich jedes zweite Szenario als Artwork an die Wand hängen will, wirkt Toby mit seinen schönen, aber irgendwie doch nur schön nachempfundenen Bildern ohne ähnlich subtiles Hintergrundkonzept immer ein wenig blutleer. Zu oft vermisst man als Kenner des Originals die Möglichkeit, Situationen auch ganz eigen interpretieren und beispielsweise auch gesellschaftskritisch kontexualisieren zu können. Das mag vielleicht stark projiziert und vom subjektiven Standpunkt des Spielers abhängig sein, doch wer sich so nah an eine Vorlage wagt wie Toby, muss auch mit einer vielleicht nicht unbedingt objektiv argumentierbaren Kritik rechnen, die wiederum mit einer vielzitierten Stärke des Originals untrennbar in Verbindung steht.

Fazit

Mit allem ehrlich gemeinten Respekt: Unter dem Strich bleibt Lukas Navratils Arbeit ein handwerklich sehr gut gemachter Abklatsch eines wegweisenden Vorbilds, das man sowohl Experten als auch Neulingen gleichermaßen guten Gewissens empfehlen kann. Toby: The Secret Mine erfindet das Jump´n´Run und Puzzle-Rad daher natürlich nicht neu; tut aber auch an keiner Stelle so, dies als Ambition überhaupt formulieren zu wollen. Düsteres Setting, stimmiges Rätsel- und Geschicklichkeitsgameplay sowie eine technisch saubere Performance ergeben ein angenehm forderndes, mit seinem Design plus simpler Story auch motivisch immerhin solide angehauchtes Spielerlebnis, dessen Mut zur offenen Verbeugung vor seiner Inspiration letztlich sogar mehr Respekt verdient als so manch versteckter Klau. 

Toby: The Secret Mine • Lukas Navratil/Headup Games • Jump´n´Run/Puzzle

Abb. © Lukas Navratil/Headup Games

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