24. Juli 2017 1 Likes

Bye Bye, Cassini!

Was wir in zwanzig Jahren Saturnmission gelernt haben – Zweiter Teil: 2010 bis 2017

Lesezeit: 4 min.

Raumfahrt, bemannt wie unbemannt, ist kein Zuckerschlecken und endet oft enttäuschend –manchmal unschön und in einigen Fällen katastrophal. Im Jahr 1996 stürzte die unbemannte Rakete Ariane V kurz nach dem Start aufgrund eines Programmierfehlers ab und versenkte damit einige Milliarden Dollar Entwicklungskosten. Im letzten Jahr überstand ESAs Mars-Lander Schiaparelli seinen unsanften Aufprall auf dem Marsboden nicht, und obwohl Wissenschaftler sich daran festhalten, dass man dennoch viele Erkenntnisse sammeln konnte, muss es doch eine große Enttäuschung sein, das Ergebnis von jahrelangen Kosten und Mühen kaputt auf dem Marsboden liegen zu sehen. Und Philae, der erste Lander auf einem Kometen, ging 2015 verloren und wurde erst ein Jahr später in einer Spalte entdeckt, in die er offenbar hineingerutscht war.

Umso wundervoller ist es also, wenn eine Mission tatsächlich mehr oder weniger wie geplant abläuft, man keine Einzelteile oder gar den Kontakt zur Raumsonde verliert und sogar so viele neue Erkenntnisse sammelt, dass man der Regierung Geld für eine Verlängerung der Mission aus den Taschen schütteln kann. Cassini war eine dieser unglaublich glücklichen Fälle, und diesen September kommt die Saturn-Mission, zwanzig Jahre nach dem Start und nach zwei Verlängerungen, zu ihrem endgültigen Ende. Über die ersten bahnbrechenden Ergebnisse aus den Jahren 2004 bis 2010 habe ich bereits einen kleinen Überblick gegeben. Hier nun der zweite Teil des Rückblicks auf die Jahre 2010 bis zum Grande Finale 2017:

2010 begann die „Solstice-Mission“, also die Sonnenwende-Mission, deren Ziel es war, Saturns Wandel im Lauf der Jahreszeiten zu beobachten und seine Wettersysteme genauer zu erforschen. Wie die Erde hat auch Saturn eine geneigte Achse und durchläuft damit Jahreszeiten, allerdings dauert eine davon ganze sieben Jahre! In dieser Zeit gab es richtig viel zu sehen, denn im Dezember 2010 entdeckte Cassini auf Saturns Nordhalbkugel die Mutter aller Stürme. Er erstreckte sich um den gesamten Planeten und war bis zu 15.000 Kilometer breit. Zum Vergleich: Auf der Erde würde dieser Sturm mehr als eine gesamte Halbkugel bedecken. Im Januar 2013 hatte es der Sturm endlich einmal um die Nordhalbkugel geschafft, und etwas sehr Ungewöhnliches geschah: Er stolperte über die Instabilität in der Atmosphäre, die er selbst an seinem Ausgangspunkt erzeugt hatte, und löste sich auf. Doch damit nicht genug Wetter auf Saturn: Noch im selben Jahr entdeckte Cassini um den Nordpol einen Jetstream, also ein Band mit starken Winden, die räumlich und zeitlich recht stabil um den Planeten wehen. Das ist soweit noch nicht spannend, aufgrund der Rotation der Himmelskörper hat quasi jeder Planet mit Atmosphäre so etwas. Aber Saturn war ein so ordinäres, etwas chaotisches Westwindband wie bei uns auf der Erde wohl nicht außergewöhnlich genug, denn sein Jetstream ist ein regelmäßiges Sechseck.

In den letzten Jahren drehte Cassini eine große Abschiedsrunde durch das System. Die Sonde besuchte nochmals Enceladus und zählte sage und schreibe 101 wasserspuckende Geysire. Sie flog an Enceladusʼ Nachbarmond Dione vorbei und entdeckte, dass er konstantem Bombardement durch sehr feine Eispartikel aus dem E-Ring ausgesetzt ist, der sich aus den Geysiren von Enceladus speist. Cassini fand heraus, dass in Diones sehr dünner Atmosphäre molekularer Sauerstoff enthalten ist – der vielleicht sogar von Enceladus stammt. Außerdem sah Cassini, dass sich die größten Krater auf Dione sozusagen auf der Rückseite befinden und nicht, wie angenommen, in „Fahrtrichtung“. Einer dieser Einschläge, so wird vermutet, muss dafür gesorgt haben, dass sich der Mond „umgedreht“ hat – aber wie Dione es geschafft hat, sich um exakt 180 Grad zu drehen, ist bis jetzt ein Rätsel. Auch Mimas, der innersten der größeren Saturnmonde, wurde von Cassini untersucht und fotografiert. Eines der Bilder, die den gewaltigen Krater Hershel zeigen, gefiel dem nerdigeren Teil des Publikum besonders, aber trotz aller Star Wars-Referenzen konnte die NASA bestätigen, dass Mimas in der Tat ein Mond ist.

Saturn-Mond Mimas
That’s no moon! – oder doch?

Für die letzten Monate sind nun schnelle Flüge durch die Spalten zwischen den Ringen geplant, die als etwas riskanter gelten als die bisherigen Manöver und nicht durchgeführt wurden, um die Mission nicht zu gefährden. Dabei wird sich Cassini dem Planeten immer weiter annähern, um schließlich, am 14. September 2017, in Saturns Atmosphäre zu stürzen – womit verhindert werden soll, dass die außergewöhnlichen Welten seiner Monde, die womöglich Leben beherbergen könnten, durch unseren irdischen Weltraumabfall kontaminiert werden.

Cassini ist zweifellos eine der erfolgreichsten Weltraummissionen, zu denen wir uns je aufgemacht haben. Wenn sie in einigen Monaten endet, können wir nicht nur auf eine bemerkenswerte Leistung aller Beteiligten zurückblicken, sondern haben auch jede Menge Daten, die bisher nicht oder nur oberflächlich ausgewertet werden konnten. Cassini wird also auch nach ihrem Ende noch weiter neue Erkenntnisse bringen – doch schon jetzt hat diese Mission unser Verständnis vom Sonnensystem sprunghaft erweitert.

Mehr Informationen zur Cassini-Mission und dem Grande Finale unter saturn.jpl.nasa.gov
 

Judith Homann hat einen Master in Meteorologie von der Universität Innsbruck und interessiert sich insbesondere für extraterrestrische Wetteraktivitäten. Alle ihre Kolumnen finden Sie hier.

 

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