4. September 2017

Unsterblichkeit durch Kunst

Eine Ausstellung in Berlin beschäftigt sich mit dem russischen Kosmismus

Lesezeit: 3 min.

Von unsterblichen Künstlern ist gern die Rede, auch von manchen noch Lebenden, die sich mit einem neuen Werk unsterblich gemacht haben, bald danach allerdings unweigerlich sterben werden. Nur in ihrem Werk leben sie weiter, in der Erinnerung, immerhin. Merkwürdigerweise wird bei bedeutenden Denkern oder Philosophen selten der selbe Begriff angewendet, auch wenn sie sich durch ihre abstrakten Gedanken – im Gegensatz zu den materiellen Werken der Künstler – ebenfalls unsterblich gemacht haben.

Die Verbindung von Kunst und Philosophie wird gleich beginnen, Sinn zu machen, allerdings muss man etwas ausholen, denn was in den nächsten Wochen im Berliner Haus der Kulturen der Welt auf dem Programm steht ist selbst für diesen Denktempel, der stets den Finger am Puls der aktuellen Diskurses hat, besonders obskur – aber auch extrem spannend.

„Art Without Death: Russischer Kosmismus“ heißt ein Programm, das noch bis Anfang Oktober auf eine Denkschule aufmerksam machen will, die vor ungefähr 100 Jahren eine kurze Blüte erlebte, bevor sie zumindest in den Augen einer breiteren Öffentlichkeit in der Versenkung verschwand. Und doch lassen sich Linien vom Kosmismus – der die Überwindung des physischen Sterbens als Ziel ausgab – bis zu den Legenden der russischen und generell osteuropäischen fantastischen Literatur, damit auch zu Filmregisseuren wie Tarkovsky oder German, aber auch zum russischen Raumfahrtprogramm ziehen.

Als Begründer des Kosmismus gilt der 1903 verstorbene Philosoph Nikolai Fjodorow, der 1893 sein Hauptwerk „Die Frage der Bruderschaft oder Verwandtschaft“ veröffentlichte, in dem er unter anderem den Gedanken äußerte, den Kreml in ein wissenschaftliches und kulturelles Zentrum umzuwandeln. Ein Museum des Wissens also, eine Akkumulation von Gedanken und Denken, die Voraussetzung dazu sein sollte, die Vergangenheit verfügbar zu machen und mit all den Erfahrungen der Menschheitsgeschichte, das ultimative Problem anzugehen: den Tod.

Mit dieser Frage beschäftigten sich Philosophen natürlich schon seit ewigen Zeiten, der Kosmismus inspirierte nun auch Künstler, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, allerdings nicht in rückwärts, sondern vorwärts blickender Kunst. In der Ausstellung zu sehende Gemälde der russischen abstrakten Kunst deuten dies an: Solomon Nikitrin etwa bezieht sich in „Komposition mit Teleskop“ oder „Mann mit Fernglas“ ebenso offensichtlich auf technologische Entwicklungen, wie Kliment Redko in einem „Luminismus: Entwicklung synthetischen Lichts“ betitelten Gemälde. Auch Versuche über Roboter und Zeppeline finden sich, kosmische Sphären und Blicke in die Unendlichkeit.

Noch viel deutlicher zeigen sich die Ideen des Kosmismus jedoch sicherlich im Kino und der Literatur, wovon schon frühe Science-Fiction Filme wie Jakow Protasnows 1924 gedrehter „Aelita“ zeugen und natürlich etwas später Romane von den Strugatzki-Brüdern (im Shop) bis Isaac Asimov (im Shop). In der Kunst wird das Problem des Todes und seiner Überwindung oft gelöst, allerdings fast immer mit unvorhergesehenen Konsequenzen. Die Wirklichkeit hinkt dem noch um einiges hinterher, doch der Gedanke an die Unsterblichkeit ist kaum einer Kultur fremd: Weder dem zaristischen, noch dem kommunistischen Russland.

Haus der Kulturen der Welt, Berlin, bis zum 2. Oktober, täglich (außer Di) 11-19 Uhr, Eintritt: 7€/5€. Diverse Publikationen erscheinen zur und nach der Ausstellung.

Abb.: © Staatliches Museum für Zeitgenössische Kunst – Costakis Collection, Thessaloniki


Alexander Rodtschenko (1891 – 1956): CONSTRUCTION ON WHITE (ROBOT), 1920


Ivan Kliun (1873 – 1943): RED LIGHT. SPHERICAL COMPOSITION, 1923

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