14. Oktober 2017

Mein Feind, das Ich

Das Sci-Fi-Adventure „Echo“ besticht mit einem ungewöhnlichen KI-Konzept

Lesezeit: 5 min.

Games, die sich zwischen klassischem Blockbuster und kleinerem Indie-Titel einpendeln, sind momentan ziemlich en vogue. Vor allem das von der nordischen Mythologie inspirierte Hellblade konnte sich zuletzt gekonnt als AAA-Indie in Szene setzen und mit ordentlicher Spielzeit von knapp 8-9 Stunden, extrem dichter Atmosphäre, guter Technikpräsentation und vor allem einer beeindruckend mitreißenden Protagonistin an der Grenze zur totalen Schizophrenie begeistern.

Echo, das gerade frisch für PC und PS4 erschienen ist, bietet all das bis auf zwei Ausnahmen ebenfalls: erstens ist Heldin En mental wie körperlich kerngesund und zweitens spielt sich ihre Heldinnenreise nicht in der Vergangenheit, sondern einem dystopischen Zukunftsszenario ab, in dem sich En - ob nun gewollt oder nicht - auf die Suche nach einem sagenumwobenen Palast begibt, der laut der religiösen Überzeugung ihres Volkes (der sogenannten Findigen) als eine Art paradiesischer Fluchtpunkt der Rettung dient. Doch auch abseits dieser Unterschiede bietet der Titel mit einer höchst ungewöhnlichen KI-Idee ein erfrischend innovatives Konzept, das sich sehr stimmig mit der Erzählung verquickt.

Um besagten Palast betreten zu können, muss sich jeder Findige erst würdig erweisen und  innerhalb des gigantischen Bauwerkes warten zahlreiche Prüfungen, die direkt mit der KI-Mechanik des Titels zusammenhängen und vor allem die eigenen Aktionen im wahrsten Sinne spiegelbildlich auf uns und unsere Figur zurückwerfen. Die Story von Echo bleibt vor diesem Hintergrund bis auf viele symbolische Andeutungen wie Spielungen und Selbstbetrachtungen äußerst vage und minimalistisch. Nach einem motivisch wirklich gelungenem Einstieg, der unter anderem mit einer Großaufnahme eines Auges im Titelbildschirm beginnt, erwacht unsere Avatarin aus einem hundertjährigen Stasisschlaf allein auf einem Raumschiff, das sie in die Nähe des Palastes gebracht hat.

Ihr einziger Kontakt ist die sprechende KI London, die En über das gesamte Abenteuer mit Hinweisen und einigen durchaus anregenden bis kontroversen Dialogen über ihre Vergangenheit, ihren Glauben und ihre Ziele begleitet. Scheinbar ist En für den Tod eines ihr nahestehenden Findigen namens Foster (mit-)verantwortlich und En versucht nun mithilfe des Palastes, Foster zurück ins leben zu holen. 

Schon nach gut 20 Minuten erreichen wir den Palast, in dem sich das gesamte Geschehen bis zum abstrakten, betont offenen Finale abspielen wird. Gerade die erste Spielstunde besteht eigentlich nur aus Herumlaufen durch mehr oder weniger klar vorgegebene Wege, ohne dass sich Echo allerdings leider wirklich Mühe geben würde, uns auch über die restlichen gut 6 Stunden vom Gefühl zu befreien, eigentlich nur einem riesigen Arealschlauch zu folgen, der von einigen wenigen Pseudorätseln und schon auf dem normalen Schwierigkeitsgrad oft genug frustrierend schweren Gegnerhorden besetzt wird. 

Was nun nach einer sehr harten Kritik klingt, muss zum besseren Verständnis etwas weiter ausformuliert werden. Echo setzt in Sachen Gameplay ganz auf das Erkunden des fantastischen Settings, das nicht zufällig mit seiner enigmatischen Mixtur aus Barock und Futurismus an große Vorbilder wie Kubrick oder Scott erinnert, sowie auf die bereits angesprochene adaptive KI, die das Verhalten unserer Gegner definiert.

Denn wie bereits angedeutet, besteht Ens Prüfung letztlich darin, sich selbst und damit ihre gegnerischen, vom Palast immer wieder rebootete Spielbilder zu besiegen. Die orientieren sich genau an den Aktionen und Taktiken unserer Heldin. Soll heißen: Wenn wir mit En mehrmals Aktionen wie Schleichen, Rennen oder Schießen ausüben, merken sich unsere Angreifer das jeweilige Vorgehen und wenden es wiederum selbst gegen uns an. 

Um nicht schon bald übermächtig zu sein, findet in Echo ein permanenter Wechsel zwischen einer Licht- und einer Dunkelphase statt, der unsere Doppelgänger (oder Echos) immer wieder sozusagen auf Null zurücksetzt. So legen wir folglich in einer Lichtphase fest, was unsere Verfolger nach der nächsten Dunkelphase von uns gelernt und nach dem nächsten Phasenwechsel wiederum vergessen haben. Taktisches Vorgehen inklusive einer genauen Planung, welche Aktion wir wann ausführen, gehört somit zum wichtigsten Faktor für den Erfolg.

Denn En hält auch nicht viel Gegenwehr aus und trotz fairer Checkpoints werden viele Stellen nach mehrmaligem Ableben schon aufgrund ärgerlich langer Ladezeiten zur echten Geduldsprobe. Dazu passt ebenfalls, dass sich gegen Ende eine zweite(!) Gegnervariante hinzugesellt, die uns schon mit einer Aktion tötet. Das bedeutet leider trotz flüssiger Steuerung und guter Übersicht mehrfach minutenlanges Herumtaktieren, Schleichen oder schlicht Wegrennen, ehe uns die sehr augmerksamen Bewacher doch erwischen und die Szene von vorn beginnt. Warum die Entwickler gerade mit dieser aufgesetzt wirkenden, weil das Ende künstlich hinauszögernden Designentscheidung gedacht haben, Spieler nicht völlig zu frustrieren, können wohl nur sie beantworten. 

Gelungen ist dagegen die Abwechslung innerhalb des Aktionsrepertoires unserer Figur. Denn Echo lädt sowohl zum Schleichen wie auch zum offensiven Vorgehen gleichermaßen ein. Zwar wird kein Vorgehen in jeder Situation funktionieren, doch ebenso wenig verkommt das Gameplay zum seichten Herumballern (schon mangels Munition) oder zum bloßen Abklappern der Gegner, die man von hinten nacheinander ausschalten kann (denn alle Gegner erwachen mit jeder Rebootphase ohnehin erneut zum Leben). 

Rätsel erwarten uns in den endlosen Korridoren kaum. Mal müssen wir Energiebälle einsammeln, um ein Tor zu öffnen oder mittels einfacher Mechanismen neue Wege freischalten. Nur in einer Rätselvariante kommt es darauf an, die Spielbildgegner geschickt zu manipulieren. Von solchen Ideen, die sich perfekt mit der KI-Mechanik und der Story vereinen, hätten wir gerne mehr gesehen.

Doch der größte Trumpf bleibt sicher trotz zunehmender Abnutzungserscheinungen das spannende Setting, die stimmige Mythologie und Symbolik sowie die wirklich gelungenen Dialoge zwischen En und London, die durch die englischen (oder deutschen) Sprecher hervorragend vertont wurden.

Hätten die Macher bei der sicher nicht brillanten, aber eben sehr effektiv eingesetzten technischen Performance noch mehr an der Story gefeilt und nicht zuviel Spielzeit mit repetitivem Herumlaufen durch generische Gänge und Kämpfen gegen immer gleiche Gegner vertan - Echo hätte wirklich das Zeug zum Klassiker gehabt. Doch so stellt sich mangels markanter Highlights oder Zwischengegner viel zu oft die Frage, wann wir endlich wieder etwas wirklich Neues innerhalb des Palastes erleben. Gegner, die uns mit einer Attacke töten, waren in dieser Hinsicht noch nie eine gute Wahl. 

Fazit

Verschenktes Potenzial auf hohem Niveau! So ließe sich unser Gesamteindruck des atmosphärisch genial eingeführten, aber leider in vielerlei Hinsicht viel zu generischen Action-Adventures Echo zusammenfassen. Die adaptive Gegner-KI bleibt in ihrer konkreten Umsetzung nach einiger Zeit zwischen Frust und Langeweile stecken und sich die immer gleichen, nur leicht variierten Areale auch nach 6 Spielstunden noch als gelungene Reminiszenen großer Sci-Fi vor Augen zu halten, dürfte sicher nicht jedem Spieler gelingen.

So bleibt unter dem Strich ein Titel, dem vielleicht die ein oder andere Kürzung sowie ein paar weitere Elemente in den Bereichen Rätseln, Gegnern und Charakteren gut getan hätten. Doch eines ist ebenso klar: Die Kritik würde nicht so laut ausfallen, wenn das vorhandene Potenzial nicht an so vielen Stellen aufblitzen und man sich nach dem Abspann nicht sofort wünschen würde, dass Echo eine Fortsetzung erhält. Der Kampf gegen das eigene Ich, hatte schließlich schon immer einen besonderen Reiz.

Echo • Ultra Ultra • Action-Adventure

Abb. © Ultra Ultra

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