9. November 2017 2 Likes

Retro-Invasion

In Stephen Baxters „Das Ende der Menschheit“ kommen die Marsianer zurück

Lesezeit: 3 min.

Sie kamen eines Nachts in Metallzylindern, die auf England fielen. Ihnen entstiegen Wesen von einer anderen Welt, die sich in gigantischen dreibeinigen Kriegsmaschinen die Erde (ok: das Vereinigte Königreich) untertan machen wollten. Die Menschen hatten ihren Hitzestrahlern nichts entgegenzusetzen. Und dann, als der Kampf schon verloren schien, wurden die Marsianer doch noch besiegt – von Bakterien. Das ist die Geschichte, die uns H. G. Wells in „Krieg der Welten“ erzählt. Dank Stephen Baxter ist diese Geschichte noch nicht vorbei: 14 Jahre später sind die Marsianer zurück. Die vermeintliche Invasion war nur ein Vorspiel, eine Erkundungsmission, und diesmal wird keine Bakterie die Invasion aufhalten.

Die beginnt in einem Großbritannien, das sich noch nicht von der ersten Landung der Marsianer erholt halt: die Wunden sind tief, aber nicht immer deutlich zu sehen. Die verängstigte Bevölkerung hat das Verdrängen zur Meisterschaft erhoben und einen quasi faschistischen Diktator an die Macht gebracht, der die Warnungen vor einem zweiten Krieg mit dem Mars in den Wind schlägt. Denn auch die Menschen haben aus ihrer Begegnung mit den Aliens einiges gelernt; die Untersuchung der Mars-Maschinen brachte technischen Fortschritt. Man fühlt sich gewappnet, sollten die Monster zurückkommen. Das entpuppt sich als fatale Fehleinschätzung, und keiner wird das so deutlich bewusst wie der Journalistin Julie Elphinstone. Sie ist die Ex-Schwägerin von Walter Jenkins, den Baxter zum Erzähler von Wells‘ „Krieg der Welten“ macht, und obwohl sie keine allzu gute Beziehung zu ihrem mittlerweile berühmten Schwager hat, willigt sie ein, sich mit ihm zu treffen. Walter hat nämlich eine fixe Idee: er glaubt, dass die Lebewesen im Sonnensystem – die Bewohner der Wasserwelt Venus, die Marsianer, die mysteriösen Intelligenzen auf dem Jupiter – durch bestimmte Zeichen miteinander kommunizieren. Julie verspricht ihm, seine Theorie der militärischen Führung Großbritanniens zu unterbreiten. Doch die hat ganz andere Pläne, und so findet sich die Journalistin plötzlich mitten im Krieg …

„Das Ende der Menschheit“ (im Shop) ist in vielerlei Hinsicht Vergnügen pur: jede Menge berühmter Persönlichkeiten haben einen „Cameo-Auftritt“, es gibt eine Reihe von SF-Insiderwitzen, und der Erzählstil ist eine gelungene Pastiche auf Wells‘ Original. Am meisten Spaß hatte Baxter offenbar beim Herumspielen mit den spekulativen Theorien über unser Sonnensystem um 1900: es gibt wieder Kanäle auf dem Mars, Venus ist eine Wasserwelt, und weil die Planeten, die weiter von der Sonne entfernt sind, bekanntlich älter sind als die inneren Planeten, sind die rätselhaften Jupiterbewohner eine uralte, hochentwickelte Zivilisation. Anstatt diese überholten Vorstellungen durch ein moderneres Bild vom Universum zu ersetzen, übernimmt Baxter die veralteten Theorien einfach und denkt sie, der internen Logik folgend, weiter. Dasselbe macht er auch mit den technischen Errungenschaften der 1910er und 20er, die dank der Mars-Tech einige ungeahnte Erfindungen vorzuweisen hat. Bei alldem verliert Baxter seine Story nicht aus den Augen, die einen bis zum Schluss gefangen hält.

Kurzum: „Das Ende der Menschheit“ ist das Ergebnis einer liebevollen Auseinandersetzung mit dem genrebegründenden Klassiker und ebenso Fortsetzung wie Verbeugung – aber vor allem ein großes Lesevergnügen!

Stephen Baxter: Das Ende der Menschheit • Roman • Aus dem Englischen von Peter Robert • Wilhelm Heyne Verlag, München 2017 • Paperback • ca. 576 Seiten • € 16,99 • im Shop

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