15. November 2017 3 Likes

Spiritueller Flügelschlag

Das beschwingte Adventure „AER: Memories of Old“ im Test

Lesezeit: 4 min.

Die Suche nach Sinn. Was könnte man dazu nicht alles aus der Phrasenmaschine herausziehen und an dieser Stelle auf die geheimnisvolle Reise von Auk überstülpen, die als Protagonistin des Indie-Games AER: Memories of Old (erschienen für PC, PS4 und Xbox One) vor allem Fliegend ein vordergründig hochgradig spirituelles Inselweltchen bepilgern muss. Die Spielwelt von AER steckt voller Ruinen angeblich einst imposanter Städte, kaum leserlicher Steintafeln und dem verblassten Glauben an alte Gottheiten, deren Verschwinden den Einfall einer dunklen Macht begünstigte und das Land in den Abgrund zu reißen droht. In Gestalt von Auk begeben wir uns auf die Suche nach drei verborgenen magischen Relikten, um die dunkle Bedrohung aufzuhalten und dabei die verschütteten Mysterien des unbekannten, in zahlreiche kleinere Inseln zerteilten Himmelreichs für uns aufzudecken. 

Eines sei gleich direkt vorweggenommen: Wem diese Sinnsuche schon aufgrund ihrer abstrakten Ausrichtung zu banal klingt, dürfte mit AER wohl kaum warm werden. Denn das Adventure der schwedischen Entwickler von Forgotten Key versäumt es komplett, dieser Skizze eine konkretere, wirklich greifbarere Form zu verleihen, die über das bloße Hineininterpretieren von Allerwelts-Spiritualität hinausgeht. Auks Abenteuer beginnt mit ein paar wenigen Textinserts bereits so unvermittelt und ohne echte Einführung in das Geschehen, dass man sich schon fragen muss, warum die Entwickler gerade für ein vermeintlich tiefgründiges Adventure mit dieser Ausrichtung fast schon holzhammerhart erzählen und uns über die gesamten rund 2-3 Stunden Spielzeit mit einer nur scheinbar faszinierenden, in Wahrheit jedoch ziemlich leblosen bis kalten Spielwelt abspeisen. 

Das verwundert schon deshalb, weil gerade der bunte Grafikstil eine andere Fährte legt und überhaupt das im Indie-Sektor schon rein produktionstechnisch beliebte Design mit wenigen Details und großflächigen Texturen zumindest in den wenigen, etwas belebteren Szenerien eine durchaus warmherzige Atmosphäre evoziert. Grafisch hübsch anzusehen ist AER also auf jeden Fall, obwohl sich der Stil mit der Zeit mangels Abwechslung notgedrungen etwas abnutzt und die Kürze des Titels einem endgültigen Abfall entgegenkommt.

Doch es bleibt so oder so beim erzählerischen Hauptproblem: Über die gesamte Spielzeit erhalten wir nicht wirklich emotionalen Zugriff auf die Welt, ihre Geschichte und das, was wir da überhaupt tun bzw. was das wiederum mit unserer Heldin zu tun hat. Das wäre auch nicht weiter schlimm, würde AER nicht mit seinem mystisch-mythologischen Anstrich so tun, als würde eine tiefere Bedeutung auf uns warten, wenn wir die einzelnen Inseln nur intensiv genug erschließen. Doch die einzelnen Tempel sind recht flott abgeklappert und das Finale endet ebenso abrupt wie das Geschehen bereits einsetzte. Schade, denn mit ein wenig mehr Leben und Bindung hätte die Welt durchaus Potenzial gehabt. 

Was wiederum gut funktioniert, ist die grundsätzlich sehr entspannende Spielmechanik. Sind wir außerhalb der stimmungsvoll inszenierten Tempel- und Höhlenanlagen unterwegs, können wir uns als Auk via Knopfdruck jederzeit in einen Vogel verwandeln und sehr elegant durch die Lüfte segeln. In den Innenbereichen ist dies zwar trotz ausladender Architektur plötzlich nicht mehr möglich, doch die angenehm simplen Schalterrätsel und Knobeleinlagen sorgen mangels Anspruch für mentale Ruhe. Das ist definitiv nicht negativ gemeint, denn AER verfolgt auf der Seite seines Gameplays konsequent das Ziel, nicht zu (über-)fordern. So gibt es keinerlei Feinde und selbst der Tod bleibt hier völlig außen vor. Frustfreies Gaming in jeder Hinsicht.

Kämpfe oder Neustarts sind daher logischerweise ebenfalls nicht vorgesehen. Fliegen, springen, rennen, Schalter betätigen und ein paar Textblöcke lesen - das ist alles, was das Gameplay von uns verlangt. Das kann und wird vielen Gamern selbst im Zeitalter der vielen ohnehin reduzierten Indie-Titel zu wenig sein, deren Markenkern gerade in der Abkehr üblicher Actionstandards liegt, doch Forgotten Key hat es verstanden, dieses Prinzip - ähnlich wie der Indie-Überhit Journey - zum in sich stimmigen Grundsatz zu erheben. Doch während es Journey dazu meisterhaft gelang, Gameplay und Spielwelt thematisch-motivisch zu vereinen, bleibt AER bei letzterem leider einiges schuldig, um in ähnliche Sphären aufzusteigen. 

Fazit

Auch wenn der Einstieg in diese Rezension etwas hart klingen mag, hat Forgotten Keys durchaus ein Adventure mit einigen Stärken herausgebracht, die den Kauf zumindest für manche Indie-Game-Fans lohnt: Gerade als atmosphärischer Flugsimulator funktioniert AER sehr gut und das beschwingt einfache Rätsel- und Erkundungs-Gameplay weiß über die knappe Spielzeit ähnlich wie der Grafikstil zu gefallen.

Leider können weder Story, Charakter-Zeichnung oder die beidem zugrunde liegende Mythologie wirklich überzeugen und blubbern recht emotionslos nebenher mit. Hätten die Macher gerade Einstieg und Finale nicht dermaßen unvermittelt gehalten und ihrer Welt trotz Untergangsszenario etwas mehr figuratives Profil verpasst, hätte aus Auks Pilgerreise ein richtig gutes, länger nachwirkendes Adventure werden können. So bleibt leider der böse Ausdruck vom verschenkten Potenzial zu präsent, um diesen Eindruck mit ein paar gut programmierten Flügelschlägen auszulöschen.

AER: Memories of Old • Forgotten Key/Daedalic • Adventure

Abb. © Forgotten Key/Daedalic

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