4. Dezember 2017 3 Likes

Aller guten Dinge sind drei

Wie die marsianischen Kampfmaschinen unsere moderne Technologie beeinflusst haben

Lesezeit: 5 min.

Heute kennen wir sie nur noch als stille, unbewegliche Denkmäler, die auf der ganzen Welt stehen; in New York, Melbourne, St. Petersburg, Berlin, und natürlich in Woking, wo 1907 alles begann: die gigantischen dreibeinigen marsianischen Kampfmaschinen, die die Menschheit zwei Mal an den Rand der Auslöschung gebracht haben. Wir amüsieren uns über Filme, in denen sie zu Fall gebracht werden – und vergessen dabei den Schrecken, den diese Maschinen einst mit sich gebracht haben, den Hitzestrahler, den Schwarzen Rauch und den Rotwuchs. Und wir vergessen, wie viel wir der marsianischen Technik zu verdanken haben. Diese ungelenk wirkenden Dreifüße haben nach dem Ende beider Kriege für gewaltige technologische Entwicklungsschübe gesorgt, vom Prozess der Aluminiumgewinnung über Flugzeugantriebe bis hin zu komplexen elektromagnetischen Mechanismen. Die Dreibeine haben uns stärker geprägt, als wir zugeben wollen.

Nicht die erste, aber sicherlich die berühmteste Beschreibung einer marsianischen Kampfmaschine findet sich in Walter Jenkins Aufzeichnungen zur ersten Invasion von 1907. Er sah seinen ersten Dreifuß während eines Sommergewitters. Jenkins verglich die Maschine mit einem gigantischen Melkschemel, der sich schlingernd und ruckend fortbewegt. Grüner Rauch tritt beim Gehen aus den Gelenken aus. Auf den Beinen sitzt eine bronzefarbene, drehbare Metallhaube, in der der Pilot sitzt. Dahinter befindet sich ein Behältnis aus Aluminium, das als Stauraum dient. An der Unterseite hängen bewegliche Aluminium-Manipulatoren. An einem dieser tentakelähnlichen Arme ist der Hitzestrahler befestigt; die anderen sind mit unterschiedlichen Greifwerkzeugen ausgestattet. Sie können sehr präzise bewegt und bei Bedarf in die Hülle eingezogen werden. Schon Jenkins, der die Maschinen nur kurz im Licht der Blitze sah, bemerkte, dass sie seltsam lebendig aussahen, wie sie über die Felder Surreys staksten, den Kopf drehten und einander jenes tiefe „Aloo! Aloo!“ zuriefen, das die Überlebenden der Katastrophe noch im Schlaf verfolgt.

Warum verstört uns der Anblick eines Dreibeins so sehr? Lebewesen mit einer ungeraden Anzahl Extremitäten – seien es drei, wie bei den Kampfmaschinen, oder fünf, wie sie die Arbeitsmaschinen der Marsianer aufweisen – existieren nicht natürlich auf unserem Planeten. Die natürliche Auslese hat im Laufe von Jahrmillionen erwiesen, dass eine gerade Anzahl Beine die beste ist. Sie bieten mehr Stabilität bei Stillstand und Fortbewegung unter den herrschenden Schwerkraftverhältnissen. Deswegen erscheinen uns die Mars-Maschinen schon auf den ersten flüchtigen Blick als „falsch“, als „fremd“, als „nicht von dieser Welt“. Aber gerade deswegen sind die Kampfmaschinen so bemerkenswert. Anders als wir verfügen die Marsianer nicht über ein Skelett – sie sind wirbellos. Umso erstaunlicher sind vor diesem Hintergrund die „Pseudo-Muskeln“, die die Kampfmaschinen bewegen. Es handelt sich um Metallscheiben im Inneren von elastischen Röhren, die magnetisch aufgeladen werden, sodass sie sich aufeinander zu oder voneinander weg bewegen und so die Maschinenbeine kontrollieren. Die Entwicklung einer solchen Konstruktion ohne den Rückgriff auf ein Vorbild aus der Natur ist beeindruckend. Zudem kennen die Marsianer, soweit wir wissen, das Rad nicht. Es ist schwer vorstellbar, dass eine Spezies, die so viel älter und fortschrittlicher ist als die unsrige, das Rad niemals erfunden haben sollte. Vielmehr dürften sie es als unpraktisch verworfen haben. Ein logischer Schritt angesichts der auf dem Mars herrschenden Verhältnisse: in der niedrigen Gravitation dürften sich die Kampfmaschinen um einiges eleganter bewegen. Wir wissen auch, dass der Mars stellenweise sehr unwegsames Gelände aufweist. Ein Fortbewegungsmitteln auf Beinen erscheint als die bessere Wahl.


aus „The Great Martian War“, History TV-Channel, 2013

Doch wie kommt es, dass wir in unserer eigenen technischen Entwicklung nie Maschinen auf Beinen produziert haben, ehe die Marsianer kamen? Immerhin gibt es genug Regionen auf der Erde, die sich auf Rädern nur schwer erreichen lassen. Tatschlich glauben einige Wissenschaftler und Mars-Forscher, in alten Texten Hinweise auf solche Maschinen gefunden zu haben. Im 18. Buch der „Ilias“ von Homer etwa schildert der Dichter, wie Achilles‘ Mutter Thetis den Götterschmied Vulkan besucht, um ihn um eine neue Rüstung für ihren Sohn zu bitten. Dieser arbeitet an zwanzig dreibeinigen Maschinen aus Gold, die sich eigenständig fortbewegen können (allerdings hat Vulkan ihre Beine mit Rädern ausgestattet). Wie kam der Götterschmied auf diese Idee, wenn es doch in der Natur nichts Vergleichbares gibt, das ihm als Vorbild gedient haben könnte? Während ein Teil der Forschergemeinschaft der Ansicht ist, dass es sich dabei um reinen Zufall handelt, glaubt eine andere Schule, dass mehr hinter Vulkans Design steckt. Sie vermuten, dass es bereits vor 1907 eine Invasion gegeben haben muss, bei der Dreibeine zum Einsatz gekommen sind. Ob es sich dabei um die Marsianer gehandelt hat, ist umstritten; zumal es bisher keine archäologischen Beweise für eine antike Invasion gibt. Doch die technischen Wunder der Antike, von den sich scheinbar wie von Geisterhand öffnenden Tempeltüren in Alexandria bis hin zu tanzen Automaten und den Kanälen und Aquädukten (auf deren Bau die Marsianer bekanntlich trefflich verstehen), deuten, so die Wissenschaftler, auf eine anhaltende Periode der technischen Innovationen hin, wie auch wir sie nach den beiden Invasionen im 20. Jahrhundert beobachten konnten.

Die erste dieser Perioden fand in Großbritannien in den Jahren zwischen 1907 und der zweiten Invasion 1921 statt. Das Militär errichtete eine Sperrzone, den sogenannten Korridor, um die Einschlagstellen der Mars-Zylinder, und begann mit der Erforschung der Technologie der Aliens. Die Forscherteams enträtselten die Funktionsweise des Hitzestrahlers, bei dem es sich um hochkonzentriertes Infrarotlicht handelt, das Temperaturen von 1.500° C erreichen kann. Sie untersuchten die marsianischen Flugmaschinen und stellten fest, dass sie sich mittels eines hochkonzentrierten Düsenstrahls fortbewegten. Sie brachten die Arbeitsmaschinen wieder zum Laufen, die fortan zur Aluminiumproduktion eingesetzt wurden. Mithilfe der deutschen Wissenschaftler Albert Einstein und Karl Schwarzschild wurde bekanntlich auch das Geheimnis um die sogenannten „Mars-Batterien“ gelüftet, der Energiequelle, mit der die Kampfmaschinen angetrieben wurde – mit verheerenden Folgen für Ealing, Kensington und Manchester, wo diese besonderen Forschungseinrichtungen beheimatet waren.

Anfangs profitierte vor allem das Militär von der neuen Technik; man danke beispielsweise an das imposante Landschiff HMLS Boadicea, das Julie Elphinstone so anschaulich in ihrem Bericht „Das Ende der Menschheit“ (im Shop) beschreibt. Erst in den Jahrzehnten nach der zweiten Invasion kam die Mars-Technologie auch der Zivilbevölkerung zugute: das marsianische Wissen um Elektrotechnik und Magnetismus etwa ermöglichte den Bau der Einschienenbahn zwischen Paris und London. Das mittels der Arbeitsmaschinen aus dem Boden gewonnenen Aluminium wurde zur Konstruktion von immer höheren und gewagteren Wolkenkratzern eingesetzt. Die Mars-Flugmaschinen trieben die Entwicklung des Düsenjets voran. In den Sechzigerjahren schließlich entwickelte das General Electric Ordinance Dept. in Pittsfield, Massachusetts, die ersten bemannten Transportmaschinen auf vier Beinen, die die Erforschung der Arktis ermöglicht haben. Und diese zweite Periode der Innovation ist noch nicht vorbei: Die Tentakel der Kampfmaschinen inspirierten Elon Musk zu den Lade-Robotern, die unsere Elektroautos, die aus marsianischer Alu-Speziallegierung bestehen, binnen Minuten aufladen. Und selbst das dreibeinige Design ist nicht vergessen – nur setzen wir es zu friedlichen Zwecken ein. Wir haben das Ungeheuer gezähmt, das Walter Jenkins einst solche Angst eingeflößt hat. Doch die wichtigste Aufgabe liegt noch vor uns: einen Weg zu finden, die Differenzen zwischen unseren Spezies zu überwinden. Der Austausch von Technologie könnte der erste Pfeiler dieser Brücke sein. 

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