26. Dezember 2017 1 Likes

Interview mit Thilo Krapp

Eine Comic-Adaption von „Der Krieg der Welten“ aus Deutschland

Lesezeit: 7 min.

H. G. Wells’ „Der Krieg der Welten“ zählt zu den großen, ewigen Klassikern der frühen Science-Fiction, der bis heute Kreative auf der ganzen Welt inspiriert. SF-Veteran Stephen Baxter hat dem Klassiker gerade sogar die Romanfortsetzung „Das Ende der Menschheit“ (im Shop) angedichtet. Auch im Bereich Hörbuch und Hörspiel sind Wells’ SF-Evergreens derzeit äußerst angesagt – und nicht nur da. Der deutsche Comic-Künstler Thilo Krapp hat Anfang des Jahres so etwa eine frische Comic-Adaption von „Der Krieg der Welten“ geschaffen und eigene Schwerpunkte und Details gesucht. Krapp studierte in Wuppertal und lebt heute als freier Autor, Comic-Künstler und Illustrator in Berlin. In seinem Portfolio finden sich „Damian & Alexander“, „Die drei ???“, „Mit Einstein im Fahrstuhl: Physik genial erklärt“ und andere. Für seine Buch- und Bilderbuch-Illustrationen wurde er bereits mit diversen Preisen ausgezeichnet – für „Der Krieg der Welten“ erhielt er gerade erst den Rudolph-Dirks-Preis. Im Interview spricht Thilo Krapp über seine Beziehung zur Vorlage, die Recherche, den Mars und den nächsten SF-Klassiker, den er adaptieren wird.

Hallo Thilo. Wieso hast du dich entschieden, Der Krieg der Welten zu adaptieren?

Auslöser war eine Wiederaufführung der berühmt-berüchtigten Radio-Adaption von Orson Welles aus dem Jahr 1938, die ich an einem Halloween-Abend, als ich ungefähr elf Jahre alt war, gehört habe (es wurde die Originalfassung mit deutscher Simultan-Übersetzung gespielt, was die fiktive Authentizität eines „Live-Berichts“, die sich die Radiofassung ja zunutze macht, nur noch steigerte). Von da an hat mich die Geschichte an sich nicht mehr losgelassen, und ich begann, dazu zu recherchieren, zu forschen und zu skizzieren. Es dauerte allerdings noch etwas, bis ich erstmals an eine deutsche Ausgabe des Buches kam. Als es dann soweit war, merkte ich, dass die Handlung im Buch mich sogar noch viel mehr packte und faszinierte. Seitdem gab es das Vorhaben, Wells’ Roman in einen Comic, eine Graphic Novel umzusetzen.

Hat unser heutiger Wissensstand über den Mars den Impact von Wells‘ Geschichte, geschwächt?

Das denke ich nicht. Der Mars hat seine Faszination nicht verloren – man denkt ja in letzter Zeit sehr viel und konkret über seine Besiedelung nach, und im Zusammenhang damit auch darüber, was man dort eventuell an Spuren gewesenen Lebens vorfinden könnte. Und auch Wells lässt viele Dinge, die schon damals umstritten waren, eher im mythischen Dunkel – zum Beispiel die heute widerlegte Theorie der „Marskanäle“. Generell geht es in der Geschichte aber gar nicht so sehr um Mars oder nicht Mars. Es geht darum, wie man sich fühlt, was es mit einem macht, wenn man völlig unvorhergesehen von etwas überwältigt wird, womit man nicht gerechnet hat; vor allem als eine Supermacht, die eigentlich immer andere besiegt. Wells hat seinen Roman ja als eine Art Statement zur Kolonialpolitik der damaligen Zeit geschrieben, speziell Englands. Sonst war es fast immer nur das britische Empire gewesen, das andere unterwirft (England war ja eine sehr, sehr große Kolonialmacht). Hier wird es, ein für damals ungehöriger Gedanke, auf einmal selbst unterworfen. In nur zwei Wochen!

Wie viele Freiheiten hast du dir bei deiner Adaption herausgenommen, oder wie wichtig war dir die Treue zur Story des Originals?

Die Treue zur Vorlage war mir sehr, sehr wichtig, ja, extrem wichtig sogar. Was mich an den bisherigen Adaptionen des Stoffes immer gestört hat, ist, dass die „kleinen“ Szenen meistens gestrichenen werden. Die, in der sich die ganz einfachen, normalen Bewohner der südenglischen Ortschaften, in denen die Geschichte ihren Anfang nimmt, über das Unfassbare, was passiert, unterhalten und von allem, was dann noch kommt und ihre Vorstellungskraft übersteigt, nichts ahnen können. Dieser zwischenmenschliche Aspekt, der jeden von uns betrifft (weil es uns an ihrer Stelle auch so gehen würde), und den Wells so gut beschrieben hat, weil er das Land und seine Bewohner so gut kannte – der wird oft gerne etwas zurückgenommen in den Adaptionen, die es bisher gibt. Stattdessen wird viel wert auf die Beschreibung des Aufmarsches irgendwelcher Truppen gelegt, und solche eher „leiseren“ Elemente werden dafür dann gern gekürzt. Natürlich habe auch ich kürzen müssen, aber abgesehen davon, dass ich das selbstverständlich nicht bei den großen, wichtigen Kampfszenen und andere Schlüsselmomenten des Buches getan habe, war es mir wichtig, nicht diese für mich elementar wichtigen Momente der ländlichen Idylle oder des Miteinanders total zurückzunehmen. Deshalb gibt es, so behaupte ich, in meiner Adaption einige Szenen, die so noch nie zu sehen waren. Eventuell sind sie sogar nur ganz kurz, aber elementar wichtig. Insgesamt bereichern sie, so glaube ich, das Gesamtwerk um den wichtigen Aspekt der „Liebeserklärung an den Landstrich Südengland“,  der Wells, da bin ich mir sicher, bei dem Buch ganz besonders am Herzen lag, und den ich unbedingt spürbar machen wollte, weil ich ihn beim Lesen auch so sehr gespürt habe.

Hast du vorher mal überlegt, den Klassiker zu aktualisieren? 

Nein, weil das Buch einfach gut so ist, wie es ist. Natürlich interpretiere ich aber einiges auf meine Weise. Ich war es einfach leid, die x-te „Wir erfinden jetzt Wells ganz neu und verlegen die Geschichte nach Berlin im Jahre 2017“-Adaption zu machen. Das ist nicht reizvoll für mich, da damit genau diese Liebeserklärung an Südengland, dieser wesentliche Aspekt des Originals, den ich sehr wichtig finde bei dem Stoff, komplett verloren gehen würde. Außerdem funktioniert die Geschichte innerhalb ihres Originalkontexts einfach am besten.

Macht es die Sache leichter oder schwerer, dass es bereits so viele Illustrationen, Adaptionen und Interpretationen gibt?

Einerseits schwerer, weil man sich ja absetzen muss – was ich aber mit der gerade eben beschriebenen Herangehensweise tue. Andererseits ist es aber, wenn man so etwas macht, auch eine Erleichterung, festzustellen: Alle bisherigen Adaptionen nehmen sich eigentlich irgendwo Freiheiten, die den Charme des Originals zumindest ankratzen oder kaputt machen. Die Filmversion von 1953 vielleicht und vor allem Orson Welles’ Radiofassung fangen die unterschwellig spürbare Stimmung aus dem Buch soweit gut ein. Nur spielen beide halt, bei allem, was sie „richtig“ machen, nicht in der Epoche, aus der der Roman stammt - meine Graphic Novel aber fängt, das erlaube ich mir hier einfach zu sagen, zum einen diese Stimmung wirklich gut ein und kleidet das Ganze darüber hinaus noch in das historisch authentische Gewand, für das ich ja auch sehr viel und jahrelang Recherche betrieben habe.

Wie genau sah deine Recherche aus?

Man muss reisen, um das richtig zu machen. Man muss nach Südengland, in die kleinen Orte, und die Landschaft in sich aufnehmen. Ein Abstecher nach London lohnt natürlich auch, nur hat das moderne London nicht mehr so viel mit dem London zur Zeit von H. G. Wells zu tun - nur in Teilen, zumindest. Ich habe durchaus auch in London Vorlagen gefunden, die es dann in die Graphic Novel geschafft haben - aber weitaus mehr hat mir die Recherche in alten Büchern und durchaus auch im Internet geholfen. Grundsätzlich, und das muss ich hier ganz deutlich sagen, haben Bücher am allermeisten geholfen, und wenn Internet, dann nur die richtigen Seiten – es gibt auch viel ungenauen Mist im Netz, der sich den Anstrich gibt, historisch korrekt zu sein, es aber nicht ist. Vor allem hilfreich waren Kompendien über die Stadtgeschichte Londons oder Einrichtungsmagazine aus der Zeit, in der „Krieg der Welten“ spielt („The Studio“ zum Beispiel), und darüberhinaus etwas, was nur die Engländer so gut können: Bücher über exemplarische historische Straßenzüge der Vororte Londons im 19. Jahrhundert und im Wandel der Zeit. 

Dein nächstes Projekt hat mit Vernes „20.000 Meilen unter dem Meer“ zu tun, noch so einem Klassiker. Kannst du uns schon etwas darüber erzählen? 

Ich bin erst mal dabei, mir das Setting klarzumachen und anhand des Buches vorzustellen, wie zum Beispiel die „Nautilus“, Nemos Unterseeboot, aussehen muss und wie ich es interpretieren und gestalten will. Aber auch, wie ich die Meereslandschaften darstellen möchte. Ein weites Feld! Noch ein weiteres Feld allerdings ist es, das Buch an sich in eine Form für einen Comic zu bringen, es zu adaptieren, also auch die Figuren zu interpretieren und auszulegen - und, zu guter Letzt, es an den richtigen Stellen zu kürzen. Denn Vernes Roman behandelt ja im wahrsten Sinne des Wortes eine Weltreise unter Wasser. Man muss sehen, was davon in der Graphic Novel wichtig wäre, genauso und eben auch genauso lang zu schildern, wie in der Vorlage.

Glaubst du eigentlich an Außerirdische – und denkst du, sie würden bzw. werden in friedlicher oder kriegerischer Absicht kommen?

Ich habe dazu ehrlich gesagt keine Vorstellung. Erst mal denke ich, dass kein vernünftiges Wesen Interesse daran haben sollte, sich in eine kriegerische Auseinandersetzung mit jemand anderem zu begeben, ob willentlich oder gezwungenermaßen. Auf diese Intelligenz würde ich hoffen – nicht nur bei uns Menschen, sondern auch bei anderen Lebewesen, egal, woher sie kommen.

Thilo Krapp & H. B. Wells: Der Krieg der Welten • Egmont, Köln 2017 • 144 Seiten • Hardcover: 28,00 Euro

Bilder: © Thilo Krapp/Egmont

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