21. März 2012

Elektrische Reiter

„Tron: Legacy“ – Ein spätes Sequel

Lesezeit: 2 min.

Der Berliner Winter des Jahres 1982 war ein Lederjackenwinter: warm, windig und verregnet. An den Kinokassen in Deutschland musste der neue Film von Stephen Spielberg, E.T., gegen den Disney-Angriff Tron antreten – und gewann haushoch. Visuell war Tron ein Trip ins nächste Jahrtausend – diese Computergrafiken, diese Raumtiefe im Hintergrund –, wer Augen hatte zum Sehen, der erkannte: Das ist die Zukunft des Kinos! An Tron hatten mit Moebius und Syd Meat zwei der größten Künstler des 20. Jahrhunderts mitgearbeitet – und man konnte ihre Handschrift erkennen. Über Handlung und Dialoge sollte man jedoch den Mantel des Schweigens legen, da halfen auch Jeff Bridges und Bruce Boxleitner nicht viel, zwei der vielversprechendsten Jungschauspieler dieser Zeit. Im Innern eines Computers hat das Master Control Programm MCP eine virtuelle Welt geschaffen, Raster genannt, in die der junge Programmierer Kevin Flynn eindringt, um Beweise für ein Verbrechen zu sammeln. Doch in der Computerwelt lässt das böse MCP die Programme gegeneinander in gnadenlosen Gladiatorenkämpfen antreten.

Was damals nicht nur viele Filmkritiker eher verwirrte – nach Tron standen auch viele Zuschauer vor den Berliner Kinos im Regen und kratzen sich den Kopf –, entwickelte sich in den kommenden Jahren zu einem visionären Kultfilm. Zwanzig Jahre später etwa tauchten die Tron-Datenanzüge in den Drogensequenzen des grenzdebilen Blueberry-Films wieder auf. Und nun, 28 Jahre später: eine gänzlich misslungene Fortsetzung. Oder auch: die gleiche doofe Story, mit besseren Effekten und noch schlechteren Dialogen. Und einem Soundtrack, der den gesamten Film von der ersten bis zur letzten Minute zuschleimt.

Nach einer sehr langsamen und schönen Exposition findet sich Kevin Flynns Sohn Sam in der Computerwelt wieder. Doch die Dinge haben sich seit 1982 schwer geändert. Sams Vater ist verschollen, seine Firma ist zu einer seelenlosen Softwareschmiede verkommen. Das Raster ist ein düsterer, apokalyptischer Ort geworden, durch dessen Straßen das Echo von Blade Runner hallt. Und es herrscht richtig mieses, verregnetes Winterwetter. Sam wird gefangen genommen und in einer Arena zu einer Runde Air Hockey gezwungen. Und dann taucht Kevin-Vater auf, ein bärtiger Jeff Bridges, der sich die ganze Zeit das Lachen verkneifen muss. Und damit beginnt das lustige Zitateraten. Kevins Wohnung sieht aus wie das Sterbezimmer des Astronauten Bowman (2001 – Odyssee im Weltall). Der Zug, in dem Kevins böser Zwilling Clu – ebenfalls Jeff Bridges, nur digital verjüngt – seine Armee versammelt? Star Wars Episode II – Angriff der Klonkrieger. Michael Sheen gibt eine Mischung aus Neon-Chaplin und Bowies Ziggy-Stardust-Zeit. Und so geht es endlos weiter. Ein Film von Nerds für Nerds, aber leider ohne Nerd-Charme.

Das Beste, was man tun kann? Sich an den beeindruckenden 3D-Effekten erfreuen. Aber dazu ist Tron: Legacy dann wieder zu aufgebläht mit vermeintlich ernsten Themen: Holocaust, ein Gotteskomplex, ein verlorenes Paradies. Auch nach diesem Film gab es reichlich Gelegenheit vor dem Kino im Berliner Winter zu stehen und sich den Kopf zu kratzen.

Tron: Legacy • USA 2010 · Regie: Joseph Kosinski · Darsteller: Jeff Bridges, Garrett Hedlund, Olivia Wilde, Bruce Boxleitner

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