21. Oktober 2013

Feucht und schleimig

„The Whisperer in Darkness“ – Ein Lovecraft Fan-Film

Lesezeit: 3 min.

Das Treiben des extrem rührigen und inzwischen mehr als semiprofessionellen amerikanischen Fanclubs The H. P. Lovecraft Historical Society (www.cthulhulives.org) erschöpft sich nicht darin, der Verehrung des Horrorschriftsteller-Idols und Weltenschöpfers Lovecraft durch den Vertrieb von mit Tentakelmonstern bedruckten T-Shirts oder Fischmenschen-Kaffeetassen Ausdruck zu verleihen. Vielmehr nimmt man die im Vereinsnamen gesetzte Verpflichtung des Historischen ernst und erarbeitet Filme und Audioproduktionen, die nicht einfach Lovecrafts literarische Vorlagen adaptieren, sondern den Adaptionen eine zeitgenössische Patina verpassen. Die Hörspiele sollen so klingen, wie sie als Radio­übertragungen zum Zeitpunkt der Niederschrift der jeweiligen Geschichte (also in den Zwanziger- und Dreißigerjahren) geklungen haben könnten.

Mit dem ersten großen, werkgetreuen und eben vergangenheits­gemäß akkuraten Filmprojekt The Call of Cthulhu schufen die engagierten historistischen Lovecraft-Adlaten 2005 eine dementsprechend schwarz-weiße, stumme und knisternd-kratzig auf alt getrimmte filmische Version der 1926 verfassten Kurzgeschichte, mit zwischengeschnittenen Texttafeln, blassgeschminkten Gesichtern, viel Kajal um die oft sehr weit aufgerissenen Darstelleraugen, expressiver Gestik, expressionistischer Kulisse und einem entzückend im Stop-Motion-Verfahren animierten Knetgummi-Krakengott. Natürlich sieht man dem Film an, dass es sich um ein Amateurprojekt handelt, aber das Unvollkommene, Windschiefe und Amateurhafte fällt niemals zu penetrant und offenkundig ins Auge – der Charme, die schlüssige Schönheit und die liebevolle Leidenschaft werden an keiner Stelle von dem Geldmangel geschuldeten Schwächen oder bescheidenem schauspielerischem Talent ernstlich gestört. Mit einigem Recht kann man also nicht nur von einem guten Film, sondern auch von einer besonders gelungenen Lovecraft-Verfilmung sprechen (zumindest so lange, wie die erste richtig ordentliche und angemessene filmische Annäherung an die nihilistische Horror-Mythologie der Großen Alten noch auf sich warten lässt; vielleicht erfüllt Guillermo del Toro mit seiner geplanten Umsetzung von »At the Mountains of Madness« in Bälde die Erwartungen).

2011 legte die Society dann gewaltig nach. »The Whisperer in Darkness«, eine der abgefahrensten Lovecraft-Erzählungen überhaupt, wurde 1931 im Pulp-Magazin Weird Tales veröffentlicht. In jenem Jahr waren die Filme noch immer schwarzweiß, konnten aber schon sprechen. Also adaptierte man den »Flüsterer« als farblosen Tonfilm und mit erkennbar größerem tricktechnischem und finanziellem Aufwand. Die Handlung dreht sich um fliegende Riesenkrebse aus dem Weltall, deren böses, auf die Übernahme der Erde ausgerichtetes Treiben von menschlichen Verbündeten beziehungsweise in den kosmischen Horror eingeweihten Kultisten unterstützt wird.

In diesem so runden wie grotesken Mix aus Science Fiction und Horror bricht sich Letzterer vornehmlich durch die immensen chirurgischen Fähigkeiten der außerirdischen Monster Bahn, was von den Filmemachern auch dankbar aufgegriffen und konsequent ausgespielt wird. Das Drehbuch weicht, wann immer es nötig ist, selbstbewusst von der Vorlage ab und ergänzt die Handlungsdetails der (recht langen) Kurzgeschichte, die sich um einen Ich-Erzähler herum wesentlich in Dialogen, Briefen und Gedanken entfaltet, um Action, zusätzliche Charaktere und die ein oder andere neue Pointe (bei Lovecraft gibt es nur eine, und diese ist im Film nur die erste von circa vieren).

Auch The Whisperer in Darkness ist natürlich keine Hollywood-Standards genügende Produktion (besonders der Ausstattung von Innenräumen beziehungsweise gerade deren Fehlen sieht man das schmale Budget an), und man könnte das Ganze eh als heftig donnerndes Nerd-Gewitter abtun, das es zweifelsohne auch darstellt. Aber dazu ist der Film einfach zu gut, und zwar zuallererst auf eine sehr basale Art und Weise: Drehbuch, Dramaturgie, Dialoge und Darsteller funktionieren einfach perfekt. Die Seltsamkeit der Kreaturen ist nicht unzureichenden Spezialeffekten, sondern den abstrusen physiognomischen Fantasien ihres literarischen Schöpfers zuzuschreiben. Lovecraft legt es als Autor nicht zuletzt darauf an, klare Visualisierungen seiner unförmigen Viecher zu verhindern; die Wesen sind auch deshalb so furchtbar, weil ihre körperliche Erscheinung den menschlichen Verstand überfordert. Dessen Unterforderung kann man kaum vermeiden, wenn man den Dingern konkrete bildliche und bewegliche Gestalt verleiht.

Das macht Lovecrafts literarischen Kosmos auf eine nur oberflächlich betrachtet simple, nämlich bei näherem Hinsehen sehr perfide und tiefgründige Art streng genommen unverfilmbar. Es geht nicht darum, dass die Viecher albern aussehen, sondern um ein zwangsläufig ständig vor- und zurücktretendes Spiel mit der Vorstellung des Unvorstellbaren und dem Verhältnis von Wort und Bild. Wer sich darauf nicht einlassen mag, sollte es bei der Lektüre Lovecrafts belassen, die macht Spaß genug. Wer sich darauf einlassen mag, hat mit The Whisperer in Darkness eine Menge zusätzlichen Spaß.

The Whisperer in Darkness • USA 2011 · Regie: Sean Branney · Darsteller: Matt Foyer, Barry Lynch, Daniel Kaemon, Matt Lagan, Joe Sofranko

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