23. Februar 2013

Nichts für Kriegstreiber

„Endless Space“ – Ein Weltraumstrategiespiel

Lesezeit: 4 min.

Das Weltraumstrategiespiel erlebt zur Zeit eine kleine Renaissance, denn nachdem das Genre über längere Zeit hinweg nur wenige nennenswerte Titel hervorbrachte und nach und nach zu verstauben drohte, hat das Interesse an Science-Fiction-basierten Strategiespielen in den vergangenen Monaten wieder zugenommen, was wohl im Wesentlichen Erfolgstiteln wie dem Echtzeit-Strategiehit Sins of a Solar Empire zu verdanken ist. Im Gegensatz dazu folgt Endless Space – ähnlich wie die Genreklassiker der Master of Orion-Reihe – dem klassischen Prinzip der globalen Rundenstrategie. Der Spieler übernimmt die Herrschaft über eines von zehn Sternenreichen und beginnt von seinem Heimatplaneten aus mit der Kolonialisierung der Galaxis. Endless Space bietet dabei umfangreiche Einstellungsmöglichkeiten für die Spielumgebung, angefangen bei der Größe, dem Alter und der Form der Galaxis bis hin zur Sternendichte. Vielfältig ist auch die Auswahl an spielbaren Spezies, welche von dem obligatorischen Menschenimperium über die ebenso obligatorische kriegerische Alienrasse und einem Maschinenvolk bis hin zu originelleren Sternenvölkern reicht, wie etwa den ästhetikbesessenen Horatio, einem Volk narzistischer Klone, die nach der kompromisslosen Verschönerung des Universums streben, einer wissbegierigen Amöbenkultur oder auch einem Volk hochentwickelter Uhrwerke. Jedes dieser Völker verfügt über vollkommen individuelle Eigenschaften, Forschungszweige, Schiffsklassen und Boni, die sich im Laufe des bereits auf Karten mittlerer Größe äußerst langwierigen Spiels je nach Situation als Vorteil erweisen können.

Endless Space folgt dabei dem populären 4X-Prinzip für Strategiespiele: explore, expand, exploit, exterminate. Der Spieler erforscht andere Sonnensysteme und kolonialisiert diese, verwandelt die erschlossenen Planeten je nach Bedarf via Terraforming in industrielle, landwirtschaftliche oder urbane Welten, die je nach Spezialisierung Industriegüter produzieren, den Rest des Reiches mit Nahrung versorgen oder das sogenannte Dust erwirtschaften, ein von einer antiken Alienrasse hinterlassener Stoff, der in Endless Space als Währung fungiert. Doch selbstverständlich ist der Spieler auch nicht allein im Universum, und so trifft man nach und nach auf andere Sternenreiche, mit denen sich durch ein Diplomatiefenster Friedensverträge, Handelsabkommen und Allianzen abschließen lassen, sofern sie sich nicht durch zu aggressive Expansion und die Bündnisse des Spielers bedroht fühlen und dieser sich nach einer diplomatischen Eiszeit mit einer Kriegserklärung konfrontiert sieht. Das jedoch wirkt sich negativ auf die Zufriedenheit der eigenen Bevölkerung und das ohnehin komplexe wie sensible Wirtschaftssystem des eigenen Imperiums aus und kann schlimmstenfalls bewirken, dass selbiges vollends aus dem Ruder läuft, denn eine schlagfertige Raumflotte lässt sich in Endless Space nicht so schnell und günstig aufstellen wie in anderen Genrevertretern und erfordert sowohl Ressourcen und Personal als auch – je nach Schiffsklasse – lange Produktionszeiten. Beauftragt man also beispielsweise eine Industriewelt mit dem Bau mehrerer Kreuzer, so müssen laufende Entwicklungsprojekte, etwa zur Verbesserung der Infrastruktur des betroffenen Planeten, hintangestellt werden. Dies wiederum schwächt den Einfluss der eigenen Zivilisation, was zur territorialen Verdrängung durch den Einflussraum benachbarter Sternenreiche und abhängig von den eingestellten Siegbedingungen auf Dauer zu einer kulturellen Niederlage führen kann.

Wenn die eigenen Schiffe nach den mehrere Runden andauernden Raumreisen schließlich in einem von Feinden besetzten System ankommen, besteht allerdings nicht die Möglichkeit, die Flotte manuell zu befehligen, stattdessen wechselt das Spiel in eine Kameraansicht, in der sich allenfalls dem in mehrere Abschnitte eingeteilten Schlachtverlauf Strategien wie zu Beginn der offensive Einsatz von Langstreckenwaffen, der Einsatz defensiver Schildverstärker oder besser gleich ein Rückzug zuordnen lässt. Letztendlich errechnet sich der Ausgang aus den Hüllen- und Schadenspunkten der sich gegenüberstehenden Flotten, die sich durch den Einsatz sogenannter »Helden« erhöhen lassen. Die Helden stellen in Endless Space eine Art Trumpfkarten da, ihre Erfahrung lässt sich ausbauen und spezialisieren, wodurch sich der eine Held eher als Gouverneur eines Planeten eignet und dessen Produktivität und Loyalität erhöht, der andere hingegen als Flottenkommandeur eingesetzt werden kann, was den erwähnten Punkte-Boost zur Folge hat.

Eine tiefere Rolle spielen die Helden nicht, generell mangelt es Endless Space leider an einer tiefgreifenden Hintergrundgeschichte, und über eine Kampagne verfügt das Spiel nicht. So sticht der Titel allein durch seine im Vergleich zu anderen Spielen hohe Komplexität des Entwicklungssystems hervor, durch den überaus großen, in unterschiedliche Bereiche aufgeteilten Forschungsbaum, die vielseitigen diplomatischen Möglichkeiten sowie seine logistischen Anforderungen. Bedauerlich ist auch die sehr eingeschränkte Kontrollmöglichkeit der eigenen Schiffe, denn während man in Sins of a Solar Empire die Möglichkeit hatte, von der Gesamtansicht bis auf jedes einzelne Schiff hinabzuzoomen und dessen Einsatz zu kontrollieren, werden die Einheiten in Endless Space durch Schiffssymbole dargestellt, denen man allenfalls einen Zielpunkt auf der galaktischen Karte zuweisen kann. Ein Spiel auf mehreren Ebenen ist dadurch nicht möglich.

Einen besonderen Wert scheinen die Entwickler jedoch auf die reine Ästhetik des Spiels gelegt zu haben, denn nicht nur die phantasievolle Gestaltung der einzelnen Völker, auch die Hintergrundmusik und die glöckchenhaften Bedienungsgeräusche geben dem Gameplay eine stimmige Atmosphäre. Über besondere Effekte verfügt das Spiel von den vereinzelten Raumschlachten in der Videoansicht abgesehen nicht, hat diese auch gar nicht nötig, denn Endless Space enthält keine nennenswerte Action. Stattdessen brütet der Spieler von Runde zu Runde über der Spielkarte, wartet auf den Abschluss laufender Entwicklungen, die Ankunft von zwischen den Systemen reisenden Schiffen und hofft, dass die Piraten, die sich schon wieder im eigenen Herrschaftsgebiet bewegen, nicht die ohnehin in der Entwicklung hinterherhinkende Industriewelt überfallen. Logistisch denkende Strategen mit diplomatischem Gespür kommen in diesem Spiel weiter als Kriegstreiber, die versuchen, die Galaxie zu überrennen. Die Atmosphäre und sein Anspruch sind am Ende jene Merkmale, durch die sich das Spiel deutlich von ähnlichen Titeln abhebt und die es trotz des bisweilen eintönigen Spielgeschehens letztendlich interessant und spielenswert machen.

Endless Space • Iceberg Interactive · 4X-Rundenstrategiespiel · PC, Mac

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