24. August 2013

Vollblutkünstler

„Creepy Presents: Richard Corben“ – Eine bemerkenswerte Gesamtausgabe

Lesezeit: 2 min.

Underground-Comix? Frühe Graphic Novels? Marvel-Ikonen wie der Hulk oder der Punisher? Urzeit-Schönheiten und mörderische Irre? Poe und Lovecraft? Conan? Hellboy? Völlig egal! In den letzten fünf Dekaden hatte der amerikanische Comic-Künstler Richard Corben sie alle!

Dabei revolutionierte der unverwechselbare Pionier des Panel-Horrors bereits in den Siebzigerjahren die Koloriertechniken seiner Branche und perfektionierte letztlich die Wahrnehmung von Farbe als Stilmittel der neunten Kunst, währenddessen viele seiner Kurzgeschichten in so einflussreichen Magazinen wie dem französischen Métal Hurlant oder den berüchtigten amerikanischen Anthologietiteln Creepy und Eerie abgedruckt wurden. Aber auch in Schwarz-Weiß oder in Graustufen ist Richard Corben ein angesehener Meister und Visionär, steht er für den inhaltlichen, handwerklichen und nicht zuletzt auch technischen Wandel eines gesamten Mediums.

Aktuell ist der 1940 in Anderson, Missouri geborene Corben sogar produktiver denn je und legt Jahr um Jahr unermüdlich eine Vielzahl neuer Arbeiten vor. 2012 erschien beim US-Verlag Dark Horse, wo viele dieser neuen Werke eine Heimat finden, jedoch auch ein dicker Wahnsinns-Sammelband mit den vielseitigen Horror-Perlen der lebenden Legende eben aus den gerade schon genannten Warren-Flaggschiff-Magazinen Creepy und Eerie, die oft genug von Corbens Covern geziert wurden – sozusagen die ultimative Corben-Retrospektive aus den Bereichen Horror, Fantasy und Science Fiction, die neben dem ganzen unvermeidbaren Trash und kruden Zeug so manches Stück Comic-Historie präsentiert. Nicht jede Story sitzt. Doch wer viel probiert, darf auch mal daneben schießen oder in den matschigen Farbtopf greifen. Die Erfolge und Errungenschaften sind das zweifelsfrei wert.

Wie schon der Sammelband mit dem Schaffen von Corbens Legenden-Kollege Bernie Wrightson zeigt auch dieser über 300 Seiten starke Band Richard Corbens gesamtes Spektrum – und wieso er für die einen ein genialer Heilsbringer und für die anderen der Teufel schlechthin ist. Denn sein unverkennbarer Stil, ja seine gesamte Formsprache, fallen offensichtlich aus dem typischen Schema heraus, selbst wenn man den Zahn der Zeit, der genretypisch an nicht wenigen Geschichten nagt, einmal außer Acht lässt. Das ist immer unverwechselbar Corben, aber nun mal auch genauso leicht zu vergöttern wie zu verachten – das liebt man, oder das hasst man, dazwischen gibt es nichts.

Selbst Corben hat gemischte Gefühle, wenn er das ganze betagte Material in diesem Band ansieht, wie er verrät: Manche Arbeiten, so der Vollblutkünstler, würden dafür sorgen, dass er sich an die guten alten Zeiten erinnert, als er unbändige Energie und unbändigen Enthusiasmus besaß. Bei anderen Arbeiten in diesem ihm gewidmeten Creepy Presents-Hardcover beschäme es ihn hingegen eher, sie noch einmal zu sehen. Armselig gezeichnet und koloriert, täte es ihm regelrecht weh, sie anzuschauen, und er könne nur hoffen, dass die Leser über die Schlechten hinwegschauen und sich vor allem an die Guten erinnern werden.

Diese Garantie gibt man einem Comic-Titan wie Richard Corben angesichts dieser überfälligen definitiven Werkschau der gesamten Siebziger und frühen Achtziger gerne.

Creepy Presents: Richard Corben • Dark Horse, Milwaukee 2012 · 320 Seiten · $ 29,99

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