4. März 2014 2 Likes

Absturz eines Dschungelkönigs

Joe R. Lansdale decodiert Edgar Rice Burroughs Tarzan

Lesezeit: 2 min.

Tarzan war immer der Lieblingsheld von Genre-Gigant Philip José Farmer (1918–2009). Der tabulose Aufklärer von Fantasy und Science Fiction schrieb deshalb so manche Parodie auf Edgar Rice Burroughs weltberühmten Herrn des Dschungels, wobei vor allem der charmante Pastiche-Doppelpack „Sherlock Holmes und die Legende von Greystoke“ und selbstverständlich die sexuelle Decodierung „Lord Tyger“ genannt werden müssen.

Jetzt haben Farmers unvergessliche Tarzan-Persiflagen ernste Konkurrenz bekommen: Denn Joe Lansdales knappe Novelle „The Ape Man’s Brother“, die gerade in den USA in einer von Ken Laager illustrierten Hardcover-Ausgabe bei Subterranean Press erschienen ist, hat gute Chancen, sich als beste Tarzan-Entschlüsselung an die Spitze der Nahrungskette zu schwingen. Wirklich überraschend ist das nicht. Lansdale kann immerhin ebenfalls auf einige Expertise zurückgreifen, wenn es um den definitiven, seit mehr als 100 Jahren aktiven Dschungelhelden der Popkultur geht – bereits 1995 hatte man den umtriebigen Mr. Lansdale dazu auserkoren, ein unvollständiges Romanfragment von Edgar Rice Burroughs in einen offiziellen Tarzan-Roman zu verwandeln („Tarzan: The Lost Adventure“ reihte sich nach Burroughs Büchern sowie Fritz Leibers „Tarzan and the Valley of Gold“ in den Kanon ein).

In „The Ape Man’s Brother“ erzählt Lansdale nun aus der Sicht von Tarzans inzwischen vollständig zivilisiertem Vormenschen-Bruder, wie „The Big Guy“ – Der Große Kerl – nach einem Flugzeugabsturz in einer urzeitlichen Enklave als Waise aufwächst und schließlich aus dem gefährlichen Dschungel in die nicht weniger gefährliche Zivilisation gelangt – und letztlich an ihrem hochentwickelten Unverständnis und ihren scheinheiligen Mechanismen zerbricht, obwohl der unangepasste Wilde dort neben dem Alkohol auch „The Woman“ – Die Frau – findet und reichlich Film-Tantiemen kassiert (trotz des skandalösen Vorfalls mit dem Löwen am Set).

Lansdales in einer Alternativwelt angesiedelte Erzählung schafft spielend den Spagat zwischen Meta-Fiktion und eigener Pseudo-Realität und ist Entzauberung und Hommage zugleich. Frech, versaut, tragisch, pulpig, mit den Klischees und den Auswüchsen des Mythos spielend, genau auf den Punkt gebracht – und dabei doch immer durch und durch Lansdale, was die Sprache und den Ton angeht. ​

Ein weiteres Highlight aus der Feder des vielseitigen Texaners.

Joe R. Lansdale: The Ape Man’s Brother • Subterranean Press, 2014 • 103 Seiten

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