2. Mai 2014

„Ich will nicht Teil einer Debattenkultur sein“

Zombie-Thriller mit politischen Zwischentönen: Peter Huths „Berlin Requiem“

Lesezeit: 3 min.

Angeblich war das ja alles nicht so gemeint: Es gibt diese kleine Szene in George A. Romeros „Night Of The Living Dead“, in der man den Versprecher eines Radiojournalisten hört, der vom „Oberkommando der Streitkräfte in Saigon – Entschuldigung – in Washington“ spricht. Es sind diese Kleinigkeiten, die dem Film auch heute noch seine subversive, politische Kraft geben. „Das waren die 60er, Mann“, kommentierte Regisseur Romero später, „jeder hatte eine Botschaft.“ Die Schreckensgestalten in „Nacht der lebenden Toten“, die ehemals selber menschlichen Zombies, die sich nach der rätselhaften Infektion von Menschenfleisch ernähren, das sind wir selber, verantwortlich für die Morde an JFK und Martin Luther King, das Massaker in My Lai, die Schüsse der Nationalgarde auf die Demonstranten der Universität von Ohio. Spätestens seit Brad Pitts „World War Z“ aus dem letzten Jahr ist der Zombie als Filmfigur jedoch im Mainstream angekommen.

Peter Huth, als Jugendlicher ein Horrorfilm-Aficionado, heute als Chefredakteur der „B.Z.“ einflussreicher Boulevard-Blattmacher in der deutschen Hauptstadt, weiß das natürlich auch. Und wenn in seinem Zombieroman „Berlin Requiem“ (im Shop) eine Mauer um Neukölln und Kreuzberg gebaut wird, dann schwingt da die ganze deutsche Vergangenheit mit. Nicht nur die Todeslager der Nazis, auch der Schießbefehl an der Mauer, in den apokalyptischen Massenszenen klingen auch die rassistischen Progrome von Hoyerswerda und Rostock an, und die aktuelle Diskussion um Zuwanderung und Integration liefert den ideologischen Unterbau.

Denn in Peter Huths Berlin befällt der Zombievirus zunächst eine ganz bestimmte Bevölkerungsgruppe: Türken und Araber. Der gemeine Deutsche, im Roman repräsentiert durch die Journalisten Robert und Sarah, den Senderchef Christian – sie verbindet eine romantische Dreiecksbeziehung –, den populistischen Innensenator Olaf Sentheim und eine große Personage von Nebenfiguren, dieser gemeine Deutsche scheint vor dem Virus gefeit. Scheint!

In Olaf Sentheim kann man problemlos den ehemaligen Finanzsenator und jetzigen Bestsellerautor Thilo Sarrazin erkennen. Auch sonst ist Huths Berlins bis zur Kenntlichkeit verzerrt: Da gibt es eine Guttenberg-Figur, einen Strippenzieher à la Landowsky, aber auch die libanesischen Hehler und Heroindealer, die Neukölln unter sich aufteilten. Das ist zwar wenig subtil, hat aber dafür einen großen Unterhaltungswert, nicht nur für Kenner der Berliner Szene, etwa wenn sich Huth den Spaß macht, den Pannenflughafen „Willy Brandt“ zu einem funktionierenden Airport zu machen. Auch Fans der klassischen Romero-“Zombie“-Filme kommen mit dem Zitatpop des 44-Jährigen auf ihre Kosten.

Wo Thilo Sarrazin mit seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ versuchte, die Lufthoheit über den Stammtischen zu erobern, wo Akif Pirinçcis „Deutschland von Sinnen“ einfach nur Krawall veranstaltet, da versucht Huth durchaus noch, politisch zu argumentieren. In einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ hatte der Ex-Senator 2010 behauptet, es würde ein „Juden-Gen“ geben. Diese biologistische Sichtweise erboste Peter Huth so sehr, dass sie den Anstoß für seinen Zombieroman lieferte. Vier Jahre arbeitete er an dem Skript, auch dass der Autor Alexander Odin im Februar 2013 mit „Pandämonium“ ein sehr ähnlich konzipiertes Buch vorlegte, stoppte Huth nicht.

„Ich will mit dem Roman nicht Teil einer Debattenkultur sein“, versichert Huth im Promo-Interview, aber die politischen Untertöne seines Romans sind doch deutlich. In den 80er Jahren schmuggelte der in Kleve geborene Huth unzensierte Horrorfilme aus den Niederlanden nach Deutschland und die Versicherungen Romeros, seine Zombiefilme seien gar nicht so politisch gemeint, die kennt der „B.Z.“-Chef wohl auch.

Um mal eine Hausnummer zu nennen: „Berlin Requiem“ ist besser als die in ihrer Qualität stark schwankende TV-Serie „Walking Dead“, aber an die großartige Comicvorlage dazu kommt Peter Huth dann doch nicht ganz ran.

Peter Huth: Berlin Requiem • Heyne, München 2014 • 332 Seiten • €9,99 (im Shop)

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