9. Oktober 2014 3 Likes 4

Ich backe mir eine neue Erde

Terraforming auf dem Mars – eine Kolumne von Judith Homann

Lesezeit: 3 min.

Der Traum, andere Planeten zu besiedeln, ist wohl beinahe so alt wie die Astronomie selbst. Erste tollpatschige Überlegungen zur Besiedelung des Mondes wurden mit wissenschaftlichen Erkenntnissen schnell wieder ad acta gelegt, doch bald wanderte der Blick der Visionäre auf unseren roten Nachbarn.

Mars ist der Erde in vielerlei Hinsicht nicht unähnlich: Die Länge der Tage (Sols) und die Neigung der Achse sind fast identisch, und solare Einstrahlung und Schwerkraft wären auf dem Mars immerhin noch nicht im lebensfeindlichen Bereich. Bleibt nur ein winziges Problem:

Mars ist eine bescheiden kalte Wüste aus Gestein, Staub und Permafrost ohne nennenswerte Atmosphäre.

Seit Jahrzehnten beschäftigen sich daher Forscher und Denker mit verschiedensten Theorien, den unseren Nachbarplaneten bewohnbar zu machen. Der erste Ansatzpunkt ist bei vielen die fehlende Atmosphäre, da eine solche gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen würde, nämlich Luft zum Atmen und Erwärmung durch einen Treibhauseffekt.

Da gibt es Ansätze, mit Spiegeln das einfallende Sonnenlicht zu verstärken, durch auf die Polkappen aufgebrachte Staubschichten die Albedo (das Reflektionsvermögen) des Planeten zu verringern, oder gar CO2- und Wassereis in großen Tiefen durch nukleare Sprengungen verdampfen zu lassen. Manche gehen davon aus, man müsse den Mars nur genug erwärmen, um flächendeckend CO2-Eis zu sublimieren. Das gasförmige CO2 würde dann einen ausreichenden Treibhauseffekt auslösen, um schließlich auch das vorhandene Wassereis zu schmelzen und somit einen Wasserkreislauf in Gang zu setzen. Noch andere Theorien denken an die Ansiedlung von Flechten und Moosen, die das CO2 in der Luft zu Sauerstoff umwandeln könnten.

Die meisten dieser Ideen scheitern schlicht an ihrer Durchführbarkeit, an den Kosten oder an nicht bedachten Details. Vegetation würde auf dem Mars zum Beispiel von der hohen UV-Strahlung schlicht weggebrannt. Aber es gibt ein viel größeres Problem, das viele Theorien gar nicht beachten: Wieso hat Mars eigentlich keine richtige Atmosphäre?

Viele Forscher sind sich heute einig, dass das nicht immer so war. Messungen deuten darauf hin, dass Mars nach seiner Entstehung, etwa gleichzeitig mit der Erde, genau wie unser Heimatplanet eine dichte und wärmere Atmosphäre hatte. Was ist also mit ihr passiert? Was unterscheidet den Mars von der Erde?

Zuerst einmal seine Größe: Mars wiegt nur etwa ein Zehntel einer Erdmasse und hat dadurch eine wesentlich geringere Gravitation. Das bedeutet, dass seine Anziehungskraft auf Partikel in seiner Nähe deutlich schwächer ausfällt. Er könnte also von vorn herein keine so dichte Atmosphäre wie unsere erhalten – die Gasmoleküle würden sich schlicht in den Weltraum davon machen.

Deutlich interessanter ist aber ein Ereignis, das vor vier Milliarden Jahren stattgefunden hat – der Zusammenbruch des Magnetfeldes.

Das irdische Magnetfeld wird hauptsächlich durch Bewegungen und Ströme im flüssigen Teil des Erdkerns aufrechterhalten, die wiederum von Temperatur- und Dichteunterschieden angetrieben werden. Unser Magnetfeld dient hauptsächlich dazu, enorm energiereiche Partikelströme von der Sonne um uns herum zu lenken. Träfen diese Sonnenwinde uns direkt ohne unseren Schutzschild, würde die Atmosphäre förmlich weggeblasen. Genau das ist auf dem Mars geschehen, als sein Magnetfeld zusammengebrochen ist. Seither nagen die Sonnenwinde an seiner Atmosphäre und verhindern somit auch, dass wir je eine funktionierende Lufthülle um unseren Bruderplaneten herum aufbauen könnten, solange wir nicht die Möglichkeit haben, ihm auch ein künstliches Magnetfeld zu geben.

Vorerst könnte ein Leben auf dem Mars also nur in hermetisch abgeriegelten, geschlossenen Systemen möglich sein. Ein luftiger Spaziergang auf dem Mars, dessen Bodentemperatur in den letzten Tagen sogar milde 14° erreicht hat, bleibt also erstmal der Stoff für Sci-Fi-Romane. Außer an den Füßen hat man es aber bei Lufttemperaturen von 2° C tagsüber trotzdem nicht besonders warm, und bei Nachttemperaturen von knapp -80° C würde selbst der mutigste Marspionier vermutlich lieber daheim am Kamin sitzen und die Nase in ein Buch stecken.

Judith Homann macht gerade ihren Master in Meteorologie an der Universität Innsbruck und interessiert sich auch für extraterrestrische Wetteraktivitäten.
 

Der große Mars-Roman von Andy Weir, „Der Marsianer“ (im Shop), ist gerade erschienen und wird in allen seinen Aspekten in der Themenreihe Roter Oktober auf diezukunft.de vorgestellt.

Kommentare

Bild des Benutzers Shrike

Ich mag diese Ausführungen, die auch ein Nichtwissenschaftler wie ich verstehen kann, danke dafür. Aber ich MUSS einfach weiterfragen:
Das Magnetfeld des Mars ist also zusammengebrochen. Ich gehe davon aus, wir forschen nach dem Warum. Wurde es auch durch Bewegungen und Ströme im flüssigen Teil des Marskerns aufrechterhalten? Oder gibt’s andere Konstellationen, die einem Planeten ein Magnetfeld geben? Was hat die Situation verändert? Haben vielleicht doch vor mehr als vier Milliarden Jahren kleine grüne Männchen den Mars bewohnt und ihn rücksichtslos ausgebeutet, verändert, geplagt und schließlich zu dem gemacht, was er heute ist: eine bescheidene, kalte Wüste aus Gestein, Staub und Permafrost.
Dann tippe ich mal ganz frech darauf, dass wir deren Nachfahren sind.
Oder war es ein Ereignis von außen, das den Marskern nicht mehr flüssig bleiben ließ? Oder ist das so eine Art Alterserscheinung für einen Planeten? Siehe "Timeline oft he far future", die Veröffentlichung der BBC, auf die Sebastian Pirling in Lesefutter 3.10.14 hingewiesen hat. In 2.300.000.000 Jahren wird das Magnetfeld der Erde zusammenbrechen (wenn niemand vorher nachhilft).
Die Forscher und Denker sich bestimmt sowohl am Mars, als auch an der Erde „dran“. Liebe Judith Homann, wenn ich wieder etwas in Ihrer verständlichen Sprache zu lesen kriege, freue ich mich riesig. Bis dahin gehe ich halt jetzt mal zum Tag der offenen Tür nach O`hofen. Da verstehe ich zwar vermutlich nur (Weltraum)Bahnhof aber neugierig bin ich trotzdem darauf.

Bild des Benutzers Judith

Erstmal freue ich mich sehr über das große Lob und Interesse - vielen Dank!

Dann muss ich ganz ehrlich sagen - ich bin ja nun weder "richtiger" Physiker, noch Astronom, also so 100% ist das Magnetfeld jetzt nicht mein Spezialgebiet.
Soweit ich weiß, sind sich die Forscher tatsächlich unschlüssig, warum das Magnetfeld zusammengebrochen ist. Man weiß nur, dass es vor etwa 4Mio Jahren passiert ist, das kann man durch Einschlagkrater mit nicht-magnetisiertem Material gut datieren.
Aber warum - keine Ahnung, vielleicht doch die grünen Kollegen ;-)

Und keine Sorge, noch geht mir der Stoff nicht aus! =)

Bild des Benutzers Horusauge

Eine sehr interessante und lesenswerte Kolumne, vielleicht gibt es ja eine Fortsetzung.

Bild des Benutzers Elisabeth Bösl

An einer Fortsetzung hab ich keine Zweifel - gibt soooo viel Wetter in den unendlichen Weiten des Alls!

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