21. Oktober 2014 2 Likes 4

Mars mit Tradition

Zehn sehr empfehlenswerte Mars-Romane

Lesezeit: 8 min.

Bemannte Missionen zum Mars sind ein lang gehegter Menschheitstraum, der allen Bemühungen zum Trotz bisher nur in der Science Fiction Wirklichkeit geworden ist – zuletzt in Andy Weirs spannendem Hard-SF Debüt „Der Marsianer“ (im Shop). Im Roten Oktober wollen wir euch zehn weitere Mars-Romane vorstellen, die einerseits bekannt sind, andererseits oft nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdient haben. Viel Vergnügen beim Lesen!

 

1. Kurd Lasswitz: „Auf zwei Planeten“

Den Anfang macht der Deutsche Phantastik-Autor Kurd Lasswitz mit seinem voluminösen „Auf zwei Planeten“ (bei Amazon.de kostenlos erhältlich): Polarforscher entdecken am irdischen Nordpol eine Forschungsstation, die, wie sich schnell herausstellt, nicht irdischen Ursprungs ist, sondern von den Martiern betrieben wird. Diese kommen vom vierten Planeten unseres Sonnensystems, dem Mars, und sind den Menschen technisch weit überlegen. Davon kann sich einer der Forscher bald selbst überzeugen, denn er wird eingeladen, den Mars zu besuchen. Dort findet er eine in jeder Hinsicht hochstehende Zivilisation vor. Und dennoch streben die Martier nach schnöder Macht: Sie wollen die vermeintlich schwache Erde unterwerfen, doch das stellt sich als gar nicht so einfach heraus …

 

2. H. G. Wells: „Krieg der Welten“

Zeitgleich mit Kurd Lasswitz‘ Roman, nämlich 1897, veröffentlichte auch der Brite H.G.Wells seinen Mars-Roman „Krieg der Welten“ in Fortsetzungen im Pearson’s Magazine, und dank zahlreicher Verfilmungen ist Wells Titel der wesentlich bekanntere von beiden. Beide Romane ähneln sich thematisch sehr: Die Marsianer kommen auf die Erde, um die Menschheit zu unterwerfen. Doch während Wells Marsianer durch irdische Kleinstlebewesen schließlich dahingerafft werden und am Ende nichts mehr übrig bleibt als Dreibein-Schrott und die Ungewissheit, wann die Invasoren das nächste Mal zuschlagen werden, widmet sich Lasswitz in seinem Roman auch Leben und Kultur auf dem Mars, beschreibt die Landschaft, in der die gebildeten, hochintellektuellen Marsbewohner ihren Gedanken nachhängen, und nicht zuletzt die futuristische Technologie unserer Nachbarn, die den Erdenmenschen wie ein Wunder erscheint.

 

3. Ray Bradbury: „Die Mars-Chroniken“

Ray Bradbury war zwar nicht der erste, der bemannte Missionen zu Kolonisierungszwecken auf den Mars schickte, aber seine Novellensammlung „Die Mars-Chroniken“ gehören, wie Stephen King bereits anmerkte, sicherlich zu den gruseligsten Marsianer-Geschichten. Bradbury beschreibt mehrere Kolonisierungswellen von der Erde zum Mars, auf dem nichts ist, wie es scheint. Und auch der Mars selbst ist alles andere als unbewohnt, doch die Marsianer verfügen über Kräfte, die denen der Menschen völlig fremd (und daher überlegen) sind. Sie entledigen sich der ersten Missionen auf unheimliche und kuriose Weise, bis sie schließlich von einer sehr menschlichen Krankheit dahingerafft werden. Doch damit sind die Probleme der Erdlinge alles andere als gelöst …

„Die Mars-Chroniken“ sind bis heute ungemein erfolgreich und wurden für das Fernsehen, Radio und die Oper (!) adaptiert und es gibt einige der Stories als Comics – hier also in wenigen Sätzen zu verdeutlichen, was das Besondere an dieser Novellensammlung ist, ist beinahe ein Ding der Unmöglichkeit. Mich haben diese Geschichten, die alle einen ganz besonderen Twist im Plot haben, immer schon beeindruckt, vor allem dadurch, dass nichts so ist, wie es scheint, und man permanent alles, was Bradbury uns erzählt, hinterfragen muss, will man nicht in die Wahrnehmungsfallen tappen, die der Autor uns stellt. Der Kontakt mit einer völlig fremden Kultur ist geprägt von fatalen Missverständnissen auf beiden Seiten. Zunehmend rücken die Ängste und Sorgen, auch politischer Natur, der Menschen in den Vordergrund – Bradbury schrieb die „Mars-Chroniken“ mitten im Kalten Krieg, 1950 erschienen sie gesammelt, einige waren davor bereits in Zeitschriften veröffentlicht worden. So nimmt es wenig Wunder, dass Bradburys Mars eine Projektionsfläche für die Ängste und Wünsche der Menschen ist und weniger als wissenschaftlich zu erforschendes Objekt dargestellt wird.

 

4. Arthur C. Clarke: „Projekt Morgenröte“

Je weiter die Entdeckungen der Wissenschaft bezüglich unseres roten Nachbars voranschreiten, desto weniger romantisch erscheint der Mars – und desto unbewohnter: In Arthur C. Clarkes 1951 erschienenen Roman „Projekt Morgenröte“ (im Shop) ist der erste Marsmensch jedenfalls der Schriftsteller Martin Gibson, der als PR-Gag mit dem ersten Passagierschiff einen Flug zum Mars unternimmt. Beim Training auf der Raumstation Eins, von der alle Flüge zum Mars starten, lernt er den jungen Astronauten Jimmy ​Spencer kennen, der ihm als „Aufpasser“ zugeteilt wird und alle Fragen Gibsons beantwortet. Auf dem Mars angekommen besucht Gibson die Station bei Port Lowell. Was er dort sieht und erlebt ist so einzigartig, dass Gibson beschließt, für immer auf dem Roten Planeten zu bleiben …

 

5. Robert A. Heinlein: „Fremder in einer fremden Welt“

Ein öder und leerer Mars mag wissenschaftlich korrekt sein, aber nicht immer spannend. Deswegen gibt es 1961, also zehn Jahre nach Clarkes „Projekt Morgenröte“, bei Robert A. Heinlein wieder Marsianer. Sicher, Heinleins großer Klassiker spielt eigentlich auf der Erde, aber interessant an der Geschichte von Michael Valentine Smith ist unter anderem, dass auch Heinlein die Marsbewohner als uns Menschen überlegen schildert – weniger in technischer denn in philosophisch-mentaler Hinsicht. Ihre Lebensweise unterscheidet sich fundamental von der Gesellschaft, die der von Marsbewohnern aufgezogene Michael Valentine Smith auf der Erde vorfindet (und in diesen seine Zeit und die prüde, doppelmoralische amerikanische Gesellschaft ironisch überzeichneten Schilderungen hat Heinleins „Fremder“ die in meinen Augen stärksten Momente). Smith verwendet seine auf dem Mars entwickelten mentalen Kräfte, um unsere Welt und Gesellschaft zu verändern, und wird dadurch zu einer Art Messias. Doch damit macht er sich nicht nur Freunde …

 

6. Frederik Pohl: „Mensch +“

Dass es die Menschheit durchaus beträchtliche Opfer kosten könnte, auf dem unwirtlichen Roten Planeten zu überleben, wird selten so deutlich wie in Fred Pohls (im Shop) 1976 erschienenem Roman „Mensch +“: Der Kalte Krieg wird immer heißer, und die einzige Hoffnung auf Rettung ist die Kolonisierung unseres Nachbarplaneten. Doch die Lebensbedingungen dort sind alles andere als verträglich für den Menschen. Ewiges Verkriechen in unterirdischen Habitaten kommt auf lange Sicht jedenfalls nicht infrage, deswegen entwickeln eine ganze Reihe Wissenschaftler in den USA einen anderen Ansatz: Wenn sich der Mars nicht verändert, müssen sich eben die Menschen verändern. Roger Torroway wird auserkoren, sich einer Reihe von Eingriffen aller Art zu unterziehen, um der erste Marskolonist zu werden. Diese Eingriffe verändern nicht nur seinen Körper extrem – er ist auf den ersten Blick nicht mehr als Mensch erkennbar, hat keine Geschlechtsorgane mehr und ein paar Flügel, um nur einige der Veränderungen zu nennen -, sondern auch Torroways Verhalten seiner Umwelt und seiner Frau gegenüber. Die Frage, was eigentlich einen Menschen ausmacht und wie leicht es ist, jemanden komplett zu entfremden, zu einem scheinbaren Monster zu machen, exerziert Pohl an seinem gequälten Hauptcharakter, der am Ende zwar nicht zu seiner Menschlichkeit zurückkehrt, sondern etwas in sich entdeckt, das vielleicht das marsianische Pendant dazu ist …

 

7. Ben Bova: „Mars“ und „Rückkehr zum Mars“

Ben Bova hat in seiner Sonnensystem-Reihe (im Shop) beinahe jeden Planeten bereist, doch den Mars besuchte er gleich zweimal: Die erste bemannte Mars-Mission, der auch der Geologe Jamie Waterman angehört, kann nach jahrelangen Querelen und Finanzierungsproblemen endlich starten. Die Wissenschaftler wollen alles daran setzen, den Wert künftiger Missionen zu untermauern, und untersuchen alles, von den Mariner-Gräben bis zum Gipfel des Olympus Mons. Doch obwohl sich ihre Ergebnisse mehr als nur sehen lassen, kommt eine weitere Expedition erst dann zustande, als Multimilliardäre sie aus eigener Tasche finanzieren. Deswegen kommt es, wie es kommen muss: Damit Jamie auf den roten Planeten zurückkehren kann, muss er untersuchen, inwiefern sich der Mars als Touristenattraktion eignet. Dass sich sein finanzieller Gönner ebenfalls mit an Bord befindet und beide in dieselbe Frau verliebt sind, macht die Rückkehr zum Mars nicht gerade einfacher.
Bova kombiniert zwei Themen, die sich zunehmend in diversen Mars-Romanen auftun: Zum einen die wissenschaftliche Erforschung des roten Planeten, zum anderen kommerzielle Interessen, die in Zeiten knapper Kassen immer wichtiger werden und in den Vordergrund rücken.

 

8. Greg Bear: „Heimat Mars“

Greg Bear ist uns, wie immer, einen Schritt voraus: In seinem Roman „Heimat Mars“ (im Shop) kämpfen die Nachfahren der ersten Marskolonisten im 22. Jahrhundert um ihre politische Unabhängigkeit von der Erde und gegen das auf dem Mars herrschende System. Denn die ersten Kolonisten, die noch in riesigen, unterirdischen Habitaten begannen, den Mars zu terraformen, entwickelten ein System der Selbstverwaltung, in dem größeren Familienverbände das Sagen haben. Der Mars ist inzwischen durch Terraforming soweit bewohnbar – zwar sucht man grüne Auen nach wie vor vergeblich, aber immerhin ist Leben an der Oberfläche in den gigantischen Kuppelstädten möglich. Eine Familie will das herrschende System abschaffen und die politische Macht zentralisieren. Die junge Studentin Casseia Majumdar kämpft an vorderster Front und erlebt so die Veränderungen auf dem roten Planeten hautnah mit – und muss sich zunehmend auch mit den politischen Absichten der Erde, die sie nur aus Erzählungen kennt, herumschlagen.
Bears „Heimat Mars“ erschien zeitgleich mit Kim Stanley Robinsons erstem Mars-Roman „Roter Mars“ 1993 und muss sich seitdem den Vergleich mit der wesentlich breiter angelegten Robinson-Trilogie gefallen lassen. Sicher, im Vergleich zu Robinsons Epos über die Kolonisierung des Mars wirkt Bears Büchlein wie ein Tropfen auf dem heißen Stein, aber lassen Sie sich nicht täuschen: Bears „Heimat Mars“ ist Space Opera, Coming-of-age-Geschichte und Politthriller in einem, und gerade durch diese gekonnte Verbindung der Genres besticht „Heimat Mars“ für mich an manchen Tagen mehr als Robinsons Trilogie – aber das ist, wie gesagt, von meiner Tagesform abhängig.

 

9. Gregory Benford: „Das Rennen zum Mars“

Nach und nach schiebt sich die Frage in den Vordergrund, wie die Menschheit den Mars überhaupt erreichen soll? In Zeiten der drastischen Budget-Kürzungen bei der NASA stand jedenfalls für einige Autoren fest, dass von offizieller Seite nicht viel zu erwarten sein wird. Der prominenteste Vertreter dieser These ist Gregory Benford, und wie das aussehen könnte, schildert sein Roman „Das Rennen zum Mars“ (im Shop): Die erste bemannte Mission zum Mars verläuft also ganz anders, als sich das viele vorstellen: Da der NASA die nötigen Mittel fehlen, wird ein Preisgeld ausgesetzt für denjenigen, der als erster Bodenproben vom Mars zur Erde bringt. Der amerikanische Unternehmer John Axelrod wirbt Astronauten an und baut ein Schiff, ein chinesisch-europäisches Konsortium macht ihm dabei Konkurrenz. Beide Schiffe erreichen den Mars, beide nehmen Proben - doch dann wird Axelrods Rückkehrfahrzeug so schwer beschädigt, dass die Astronauten nicht mehr zur Erde zurück können. Ein Ersatzfahrzeug von der Erde könnte die Männer retten, aber Axelrod ist pleite und kann die Mission nicht finanzieren …

 

10. John Varley: „Roter Blitz“ und „Roter Donner“

Auch für den Texaner John Varley war klar, dass es private Unternehmen sein werden, die den gewaltigen Flug zum Nachbarplaneten antreten werden. Daraus strickt er den spannenden Zweiteiler „Roter Blitz“ und „Roter Donner“ (im Shop): Als China mit einem Raumschiff Kurs auf den Mars nimmt, nehmen die USA die Herausforderung an und starten selbst eine Rakete. Doch unbemerkt von den Großmächten macht sich noch ein drittes Schiff startfertig – gebaut von einem Ex-Astronauten, einem Genie und vier Teenagern. Ein unglaubliches Rennen im Weltall nimmt seinen Lauf – Achtung, Spoiler! - und endet mit der erfolgreichen Besiedelung des Mars. Doch dann erschüttert eine Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes die Erde: Ein nicht identifiziertes Objekt schlug in den Atlantik, der anschließende Tsunami machte die Küste Nordamerikas dem Erdboden gleich. Die Kinder der Marspioniere von damals machen sich auf den gefahrvollen Weg zurück zum Mutterplaneten, ungewiss, was sie dort erwarten wird …

Sicher, in einer Top-10-Liste alle grandiosen Mars-Romane unterbringen zu wollen ist vergebene Liebesmüh – dass Kim Stanley Robinsons Mars-Trilogie hier fehlt, ist allein dem Platz geschuldet. Welche Mars-Romane hättet ihr eigentlich noch mit auf die Liste gesetzt?

Der große Mars-Roman von Andy Weir, „Der Marsianer“ (im Shop), ist gerade erschienen und wird in allen seinen Aspekten in der Themenreihe Roter Oktober auf diezukunft.de vorgestellt.

Kommentare

Bild des Benutzers Shrike

Mensch Leute, bremst Euch ein. Das kann ich nicht alles so schnell lesen. Macht mir bloß keinen Jupiter-November oder sowas, sonst komm ich in Zeitnot.
Aber mal ehrlich, eine schöne Liste - danke dafür.

Bild des Benutzers Elisabeth Bösl

Na, die Bücher werden ja nicht schlecht - oder laufen im November ab! ;-)

Bild des Benutzers Johann Seidl

Danke für die klasse Übersicht :-)
Ergänzend der Hinweis auf ein wunderbares Büchlein der Salzburgerin Ulrike Schmitzer "Es ist die Schwerkraft, die uns umbringt". Wertvolles AddOn: Ein Lexikon der Astronautenfehler.

Bild des Benutzers Johann Seidl

Ich erinnere mich sehr schwach an "Weißer Mars" von Brian W. Aldiss und Roger Penrose. Aber keine Ahnung, ob der das Zeug für die Top 10 hätte ...

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