26. Oktober 2014 1

(Meistens) Miese Mars Movies

Der rote Planet auf Zelluloid

Lesezeit: 7 min.

Okay, nach der Liste von zehn Spitzen-Mars-Romanen mussten auch die besten Mars-Filme her. Kann ja so schwierig nicht sein. Doch schon nach einer Minute des Grübelns merkt man, ups, der eine große, tolle Mars-Film fällt einem ja gar nicht ein. Und nach zwei Minuten kommt man allmählich auf den Trichter, oje, so richtig tolle Mars-Filme gibt es eigentlich gar nicht, stattdessen aber einen zähen kleinen Strom höchst unterdurchschnittlicher bis grottendoofer Streifen, die sich auf knapp 100 Jahre Filmgeschichte verteilen.


Devil Girl from Mars (1954)

Nicht zu vergessen: Was ist eigentlich ein „echter“ Mars-Film? Irgendwie hatte ich nämlich das Gefühl, dass Filme, in denen die Marsianer vom roten zum blauen Planeten kommen, um diesen zu Klump zu schießen, nicht richtig zählen. Schließlich will man in einem Mars-Film den anderen Planeten ja auch in all seiner kargen Pracht sehen. Also wurden ganz schnell aus der Liste gestrichen: War of the Worlds (1953, 2005), Invaders from Mars (1953, 1986), Devil Girl from Mars (1954), IT! The Terror from Beyond Space (1958), The Day Mars Invaded Earth (1963), Mars Needs Women (1966) und Mars Attacks (1996). Was zumindest in zwei Fällen bedauerlich ist: Devil Girl from Mars ist schließlich einer der legendär abgefahren schlechtesten Filme aller Zeiten und Steven Spielbergs The War of the Worlds wohl locker der beste Science-Fiction-Film des Ex-Blockbusterkönigs.

Ebenfalls Opfer dieses Ausschlusskriteriums wurde natürlich Peter Hyams’ Capricorn One (1977), weil darin die Mars-Mission schließlich nur ein gigantischer Medien-Fake ist, den die hinterhältige US-Regierung anzettelt.

Nachdem das geklärt ist, kommen wir also zum spärlichen Rest.

Den Anfang macht natürlich Aelita (1924), ein russischer Stummfilm, über den sich längst der Schleier des Vergessens gelegt hätte, gäbe es da nicht eine Traum-Nebenhandlung, die auf dem Mars spielt. (Ja, ja, hätte man also auch streichen können, aber wir wollen mal nicht zu pingelig sein, gell?) Darin hat ein Ingenieur offenbar genug vom Elend der russischen Revolutionskriegszeit und fantasiert sich zum Helden einer Mars-Revolution. Da kann er dann die marsianische Sklavenhalterordnung so richtig auf den Kopf stellen, nur das Mädchen, das kriegt er leider nicht, denn die entpuppt sich als miese monarchistische Verräterin. Wer Spaß daran hat, kann sich auf YouTube die zusammengeschnittenen Mars-Szenen (knapp 20 Minuten) zu jazzigen Tönen anhören. Immerhin merkt man dann, warum der Film von Jakow Protasanow nicht gänzlich vergessen wurde, denn gerade diese Szenen haben offensichtlich u.a. Fritz Langs Metropolis beeinflusst.


Aelita (1924)

In den folgenden Jahrzehnten wurde die Science-Fiction in ihrer heutigen Form hinter den kreischenden Covern der Pulps geboren, eine hysterisch-irre Horde brauner Männlein lernte die Welt das Fürchten und gleich anschließend zettelte man statt eines heißen einen Kalten Krieg an, der auch das erste Goldene Zeitalter des SF-Films einleitete. Kommunisten-Paranoia und Sputnikschock waren u.a. auch die Geburtshelfer all der Marsianer, die vom roten Planeten aus vor allem Amerika das Leben schwer machte.

Und der Mars selbst? Den steuerte man in Rocketship X-M (1950) an, weil man zu blöd war, den Mond zu finden. Und dort, in der staubigen Wüste von Kalifornien, die als Marsoberfläche diente, fand man dann auch gleich die Überreste einer Mars-Zivilisation, die sich nach einem Atomkrieg selbst in die Steinzeit zurückgebombt hatte. Wie gesagt, der Kalte Krieg hatte gerade begonnen. Kurt Neumann, der später mit Die Fliege (1958) einen veritablen Klassiker des Genres inszenieren sollte, hatte legendärerweise nur eine Handvoll Dollar und 18 Tage Zeit, um Produzent George Pals Destination Moon zuvorzukommen, um den seinerzeit eine Menge Bohei gemacht wurde. Das interne Kino-Space-Race gewann dann auch die unfreiwillige Mars-Expedition um fast einen Monat. Vielleicht ein Grund, warum der Streifen 2001 immerhin für einen Retro Hugo Award nominiert wurde.


Conquest of Space (1955)

In Conquest of Space (1955) versuchte es derselbe George Pal, der zwischen 1950 und 1960 so eine Art SF-Film-Pate war, dann ganz seriös. Eine Mars-Expedition ganz auf dem Stand der Technik sollte Byron Haskin, mit dem Pal zwei Jahre zuvor den Krieg der Welten entfesselt hatte, für ihn inszenieren. Wohl ahnend, dass das etwas dröge werden könnte, säte er also eine Menge Unfrieden zwischen den Besatzungsmitgliedern, ehe die Crew ein zartes Pflänzlein auf dem Mars pflanzte. Nach Schneesturm und Marsbeben ging es schnurrstracks zurück zur Erde. Das Publikum dort war wenig angetan von Pals Versuch und wandte sich gelangweilt ab. Ein Mars ohne Marsianer? Who cares?

Aber der Mars ließ zumindest Byron Haskin nicht los. Knapp zehn Jahre später schickte er wieder Astronauten zum roten Planeten. Und Robinson Crusoe on Mars (1964) war dann auch ein deutlich gelungenerer und ambitionierterer Versuch, die Sache anzugehen. Man verlegte Defoes Klassiker auf den Mars, machte Robinsons Papagei zu einem Affen und Freitag zu einem Alien. Das Ergebnis war – bizarr – und nahm in mancherlei Hinsicht die klassische Star Trek-Serie vorweg, nicht zuletzt ästhetisch. Aber Robinson Crusoe on Mars war eben auch originell, was dem Film über die Jahre eine kleine Kultgemeinde einhandelte, die ihn liebevoll in Erinnerung behielt. (Was ihm 2007 sogar eine Aufnahme in die prestigeträchtige Criterion-Collection sicherte.) Ja, vielleicht haben wir hier wirklich (etwas notgedrungen, aber gut) unseren ersten Mars-Klassiker gefunden.


Robinson Crusoe on Mars (1964)

Wieder verging eine lange Zeit, bis sich die Filmemacher erneut auf den Mars trauten. Und wieder verließ man sich auf einen Klassiker, wenn auch auf einen weit jüngeren. Diesmal griff man zu Ray Bradburys The Martian Chronicles (1980), einer poetisch-kitschigen, aber ungeheuer beeindruckenden und einflussreichen Sammlung von thematisch zusammenhängenden Kurzgeschichten, die gegen Ende der 1940er entstanden waren, und machte eine TV-Miniserie daraus. Leider war es keine Sternstunde der TV-Geschichte, sondern „einfach langweilig“ wie Bradbury es selbst trocken und prägnant auf den Punkt brachte. Knapp fünf Stunden stolperten u.a. Rock Hudson, Roddy McDowall und Maria Schell hilf- und ahnungslos durch eine gruselig schlechte Adaption, die Richard Matheson (I am Legend) und Michael Anderson (Logan’s Run) verbockt hatten. Man sollte den Mantel des Schweigens darüber legen und kein überflüssiges Wort mehr verlieren.

1990 war dann Philip K. Dick an der Reihe, dessen Kurzgeschichte „We Can Remember It for You Wholesale“ in ein lärmendes Action-Vehikel für Arnold Schwarzenegger verwandelt wurde. Total Recall machte den Holländer Paul Verhoeven, der mit RoboCop (1987) eindrucksvoll sein Talent für intelligenten Ballerkram unter Beweis gestellt hatte, zum Top-Blockbuster-Regisseur, der für jede Million gut war, die man ihm in den Rachen warf. Und Total Recall war teuer, für die damalige Zeit sogar unfassbar teuer. Aber die Sache war es wert. Und selbst ein Hauch PKD blieb enthalten, denn am Ende blieb die (nicht wahnsinnig entscheidende) Frage doch zumindest ein klitzekleines bisschen offen: Hat Arnold S. seine gloriose Mars-Revolution, die „Scheidung“ von Sharon Stone und die dreibrüstige Silikonschönheit nur „geträumt“? Nun, darüber sollen spätere Gelehrte entscheiden. Wir nennen Total Recall einfach trotzdem ganz cool den zweiten Mars-Klassiker.


Total Recall (1990)

Zehn Jahre später war der Mars plötzlich „Hot Shit“, denn im Jahre 2000 kamen gleich zwei große „Mars-Filme“ in die Kinos. Den Anfang machte Mission to Mars von Brian De Palma, gefolgt von Red Planet von Antony Hoffman. Beide waren teuer, beide waren Flops. Beide verdienen keine Ehrenrettung. De Palma, der Gary Sinise (CSI: Isingdorf), Tim Robbins (The Shawshank Redemption) und Don Cheadle (L.A. Crash) auf den Mars schickte, fing verheißungsvoll an, verlor sich am Schluss aber in esoterischem Quark, der Erich von Däniken gewiss gefallen hat. De Palma, der nun wahrlich etliche Klassiker inszeniert hatte, war völlig fehl am Platze – und hat sich von dem Desaster nie so richtig erholt. Und von Red Planet blieb am Ende auch nur die Duschszene von Carrie Ann Moss (Matrix) in Erinnerung. Und dies, obwohl sie immerhin Val Kilmer, Tom Sizemore und Terence Stamp an der Seite hatte. Antony Hoffman durfte danach keinen Film mehr drehen. So kann’s gehen.


Stranded (2011)

Aber da das Thema „Mars“ nun schon mal im Raum stand, gab es natürlich auch die Nachzügler. Zum Beispiel Ghosts of Mars (2001), einem der vielen Tiefpunkte in John Carpenters Karriere. Wer immer die Gelegenheit hat, den Film zu verpassen, sollte es tun! Besser machte es die spanische Billig-Produktion Stranded: Náufragos (2001), die María Lidón auf den Weg brachte. Hier ging es um eine Astronauten-Crew, die auf dem Mars abstürzte und ums nackte Überleben kämpfte. Lidón besann sich immerhin auf das Machbare und hielt den Ball flach. Das macht ihren Film höchst sehbar – bezeichnen wir ihn mal als Geheimtipp in unserer kleinen Rückschau.

Da mittlerweile auch die Videogame-Industrie unseren Nachbarplaneten entdeckt hatte, folgten auch die unvermeidlichen Verfilmungen. Doom schaffte es 2005 unter der Regie von Andrzej Bartkowiak ins Kino (mit an Bord des öden Gemetzels waren u.a. Karl Urban, Rosamund Pike und Dwayne Johnson), Red Faction: Origins war 2011 an der Reihe und erlebte einen TV-Piloten für den SyFy-Kanal, dann war Sense. Für beide gilt: The less said…

2012 sollte dann die Stunde des Roten Planeten schlagen. Denn der mächtige Mäuse-Konzern hatte beschlossen, die alte „Barsoom“-Saga von Tarzan-Schöpfer Edgar Rice Burroughs zum Mega-Fanchise zu machen. Unter dem reichlich nichtssagenden Titel John Carter kam Andrew „Findet Nemo“ Stantons Realfilm-Debut im März 2012 in die Kinos und fand statt Nemo gleich den Weg in die Top Ten der größten Flops aller Zeiten. 250 Millionen (oder mehr, wer weiß das schon?) waren buchstäblich in den Sand gesetzt worden. Das war zwar nicht unbedingt fair, denn so mies war der Film dann auch nicht, aber spektakulär. Stanton hat daraufhin die Flosse eingezogen und kümmert sich lieber um Findet Dory. Im feuchten Element ist er wohl doch besser aufgehoben.


John Carter (2012)

Und was bringt die Zukunft? Nun, zwei Mars-Filme stehen für Ende 2015 an, die dieser unterm Strich wenig rühmlichen Galerie hoffentlich im Nachhinein etwas Glanz verleihen werden: Ridley Scotts Verfilmung des Bestsellers von Andy Weir, „Der Marsianer“ (im Shop), der den Roten Oktober überhaupt erst inspiriert hat. Und natürlich „Red Rising“ (im Shop), die Verfilmung von Pierce Browns gleichnamigen YA-Bestseller, an dem derzeit Marc Forster (World War Z) bastelt. Wäre doch schön, wenn einem dann beim Thema „Mars-Film“ sofort ein Titel einfällt, bei dem man sich nicht mit Grausen abwendet.

Der große Mars-Roman von Andy Weir, „Der Marsianer“ (im Shop), ist gerade erschienen und wird in allen seinen Aspekten in der Themenreihe Roter Oktober auf diezukunft.de vorgestellt.

Kommentare

Bild des Benutzers Markus Mäurer

2013 erschien noch "Last Days on Mars" (immerhin mit Liv Schreiber); ein Gruselstreifen der sich aber den durchwachsenen Kritiken nach in die lange Liste der Marsgurken einzureihen scheint.

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