30. Januar 2015 3 Likes

Szenen einer Ehe


Es ächzt im Gebälk: Leigh Janiaks „Honeymoon“

Lesezeit: 3 min.

Die Blockhütte als Beziehungskiste – das gibt es nicht erst seit Lars von Triers psychodynamischer Ehephantasmagorie Antichrist. Immer schon spielte das Subgenre des „Cabin In The Woods“-Horrors nicht nur mit den unmittelbaren Auswirkungen der Bedrohung von außen, sondern auch mit den sozialen Spannungen innerhalb des Kabinenpersonals. Doch während die gängige Variante mit einem bunten Haufen archetypischer Teens in den Händen von Joss Whedon und Drew Goddard im Jahr 2012 ihre durchaus sehenswerte Meta-Apotheose erfuhr (was keinesfalls ihr Ende bedeutete – old genres die hard), sorgte der Transfer von Schlock-Konventionen in einen eher indiefizierten filmischen Kosmos zunehmend zu einer Reduzierung auf das Wesentliche. Und das bedeutet sowohl bei von Trier als auch in Leigh Janiaks Honeymoon: Ehe. Als Keimzelle der Gesellschaft, idealtypische Vereinigung zweier Individuen, Projektionsraum romantischer Phantasien und Schlachtfeld der Gefühle bietet diese Konstellation eine ganze Reihe potenzieller Spannungsfelder, die das meist eher ballerige Geknarze im geselligen Gefüge zwischen Jocks, Nerds, Cheerleadern und ähnlichen High-School-Vertretern – oft lediglich narrative Ausschmückung des Zehn-kleine-Negerlein-Prinzips – zugunsten einer differenzierteren Darstellung der immanenten Beziehungsprobleme hinter sich lässt. 


Und so bedient sich Regisseurin Leigh Janiak für die Darstellung ihrer Geschichte auch zunächst konsequent der Mittel des modernen DIY-Indiekinos. Hier gibt es nichts Ominöses, vielmehr sorgen die pastellfarbenen Handkamera-Bilder, der Nyman-inspirierte Score, die hübsch blassen Gesichter der Protagonisten und der impressionistische Schnitt zu Beginn für konsequente Anti-Horror-Stimmung. Janiak zeigt dieses Paar junger Frischvermählter eher mit der melancholischen Sensibilität eines Michael Winterbottom als mit der lustvollen Misanthropie eines Eli Roth. Und als sich erste Risse in der unaufgeregt entspannten Fassade abzeichnen, bleibt sie zunächst auch ganz nah an ihren Protagonisten und nutzt die strengen Grenzen des abgelegenen Settings für ein intensives Kammerspiel, das in seiner Undurchdringlichkeit oft an das zu Unrecht vergessene Psycho-SF-Kleinod The Caller (1987) mit Malcolm McDowell erinnert. In diesen Passagen überzeugt vor allem die als Game of Thrones-Kriegerin Ygritte bekannte Rose Leslie mit ihrer wunderbar ambivalenten Darstellung einer jungen Frau, die unter dem Druck der neuen Lebenssituation und deren räumlicher Manifestation langsam zu zerbrechen droht. Zwar macht Honeymoon schon früh klar, dass hier nicht alles mit rechten Dingen zugeht, aber dennoch funktioniert das Ganze auch immer als Allegorie auf die Kehrseite des allzeit romantischen Trugbilds der sozial subventionierten Zweierbeziehung. 


Leider hält der Film diese metaphorische Ambivalenz nicht durch und erliegt in seinem weiteren Verlauf zunehmend dem Konventionsdruck des Genrekinos. Durchaus kompetent, keine Frage – aber eben auch wenig überraschend und angesichts seines starken Beginns dann eben doch ein wenig antiklimaktisch. Was nicht bedeutet, dass es nun vollends flach wird – vor allem auf dem allegorischen Spielfeld wird nach wie vor einiges geboten. Sind es zu Beginn noch schleichende Zweifel in Bezug auf Treue, Ehrlichkeit, Liebe und hinreichende Kommunikationsfähigkeit, so dominiert der zunehmende Body-Horror-Faktor die zweite Hälfte des Films und verlegt den Fokus auf das weite Feld der körperbezogenen Ängste vor Sexualität, Geburt, Krankheit und Tod. Ein kühner Schritt, der vor allem aufgrund der wirklich herausragenden Darstellerleistungen funktioniert, aber in letzter Konsequenz dieses schmal besetzte Indie-Drama (außer den beiden Protagonisten kommen nur noch zwei weitere Charaktere zu Wort) am Ende in recht konventionelle Genregewässer steuert – inkl. expliziter Referenzen auf Klassiker wie Der Exorzist, Invasion der Körperfresser und Tanz der Teufel

Man muss es den Machern hoch anrechnen, dass sie in Zeiten grausamer Horror-Massenware wie Ouija, Annabelle, Die Frau in Schwarz 2 – Engel des Todes und ähnlichem Blödsinn nicht ausschließlich auf die betäubende Wirkung von Jumpscares und hirnlosem okkulten Geschwafel setzen, sondern in ihrem Science-Fiction-Horror-Hybrid mit Atmosphäre und gelungenen Charakteren arbeiten. Honeymoon repräsentiert eine wirklich spannende Variation altbekannter Subgenres, die in ihrer allegorischen Kraft und Verknüpfung mit Topoi des Indiekinos das oft despektierlich gemeinte Attribut „Sundance-Horror“ ins Positive dreht. Dass am Ende dann doch alles etwas hölzern wird, liegt wahrscheinlich in der Natur der Sache und schmälert das Sehvergnügen nur marginal. Sehenswert ist dieser Flitterwochen-Ausflug in die wilde Welt des Hinterwaldes allemal.


Honeymoon ist auf Blu-ray, DVD und als VoD erhältlich.

Honeymoon (USA 2014) • Regie: Leigh Janiak • Darsteller: Rose Leslie, Harry Treadaway, Ben Huber, Anna Brown

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