Schöne neue Serienwelt

Die Überraschung der Seriensaison 2013 beginnt, wo alle guten Geekstoffe beginnen sollten: Im Comicshop. Und sie führt ein Killerpärchen ein, das in seiner eiskalten Kompromisslosigkeit wie die weitere Pervertierung von Tarantinos Pulp Fiction-Pärchen wirkt. Der fast autistisch wirkende Arby (Neil Maskell) und sein Partner Lee sind auf der Suche nach dem titelgebenden Comicmanuskript, das offenbar wertvoll genug ist, um dafür über Leichen zu gehen. Ein Umstand, den ein paar Comicnerds – allesamt miteinander vernetzte Fans des im Irrenhaus ums Leben gekommenen „Utopia“-Schöpfers Phillip Carvel – bald am eigenen Leib zu spüren bekommen. Denn der erst elfjährige Grant gelangt in Besitz des Manuskripts und befindet sich zusammen mit der schwer kranken Becky, dem IT-Berater Ian und dem Internet-Paranoiker Wilson Wilson bald schon auf der Flucht vor Arby und Lee, die freilich in Diensten sinistrer Mächte stehen, die im Hintergrund seit Jahrzehnten ihre verschwörerischen Fäden ziehen.

Sehr viel mehr zu verraten, wäre ein Verrat an den Prinzipien dieser Serie, die ihren leicht fantastisch wirkenden Ausgangspunkt – ein Comicmanuskript, das u. a. verheerende medizinische Katastrophen vorhergesagt hat – schon bald in Richtung einer Weltverschwörung ausweitet, die vor dem Hintergrund aktueller Ereignisse oftmals nur allzu plausibel erscheint. In zunächst nur sechs Episoden wird hier nämlich an einer Parallelgeschichte der letzten Jahrzehnte gearbeitet, in deren Licht so manche humanitäre Katastrophe (zumindest in der Fiktion) neu bewertet werden muss. Das Ganze verquickt mit einem atemberaubend spannenden Thrillerplot, der wenig bis gar keine Gefangenen macht und uns in seiner Konsequenz das ein oder andere Mal schier atemlos zurückgelassen hat.

Das Hauptverdienst der von Dennis Kelly ersonnenen Serie liegt indes keineswegs ausschließlich im verschachtelten Plotting, sondern im Look, der – ungewöhnlich für eine TV-Serie – fast schon nach Cinemascope-Leinwand schreit. Irgendwo zwischen den surrealen Bilderwelten eines Chris Cunningham (Schöpfer der schockierenden Aphex Twin-Videos) und eines David Lynch, ergänzt um den surrealen Vibe eines Donnie Darko. Das hat man auch in den USA wohlwollend zur Kenntnis genommen, wo sich kein Geringerer als David Fincher (Gone Girl, Fight Club) des Britenstoffes annehmen wird. Hoffentlich mit einem längeren Atem. In Großbritannien war nach der genialen zweiten Staffel nämlich auch schon wieder Schluss.

„Utopia“, ab dem 27.02. auf DVD und Blu-ray (Polyband).