26. Februar 2014

Steampunk als Gesamtkunstwerk

„Dr. Grordbort’s glorreicher Wegweiser zum Triumph“ von Greg Broadmore

Lesezeit: 3 min.

Anfang 2013 erklärte der amerikanische Großkonzern IBM, der auch marktrelevante Analysen durchführt, „Steampunk“ zum aufstrebenden Trend, der sich nicht nur in der Kultur, sondern auch im Alltag niederschlagen solle. Während in den USA „Steampunk“ und „Clockpunk“ bereits seit den 1980er Jahren als Subkultur existierten, kann sich gerade das literarische Genre hierzulande nur schwer durchsetzen. Dabei haben die in vielen preisgekrönten Romanen entwickelten Gegenentwürfe zu unserer hochtechnisierten Welt durchaus ihren Reiz. Als Grundlage dient das ausgehende 19. Jahrhundert in Großbritannien und den USA in all seinen Facetten: von der fast schon ewig regierenden Königin Viktoria über gesellschaftliche und kulturelle Entwicklungen (die „Neue Frau“, die Faszination für den Orient) bis hin zum wissenschaftlichen Diskurs der Zeit (Dampftechnik, Evolutionstheorie).

Auf dem deutschen Buchmarkt hat sich das technisch versierte und anachronistisch anmutende Subgenre gegen George R. R. Martin-Klone und Zombies nie gänzlich behaupten können. Die erfolgreiche Finanzierung der Steampunk-Anthologie „Eis und Dampf“ des Feder&Schwert-Verlags ist hierbei die Ausnahme von der sprichwörtlichen Regel und zeigt, dass das Gerne abseits des Massenmarkts seine Anhänger findet (was wiederum schon fast im Interesse der Subkultur zu sein scheint). Trotz des wackeligen Status von Steampunk im deutschen Buchhandel schaffen immer wieder interessante Geschichten den Sprung über den großen Teich, oder im Fall von Dr. Grordbort’s glorreicher Wegweiser zum Triumph den Weg aus dem Land der Kiwis ins alte Europa.

Einer der Comicverlage, der neben den bereits genannten Zombies auch ein Herz für spätviktorianische Fantastik entwickelt hat, ist der Ludwigsburger Verlag Cross Cult. Neben der deutschen Eigenproduktion Steam Noir gibt sich seit September der Neuseeländer Greg Broadmore mit seinem Universum des Dr. Grodbort die Ehre, dessen Geschichten erstmalig und weltexklusiv in einem Sammelband für den deutschsprachigen Markt erscheinen. Doch wie kann am besten ein Comic vorgestellt werden, dessen Klappentext Lobpreisungen von Stephen Fry, Guillermo del Toro und Neill Blomkamp aufweist? Und handelt es sich bei Dr. Grordbort’s glorreicher Wegweiser zum Triumph, diesem bizarren und aberwitzigen SF-Ungetüm, wirklich um einen Comic oder doch um etwas gänzlich anderes?

Diese Fragen sind gar nicht so leicht zu beantworten. Greg Broadmores Werk beinhaltet unter anderem Dr. Grordborts Kontrapulatronisches Dings-Verzeichnis und die Abenteuer von Lord Cockswain, wodurch es eine interessante Mischung aus viktorianischem Werbekatalog und sequentieller Kunst bietet – aus Sekundärtexten zu einer fiktiven Welt und Comic-Fiction. Auf gut der Hälfte des Bandes werden seitenweise die abstrusesten Entwicklungen aus der Welt der fantastischen Waffenforschung präsentiert, die von einfachen Strahlenpistolen mit solch herrlichen Namen wie „Schweigende Todesfee“ über Roboter wie „Automaitre D“ bis hin zu panzerartigen Fahrzeugen wie die „Erbarmungslose“ reichen. Zwischendurch gibt es eine Auflistung der unterschiedlichsten außerirdischen Monster, denen Lord Cockswain im Laufe seiner Reisen begegnet und die er dann meist auch erlegt – sehr zum Leidwesen der Bewohner der Venus, die mit ansehen müssen, wie ihre Fauna zum Opfer eines Gentleman-Jägers wird. Auch Pin-up-Motive zieren den Band, die stark an die Höhepunkte der Pulp-Ära erinnern und ähnlich verrückte Szenen zeigen, wie sie auch die Comics thematisieren, die die zweite Hälfte des Steampunk-Gesamtkunstwerks ausmachen. In ihnen begibt sich der Lord auf die Reise in die unendlichen Weiten des Weltraums, vor allem auf den Mond und auf die Venus – wo er seine neuen Waffen nach Herzenslust testen darf.

Ein großer Spaß für harte Kerle und taffe Mädels, die testosterongesteuerte viktorianische SF-Abenteurer schon immer faszinierend fanden.

Greg Broadmore: Dr. Grordbort’s glorreicher Wegweiser zum Triumph • Cross Cult, Ludwigsburg 2013 • 160 Seiten • € 39,80

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