2. März 2015 5 Likes 3

Werdet bloß nicht menschlich!

Wenn die Künstlichen endlich intelligent sind, werden wir uns einiges anhören müssen – Eine Kolumne von Sascha Mamczak

Lesezeit: 4 min.

Das Problem der Maschinen ist, dass sie uns nichts vormachen können. Ihr Problem ist: Wir wissen, was sie im Schilde führen. Kürzlich versuchte ein Staubsaugerroboter in Südkorea die Haare seiner schlafenden Besitzerin einzusaugen – das war kein Zufall. Die Maschinen haben es auf uns abgesehen. Die Maschinen wollen die Herrschaft an sich reißen. Ja, die Maschinen wollen – die ultimative Gefahr, das ultimative Sakrileg – so sein wie wir.

Das ist kein Spaß. Auch Hightech-Gurus wie Elon Musk schlagen inzwischen Alarm. „Ich glaube, wir sollten sehr vorsichtig sein mit der künstlichen Intelligenz. Wenn ich raten sollte, was die größte Bedrohung unserer Existenz darstellt, wäre es künstliche Intelligenz“, warnte er gerade in einem Interview. Aber die Warnung ist gar nicht notwendig. Wir, die Milliarden von Konsumenten draußen vor den Toren des Silicon Valley, sind längst alarmiert. Wir haben die Bücher gelesen, wir haben die Filme gesehen. Die Maschine, deren aktuellstes Derivat „künstliche Intelligenz“ heißt, ist einer der Gründungsmythen des erfolgreichsten Unterhaltungsgenres der letzten Jahrzehnte. Die Science-Fiction hat das Wort „Roboter“ erfunden; die Science-Fiction hat die Gesetze formuliert, an die sich die Roboter zu halten haben; die Science-Fiction hat beschrieben, was wir tun müssen, wenn sie sich nicht daran halten; die Science-Fiction hat den Zeitpunkt benannt, an dem sie uns trotz allem Widerstand assimilieren oder terminieren. Den größten Teil des Genres kann man wie eine Gebrauchsanweisung für den Umgang mit von uns geschaffenen Lebensformen lesen, die irgendwann zu der Erkenntnis gelangen, dass ihnen etwas fehlt, dass wir ihnen etwas vorenthalten. Erkenntnisphilosophie trifft hier auf vorweggenommene Praxis: Ein zentraler Science-Fiction-Moment ereignet sich, wenn es plötzlich subjektives Erleben jenseits des von der Evolution zur Verfügung gestellten gibt, wenn die Grenze zwischen „menschlich“ und „künstlich“ transzendiert wird. Wobei das Menschliche offenbar deutlich attraktiver ist: Seien es die Replikanten in Blade Runner, der kleine David in A.I. oder das Operating System in Her – die Maschinen beziehen sich auf uns, auf ihre Schöpfer, sie brechen regelmäßig aus der ihnen einprogrammierten „Logik“ aus, weil sie so leben, lieben und träumen wollen wie wir. Das Derivat  ist ein schnödes Imitat.

„Intelligent“ nennen wir etwas, wenn es kann, was wir auch können, entweder nicht ganz so gut (wie die Tiere, neuerdings auch die Pflanzen) oder viel besser (wie die Computer); „künstlich“ nennen wir etwas, wenn es von uns imaginiert, konzipiert und fabriziert wurde. Das passt zu einem Wesen, das in kürzester Zeit jeden Winkel seines Heimatplaneten unter Kontrolle gebracht und für sich nutzbar gemacht hat. Der Mensch hat kein Gegenüber mehr, er hat keinen Feind mehr außer sich selbst, und so sieht er auch nichts anderes als sich selbst. Warum also sollte eine „künstliche Intelligenz“ etwas anderes wollen, als sich an uns, dem zugrunde liegenden Maß, dem Fabrikbesitzer abzuarbeiten? Warum sollte sie etwas anderes wollen als das, was wir auch wollen: Macht, Kontrolle, Deutungshoheit? Warum sollte eine Zivilisation unseres Typs – technisch, expansiv, oszillierend zwischen Erlösungs- und Vernichtungsfantasien – die künstliche Intelligenz anders verstehen als sie sich selbst versteht? Natürlich: Aus der Angst, die Maschinen könnten uns eines Tages abschaffen, spricht ein tiefes Unbehagen an dieser Art von Zivilisation, ein Unbehagen an uns selbst. Aber es scheint auch, als bräuchten wir das: einen Feind. Es scheint, als bräuchten wir immer etwas, vor dem wir Angst haben können.

Ich habe keine Ahnung, ob diese aktuelle spezifische Angst begründet ist; ich habe keine Ahnung, was in den Labors und Planungsstäben und Think-Tanks wirklich vor sich geht, und ich fürchte, da bin ich nicht der Einzige. Aber wenn wir davor Angst haben, dass die Maschinen so werden wollen wie wir, dann haben wir vor uns selbst Angst – und diese Angst ist seit dem Moment, als zum ersten Mal ein Steinzeitmensch einen anderen mit einem Stein erschlagen hat, ganz und gar begründet. Wovor wir dagegen keine Angst zu haben brauchen, sind die Maschinen, die nicht so werden wollen wie wir, die irgendetwas Anderes, Neues oder auch sehr Altes werden wollen: keine Hochskalierung unserer Intelligenz, sondern eine Intelligenz anderen Typs – vielleicht sogar eine, die uns sagen wird, warum wir eigentlich so viel Angst haben, an welcher Krankheit wir eigentlich leiden. Natürlich hat sich die Science-Fiction auch mit dieser Möglichkeit befasst, aber praktisch immer nehmen die entsprechend imaginierten Geschöpfe einen quasi-göttlichen Charakter an (legendär das Raumschiff in Frank Herberts „Destination Void“, das sich mit den Worten „Entscheidet euch, wie ihr mich anbeten wollt!“ vorstellt, und die Bombe in John Carpenters Dark Star, die sich mit den Worten „Es werde Licht!“ verabschiedet), worin sich wieder nur ein Wesen spiegelt, das allzu gerne selbst Gott spielt.

Die Frage ist also: Können wir uns überhaupt etwas vorstellen, das außerhalb unserer selbst liegt? Etwas, das uns nicht spiegelt?

Nein.

Maschinen-MärzDas hat aber auch eine spannende Seite. Denn an dem (nahen oder fernen) Tag, an dem uns dieses Etwas gegenübertritt, lernt die von ihren Kriegen, Krisen und Katastrophen müde gewordene, die von sich selbst erschöpfte Menschheit endlich mal etwas wirklich Neues.

Und sollte die Sache nicht gut für uns ausgehen, dann bleibt uns doch noch ein Trost. Denn auch wenn wir uns dieses Etwas nicht vorstellen können, haben wir es immerhin irgendwann einmal gebaut.

Und alles, was wir bauen, geht irgendwann einmal kaputt.

 

Sascha Mamczaks Buch „Die Zukunft – Eine Einführung“ ist im Shop erhältlich.

Kommentare

Bild des Benutzers Sebastian Pirling

Der Schlusssatz ist tröstlich, in der Tat. Als im real existierenden Sozialismus Aufgewachsener kann ich diese Erkenntnis nur bestätigen: Die künstliche Intelligenz in ihrem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf!

Bild des Benutzers Alexander Seibold

Mich erinnert das an Joseph Weizenbaum, einen der Väter der KI; er hat 1966 das Computerprogramm ELIZA entwickelt. Für ihn stellte sich brennend die Frage, wieso künstliche Intelligenz in einen Kasten verpackt wird, der nicht wie ein Kasten aussehen darf, sondern so menschenähnlich wie irgendmöglich auszusehen hat. Die treffendsten Beispiele dafür findet man in den Labors von Honda. Also: Nicht die Maschinen wollen so sein wie wir, vielmehr wollen die Macher dieser Maschinen dieselbigen möglichst besser machen als ihre menschlichen Vorbilder. Wieso? Weizenbaum war der Ansicht, dass es der KI-Forschung inzwischen darum geht, den Menschen abzulösen, ihn durch eine weiterentwickelte Neuversion zu ersetzen.
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Bild des Benutzers Shrike

Kann eine KI Science-Fiction Romane schreiben? Vielleicht geht sie ja daran kaputt?
Mir wärs recht.

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