11. April 2015 6 Likes

Die rechte Hand der Dunkelheit

Die jüngste Politisierung des prestigeträchtigen Hugo Awards

Lesezeit: 5 min.

1953 wurde zum ersten Mal der nach Hugo Gernsback benannte Hugo Award vergeben. Seit den 1960er-Jahren werden die Nominierungen und später die Gewinner von den Teilnehmern der World Science Fiction Convention ernannt. Die Abstimmung findet jeweils per Internet bzw. per Post vor dem Worldcon statt. Der Hugo wird demnach vom harten Kern des amerikanischen SF-Fandoms vergeben, wenn man so möchte. (Wer sich für die Geschichte des Preises und die Gewinner der ersten 30 Jahre bis 1984 interessiert: Hardy Kettlitz hat kürzlich das erste von zwei reichlich bebilderten Sachbüchern über den renommierten Genre-Award veröffentlicht).

Dieses Jahr haben mehrere Gruppen – besonders prominent: die von den Autoren Brad R. Torgersen und Larry Correia organisierten Sad Puppies – die Nominierungsliste heftig beeinflusst. Um nicht zu sagen, dass sie die Nominierungen gehackt haben, wie immer wieder zu lesen, während ein Sturm der Entrüstung durchs Netz und die Szene braust. Fest steht aber: Das alles geschah innerhalb der Regeln des Hugo Awards, die der Mobilisierung von Fangruppen keinen Riegel vorschieben.

Diesmal hat die Sache jedoch einen Haken: Es geht nicht darum, dass die vielen Fans des sympathischen John Scalzi (im Shop) alles dafür tun, dass ihr Liebling-SF-Autor nach „Redshirts“ (im Shop) mal wieder einen Hugo kriegt. Nein, es geht um andere Autoren. US-Autoren, die auf den ersten Blick für traditionelle, abenteuerliche Science-Fiction-Kost einstehen wollen und sich auch dementsprechend verkaufen – als Streiter gegen den Trend der über-intellektuellen, ultra-liberalen Science-Fiction, die den Hugo seit Jahren fest im Griff hat, wie diese Autoren ferner beklagen. Das wäre an sich ja durchaus noch okay und lediglich eine von vielen Strömungen und Ansichten im Fandom, die man unterstützenswert finden kann, oder eben nicht. Blöd und problematisch ist nur, dass die jeweiligen Autoren alle auf, sagen wir, altmodisches Gedankengut stehen und im rechten Flügel des amerikanischen Politik-Systems sitzen, also so genannte Right-Wing-Autoren sind.

In der Folge wird der Hugo 2015 mal wieder äußerst politisch, und die SF-Gemeinde muss sich obendrein mit der Wahrheit auseinandersetzen, dass ihre Vergangenheit nun mal von konservativen, heterosexuellen, männlichen, weißen Autoren geprägt wurde. Ohne den rückständig-rechten Beigeschmack der erfolgreichen Sad-Puppies-Offensive, würde das Drama sicherlich bloß halb so groß sein (obwohl die Reaktion ebenfalls heftig war, als die Anhänger von L. Ron Hubbard 1987 einen von dessen Romanen gepusht haben). Jemand hat eine bzw. seine Fangruppe mobilisiert und mit einer vorgefertigten Vorschlagliste bzw. dem Aufruf zum Support diverser Autoren oder Werke direkt Einfluss auf einen – wenngleich mehr oder weniger exklusiven – Publikumspreis genommen? Buh! Schwamm drüber, im Westen nichts Neues. Die Vergangenheit hat zudem bewiesen, dass das Hugo-Ergebnis trotzdem meistens in Ordnung ging und nicht viel besser oder schlechter war als etwa der Nebula Award, der jüngere Bruder des Hugos, der allerdings von professionellen SF-Schriftstellern vergeben wird.

Im diesjährigen Fall wird der Hugo – unterm Strich der wohl namhafteste und nicht zuletzt werbewirksamste Preis der Science-Fiction – jedoch öffentlichkeitswirksam zu einer Bühne für amerikanische Politik und die konservativen bzw. nichtkonservativen Gesinnungen der amerikanischen SF-Szene (was jetzt auch nicht so überraschend ist, schließlich wird der Hugo, obwohl eigentlich ein internationaler Award, seit jeher von englischsprachigen bzw. amerikanischen Fans und somit Autoren und Werken dominiert). Politische Instrumentalisierung jeder Art ist ätzend – noch ätzender ist sie freilich, wann immer es um fragwürdige Extreme aus dem erzkonservativen Säurebecken geht.

Aber was bedeutet die ganze Chose wirklich für den Hugo?

Nichts Gutes, vermutlich. Bestseller-Autor George R. R. Martin (im Shop) geht sogar so weit und spricht in seinem Blog davon, dass „Sad Puppies die Hugo Awards kaputt gemacht haben“ – Martin ist sich „nicht sicher, ob man sie jemals reparieren kann“. Dennoch könne man es nicht als Betrug bezeichnen, gibt auch der in Santa Fe lebende Autor von „Game of Thrones“ und anderen, der seit 1975 selbst schon sechs mal den Hugo gewonnen hat, richtigerweise zu Protokoll. „Alles geschieht innerhalb der Regeln. Doch viele Dinge können legal und trotzdem schlecht sein … und das ist eines dieser Dinge, von meinem Standpunkt aus betrachtet.“

Martins Kollege Nick Mamatmas sieht es lockerer und schreibt in seinem Blog, dass sich „am Ende alles ausgleicht“, und Peter Watts (im Shop) findet die Aktion der Sad Puppies nicht unangenehmer als die penetrante Eigenwerbung anderer Autoren. „Macht euch keine schlaflosen Nächte angesichts der Tatsache, dass die bösen Jungs diesmal einfach besser gespielt haben“, bloggt Watts. „Denkt lieber über die Regeln nach, die solche Strategien fördern.“ Wieder andere Autoren und Fans propagieren dagegen den aktiven Gegenschlag via „No Award“-Stimme in den Kategorien, die von Sad Puppie-Favoriten beherrscht werden. Was nächstes Jahr dann höchstwahrscheinlich zum nächsten Hack führt, insofern mag GRRM mit seiner Befürchtung letztlich vielleicht recht haben. Dieser stark politische Kontroverse und der zu erwartende Schlagabtausch in der Zukunft könnten den Hugo tatsächlich lange verfolgen.

Ansonsten hat der effektive Streich der Sad Puppie-Bewegung im Kreis der wahlberechtigten Worldcon-Community vor allem – mal wieder – gezeigt, dass es im Grunde gar nicht so schwer ist, dem altehrwürdigen Preis mit einer Kampagne einen Stempel aufzudrücken und die Windrichtung zu bestimmen (um mal ein paar Zahlen in den Raum zu werfen: dieses Jahr wurden in der Nominierungsrunde 2122 zulässige Wahlzettel eingereicht; die Roman-Nominierungen ergaben sich beispielsweise aus 1827 Stimmen; in der Kategorie Kurzgeschichte waren es 1174. Hier die gesamte offizielle Statistik, und das noch als kleine Randnotiz: Ungeachtet aller Kampagnen hat es „Ancillary Sword“, die Fortsetzung von Ann Leckies „Die Maschinen“ (im Shop), trotzdem wieder auf die Nominierungsliste geschafft).

Im schlechtesten Fall nimmt Puppygate dem Hugo über Jahre hinweg seine Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit als Kompass für Leser und (ausländische) Verlage. Im besten Fall stärkt es andere SF-Preise – oder einfach nur das Bedürfnis eines jeden Einzelnen, sich von Shortlists und Awards nicht verrückt machen zu lassen und schlichtweg die Science-Fiction-Geschichten zu lesen, die einem Jeden, aus welchen anderen Gründen auch immer, lesenswert erscheinen.

Foto von Hugo Gernsback via Reddit

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