21. September 2015 2 Likes

Der Mamarsianer

Über einige erstaunliche Parallelen zwischen Andy Weir und Alfred Hitchcock

Lesezeit: 4 min.

Ich bin so was von im Arsch.

Das ist meine wohlüberlegte Meinung.

Im Arsch.

Auch Mama ist ganz meiner Meinung.

Ich blicke durch das Fenster in die kahle Einöde hinaus: trostlos, hoffnungslos. Sie hat nicht einmal Farben - nur Schwarz und Weiß, so weit das Auge reicht. Ich dachte wirklich, ich käme dieses Mal davon. Aber das Schicksal hat sich gegen mich verschworen.

Das System soll angeblich Duschstürme von bis zu 60 Spritzern pro Quadratzentimeter aushalten, deshalb wurden wir beide verständlicherweise nervös, als der Wert auf über 70 SPQ stieg. Ich zog meinen Spezialanzug an, holte das Werkzeug und ging ins Bad. Niemand will das Duschen schon nach wenigen Sekunden wieder abbrechen, aber wenn meine verkorksten psychischen Mechanismen zwischen Repression, Paranoia und libidinöser Fixierung auf Mama noch weiter unter Druck geraten wären, dann hätte es ein katastrophales Ende genommen.

Es würde gefährlich werden, aber was blieb uns anderes übrig?

Der Duschsturm war so heftig, dass ich kaum etwas sehen konnte, und der Duschvorhang verhielt sich wie ein Fallschirm. Er riss von der Stange ab, die Strömung zog ihn mit, und er wickelte sich um mich. In meinen Ohren dröhnten der Lärm des Sturms, das Tosen und Sprudeln des Wassers und ein schrilles, an- und abschwellendes Kreischen, das sich unablässig wiederholte. Dann stach eines dieser langen, messerähnlichen Objekte durch den Duschvorhang und zerfetzte die Haut mit der Mühelosigkeit einer Kugel, die durch Butter fliegt.

Das Letzte, an das ich mich erinnere, ist Marion Crane, die verzweifelt die Arme nach mir ausstreckte. Dann strömten Unmengen Blut aus der Wunde in das Loch, und das Wasser, das in Spiralen in den Abfluss lief, gerann zu einem zähen Brei.

Es war eine Schweinerei, aber ich tat, was ich konnte. Zuerst musste ich natürlich Mama in Sicherheit bringen und verstauen, denn der beste Freund jedes Jungen ist schließlich seine Mama. Danach musste ich so gewissenhaft wie nur irgend möglich das Chaos beseitigen. Es war nicht leicht, und ich konnte nicht auf Hilfe von außen zurückgreifen, so sehr ich es mir auch gewünscht hätte. Ich wickelte die kaputte Marion-Crane-Einheit in den Duschvorhang. Sie war völlig entzwei, aber zumindest war sie keine Gefahr mehr für meine wacklige erotische Mutterbindung. Draußen vor dem Motel stand ein verbeulter, aber durchaus fahrtüchtiger Ford Custom 300. Die Marion-Crane-Einheit passte in den Kofferraum. Ich fuhr den Wagen zu einem nahegelegenen Sumpf. Dann kehrte ich ins Bad zurück, um die ganze Umgebung sauber zu schrubben. Mutter ist wieder in ihrem Zimmer.

So sieht es jetzt also aus. Ich sitze mit Mama fest. Es gibt keine Möglichkeit, mit der Außenwelt Verbindung aufzunehmen. Alle glauben, ich sei allein. Ich bin in einem instabilen geistigen Zustand, der höchstens einige Tage halten kann.

Wenn die Polizei vorbeischaut, sperren sie mich für immer ein. Wenn meine Selbstbeherrschung versagt, komme ich vor Scham um. Wenn die Außenwelt einen Zugang zu meiner kleinen psychotischen Welt findet, werde ich vermutlich ganz einfach explodieren. Wenn nichts von alledem geschieht, geht mir früher oder später das Essen aus, und ich muss verhungern.

Also: Ja, ich bin im Arsch.

 

Na gut, ich habe in der letzten Nacht genügend Schlaf gefunden, und jetzt sieht es nicht mehr ganz so hoffnungslos aus wie gestern. Mama ist in ihrem Zimmer und bleibt ruhig. Der Highway ist mehrere Kilometer entfernt, und ich konnte mich inzwischen mit der Präparation ablenken.

Später an diesem Tag kamen zwei Leute an die Empfangstheke. Einer nannte sich Matt, bei ihm war eine sehr schöne rothaarige Frau. Außerdem war da noch eine dritte Person, aber der Mann stieg nicht aus dem Auto - er war ein stattlicher Herr mit einer Glatze. Sie erkundigten sich nach der Marion-Crane-Einheit, und ich konnte sie mit technischem Unsinn über MRMs, Hermes, Flüssigsauerstoff und ähnliche Dinge abwimmeln. Damit kann natürlich niemand etwas anfangen.

Die beiden machten schon Anstalten, zu dem stämmigen Herrn ins Auto zu steigen und wegzufahren, da begann Mama im letzten Augenblick in ihrem Zimmer zu schreien: „Blut! Blut!“ Ich schwöre, diese Frau wird eines Tages mein Tod sein.

Ich muss wirklich dringend weg von ihr.

Aber wie?

Der Mann, Matt, drehte sich zu mir um. „He, Norman“, sagte er. „Ich habe mit dem Sheriff im Ort über Ihre Mutter gesprochen. Wie wollen Sie es denn nun bewerkstelligen?“

Ich begann zu schwitzen. „Was soll ich bewerkstelligen?“

„Von Ihrer Mutter wegzukommen.“

Jetzt zitterte ich. „Steigen Sie doch einfach in Ihr Auto und fahren Sie weg, ja?“, sagte ich.

Der Mann zuckte mit den Schultern. Die drei fuhren tatsächlich weg. Aber ich weiß, dass sie wiederkommen werden. Ich bin im Arsch. Sie werden wieder hierher kommen und andere Leute mitbringen. Viele Leute. Hierher. In das „Basiert auf dem Bestseller von Andy Weir“-Motel.

 

Adam Roberts ist eine der vielversprechendsten Stimmen in der neueren britischen Science-Fiction. Geboren 1965, studierte er Englische Literatur in Aberdeen und Cambridge und arbeitet derzeit als Dozent an der University of London. Alle Kolumnen von Adam Roberts finden Sie hier.

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