4. Oktober 2015 3 Likes

Der 2000-Jahre-Mann

Science-Fiction-Debüt mit Kickstart: Michael J. Sullivans Zeitreise-Roman „Zeitfuge“

Lesezeit: 3 min.

Michael J. Sullivans „Zeitfuge“ (im Shop) beginnt mit Ellis Rogers, der an einer unheilbaren Lungenkrankheit leidet und seiner Ärztin zufolge nur noch wenige Monate zu leben hat. Seine Ehe, die durch den Selbstmord des Sohnes bereits erhebliche Risse bekam, geht an Ellis’ Reaktion auf diese Offenbarung endgültig zu Bruch. Für Ellis Grund genug, seinen Schuppen zur Zeitmaschine umzubauen und in die Zukunft zu reisen, wo man hoffentlich ein Heilmittel für seine Krankheit gefunden hat. Allerdings schießt Ellis übers Ziel hinaus und landet 2.000 Jahre im Morgen …

Die aus perfekten Genen erschaffenen, langlebigen Menschen in der Zukunft, die nach dem Kataklysmus ins Erdinnere flüchteten und seither in Hollow World leben, wo sie und ihre High-Tech von schöner Natur umgeben sind, kennen keine Geschlechter, keine Religion, keine Krankheiten und keine Gewalt. Doch die folgt dem zeitreisenden Ellis, der mit seinen Haaren, seiner Kleidung und seinen Ansichten sowie seinem Wissen eine kleine Sensation in Hollow World ist, wo alle nach Individualität streben und seit Ellis’ Ankunft plötzlich wieder Menschen ermordet werden. Außerdem stellt sich rasch heraus, dass die an der Oberfläche fast perfekt erscheinende Zukunft im ungewöhnlichen Untergrund doch ein paar Macken und Konflikte hat – und dass sie mit alten Konzepten und Ideen leicht aus der Fassung zu bringen ist.

Der 1961 in Detroit geborene Michael J. Sullivan vereint in seinem Roman zwei vertraute Subgenres: Die klassische Zeitreise (im Shop), und die Social-Science-Fiction im Geiste von Issac Asimov (im Shop). Und obwohl sein Ansatz für die Reise ins ferne Morgen auf den ersten gut 150 Seiten des Buches wirklich ausgesprochen traditionell ist in der Konfrontation von Ellis und der erstaunlich fremdartigen Zukunft, profitiert „Zeitfuge“ immer wieder von modernen popkulturellen Bezugspunkten wie „CSI“, „Star Trek“, „Blade Runner“ oder „Farm der Tiere“, über die Sullivans Protagonist aus dem Jahr 2014 verfügt. Das weist den Roman trotz des althergebrachten Zeitreise-Geschichten-Musters als aktuellen Genre-Beitrag aus. Schön ist zudem, dass Ellis nicht in einer finsteren Dystopie landet, sondern in einer Welt, in der die Menschheit in Form des furiosen Rückschlags der Natur zwar die Quittung bekam, sich aber dennoch in vielen Bereichen weiterentwickelte. Das gibt Sullivan die Möglichkeit, ein eigenständiges, interessantes Zukunftsbild zu entwerfen und in einer vermeintlich utopischen Umgebung Fragen zu Geschlechtern oder sogar Gott anzugehen.

Genauso interessant wie die Entwicklung der Menschheit in „Zeitfuge“ ist im Übrigen der Werdegang des Romans, der im Original schlicht unter dem Titel „Hollow World“ bekannt ist. Sullivan machte sich vor einigen Jahren als Selfpublisher einen Namen, der schließlich bei den großen Verlagen landete. Auch auf Deutsch kennt man seine erfolgreiche Fantasy-Serie „Riyria“. Und obwohl seine Verleger und Leser auf weitere Fantasy-Werke warteten, entschied sich Sullivan 2013, erst einmal „Zeitfuge“ zu scheiben, sein SF-Debüt und letztlich einen Science-Fiction-Roman, wie er ihn selbst gerne lesen würde.

Zunächst konnte er dafür keinen Verlag begeistern, also kehrte er zu seinen Wurzeln als Selfpublisher zurück. Auf Kickstarter startete er eine Kampagne, um 3.000 Dollar für das Engagement professioneller Lektoren und ein ordentliches Cover zusammenzubekommen – am Ende gingen Geldversprechen für beinahe 31.000 Dollar ein. Doch es wird noch besser. Zwischenzeitlich erhielt Sullivan nämlich dann doch noch ein fünfstelliges Angebot von einem Verlag, das er nach Rücksprache mit seiner Frau ausschlug, die ausgerechnet hatte, dass sie in Eigenregie mit dem E-Book besser abschneiden würden. Am Ende behielt Sullivan die englischsprachigen E-Book-Rechte und ging mit dem US-Verlag Tachyon einen Deal über die Print-, Hörbuch- und Auslands-Lizenzen ein. Auch Bestseller-Garant Brandon Sanderson (im Shop) machte das schon so, und vielleicht ist fas Ganze ja ein Modell mit, nun ja, Zukunft.

Unten gibt es noch den Trailer der Kickstarter-Kampagne zu „Zeitfuge“ von Michael J. Sullivan:

Michael J. Sullivan: Zeitfuge • Heyne, München 2015 • 446 Seiten • 8,99 Euro

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