5. Oktober 2015 2 Likes

Vom Überleben auf dem Mars

Fünf Dinge, die wir Menschen auf dem roten Planeten unbedingt brauchen

Lesezeit: 5 min.

Wissenschaftler sind ja große Fans von Gedankenexperimenten. Der Vorteil von solchen Experimenten ist es nämlich, dass man dazu nicht vor die Tür gehen und sich mit der Realität herumschlagen muss. Auch Science-Fiction-Autoren lieben es, Szenarien auf diese Art durchzuspielen, und manchmal kommen dabei absolut großartige Geschichten heraus. Ein strahlendes Beispiel ist Andy Weirs „Der Marsianer“ (im Shop), der diesen Oktober, nicht einmal zwei Jahre nach der Veröffentlichung des Buches, unsere Sehzellen im Kino wegpustet.

Das Gedankenexperiment, das Weirs Geschichte zugrunde liegt, erscheint zunächst denkbar simpel: Was, wenn du ganz allein auf dem Mars wärst? Nur: Was für Konsequenzen hätte das eigentlich? Wäre es denkbar, allein auf dem Mars länger als ein paar Stunden zu überleben? Welche Voraussetzungen bräuchte man dafür? Andy Weir hat sich in seinem Roman die gleichen Fragen gestellt und uns einige Tipps dazu an die Hand gegeben. Aber wie funktionieren die Grundlagen des Lebens – oder vielmehr: des Überlebens auf dem Mars? Ganz vereinfacht gesagt benötigen wir die folgenden fünf Grundelemente:

Das Habitat: Zunächst einmal brauchen wir ein Häuschen mit anständiger Heizung und Druckregulierung, damit wir auf dem Mars auch einmal ohne Raumanzug herumlaufen können. Das ganze sollte robust und einfach zu reparieren sein, denn Stürme auf dem Mars können Monate dauern und Böen erreichen gern um die neunzig Stundenkilometer. Aufgrund des extrem geringen Luftdrucks (nur etwa ein Hundertstel unseres Luftdrucks auf der Erde!) sind die Windgeschwindigkeiten selbst zwar kein Problem, allerdings kriecht der rötliche Staub dabei in jede noch so kleine Ritze und kann an empfindlichen Gerätschaften allerhand Schaden anrichten. Aber funktionierende Druckkammern gibt es bereits, und für die Raumfahrt werden stets neue, widerstandsfähige Materialien entwickelt. Das sollte also kein allzu großes Problem darstellen.

Sauerstoff: Da haben wir Glück, denn die Marsatmosphäre ist voller Kohlendioxid (über 95 Prozent), das mit entsprechenden technischen Mitteln in Kohlenstoff und Sauerstoff aufgespalten werden kann. Möglichkeiten dazu gibt es bereits: sogenannte Sauerstoffgeneratoren, basierend auf Keramikmembranen. An die Keramik wird, vereinfacht gesagt, eine elektrische Spannung angelegt, die dafür sorgt, dass die Sauerstoffatome auf ihrem Weg durch die Membran von anderen Gasen gelöst werden. Im Moment ist das noch kostenintensiv und nicht wirklich praktikabel; vor allem sind diese Systeme furchtbar groß und schwer, und Gewicht ist ja in der Raumfahrt ein essenzieller Faktor, da jedes zusätzliche Kilogramm zusätzlichen Treibstoff erfordert (der dann auch wieder etwas wiegt – ein Teufelskreis!). Aber wer bemannt auf den Mars will, sollte die Investition nicht scheuen. Tatsächlich arbeitet die NASA bereits daran, die derzeit auf der Erde genutzten Systeme für die Raumfahrt besser anwendbar zu machen.

Wasser: Auch hier hilft der Mars uns aus, denn in seinem Boden steckt Wassereis – und zwar nicht wenig. An der Oberfläche werden fünf Millionen Kubikkilometer Eis vermutet; darunter wahrscheinlich noch mehr. Auch wenn die NASA kürzlich „fließendes“ Wasser auf dem Mars entdeckt hat, sind dessen Qualität und Quantität doch so fragwürdig, dass wir mit Eis aus dem Boden wohl besser bedient sind. Wie viel Wasser das tatsächlich ist, hängt von Dichte und Reinheit des Eises ab, aber es ist auf jeden Fall genug. Es kann ohne großen Aufwand geschmolzen und in einen mehr oder weniger geschlossenen Kreislauf mit Filtern und Destillatoren eingespeist werden. Perfekte geschlossene Kreisläufe haben wir zwar mit aktuellen technischen Möglichkeiten noch nicht hinbekommen – auch auf der ISS ist man auf Nachschub angewiesen –, aber erstmal hat der Mars noch einen anständigen Vorrat.

Nahrung: Da stößt der Mars leider an seine Grenzen, solange der Mensch nicht lernt, Nährstoffe aus Gestein zu lutschen. Wohl oder übel muss Nahrung also in Form von Gemüse angebaut werden. Dazu benötigen wir zunächst nährstoffreichen Mutterboden, und auch da mangelt es dem Mars – einen solchen Luxus wie Bakterien und Mikroorganismen gibt es nicht. Wir müssten also zumindest als Grundlage etwas Erde von daheim mitbringen, denn sie enthält Mikroorganismen, die den Boden fruchtbar machen. Diese mit „Marserde“ vermengt und anständig gedüngt, dürfte einen passablen Boden abgeben. Und was den Dünger angeht – nun ja, da bietet der menschliche Körper einige Möglichkeiten. Jedenfalls, sobald erstmal Boden vorhanden ist, bietet sich energiereiche Nahrung wie Kartoffeln an. So ein Kartoffelacker macht die kargen Druckbungalows auch gleich viel wohnlicher. Der Gemüseanbau hilft auch bei der Sauerstoffproduktion, aber natürlich dürfte die Ernährung damit auf Dauer wohl eher einseitig sein; Nahrungsergänzungsmittel wären unerlässlich.

Energie: Egal, wie genial es ausgetüftelt ist, kein System läuft perfekt und keine Isolierung hält alle Wärme. Vor allem durch die niedrigen Temperaturen auf dem Mars muss also ständig Energie für die lebensnotwendigen Apparaturen zugeführt werden. Am besten eignen sich dazu auf dem Mars wohl Solarzellen. Auf der Erde bekommen wir von der Sonne etwa 1366 Watt pro Quadratmeter ab, auf dem Mars wird das durch die große Entfernung auf nur noch 588 reduziert. Aber wenn man auf dem Mars etwas hat, dann ist das Platz – es wäre also wohl kein großes Problem, den Hinterhof mit genügend Solarzellen zu pflastern, um mit ausreichend Energie versorgt zu sein. Allerdings gibt es noch einen Risikofaktor: die berüchtigten Staubstürme. Einmal müssten wir nach jedem Sturm etliche Solarzellen freifegen – das dürfte ähnlich lästig sein wie Schneeschippen auf der Erde –, zum anderen benötigen wir leistungsfähige Batterien, damit die Energieversorgung auch während langanhaltender Stürme mit sehr eingeschränkter Sonnenstrahlung gewährleistet ist. Unterstützend könnte man über andere Energiequellen nachdenken. Wind- und Wasserkraft fallen ja leider aus (Windkraft wegen der dünnen Atmosphäre und Wasserkraft … nun, darüber brauchen wir wohl nicht weiter reden), allerdings ist das Innere des Roten Planeten neueren Erkenntnissen zufolge wärmer, als früher angenommen wurde. Man könnte also über Geothermie nachdenken. Jedoch ist die Nutzung von Geothermie, vor allem wenn es sich um Tiefengeothermie handelt, mit großem technischem Aufwand verbunden, und generell ist wenig über den genauen inneren Aufbau des Mars bekannt, sodass wir uns darauf wohl erstmal nicht verlassen sollten.

Diese „Minimalausrüstung“ für die bemannte Mars-Mission gibt es so noch nicht, aber Weltraumagenturen und private Firmen arbeiten daran, die notwendige Technik dafür zu entwickeln. Dass es dann wohl doch nicht ganz so einfach ist, können wir sehen, wenn wir ins Kino gehen und mit Mark Watney ums Überleben kämpfen. Und damit stellt sich die eigentliche Frage: Nur weil wir es könnten – würden wir es wirklich wollen?

 

Judith Homann hat einen Master in Meteorologie von der Universität Innsbruck und interessiert sich insbesondere für extraterrestrische Wetteraktivitäten. Alle ihre Kolumnen finden Sie hier.

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