27. Dezember 2015 3 Likes

Lukewarm

„Star Wars: Das Erwachen der Macht“ macht alles richtig. Und alles falsch.

Lesezeit: 6 min.

Jetzt, da der Urknall des brandneuen filmischen Star Wars-Universums verklungen und der erste globale Nerdgasmus vorbei ist, kann man sich das Ganze endlich mal mit etwas kühlerem Blick ansehen. Natürlich macht J.J. Abrams’ Film immer noch Schlagzeilen, doch die beziehen sich momentan in erster Linie auf all die Box-Office-Rekorde, die er natürlich und planmäßig bricht. Da gibt’s nichts zu diskutieren: Dieser Erfolg ist messbar und in seiner kalkulierten Konsequenz als Mischung aus kultureller Antizipation und deren marketingtechnischer Multiplikation ins Unendliche ein echtes Meisterstück. Hier hat Disney alles richtig gemacht, sämtliche Register gezogen und mit Trailern, TV-Spots, Toys sowie allen Kanälen des Viralen dafür gesorgt, dass nicht nur Fans (als wären das nicht schon genug Menschen auf diesem Planeten), sondern auch alle Nichteingeweihten an diesem EVENT einfach nicht vorbeikommen konnten. Das war im Grunde auch zu erwarten, seitdem das Maus-Haus vor drei Jahren verkündete, als legitimer Nachfolger von Lucasfilm weitere Episoden der Space-Saga zu produzieren.

Star Wars ist ja mehr Fetisch als Film, oder wie Chris Taylor in seinem extrem gelungenen Buch Wie Star Wars das Universum eroberte konstatiert, ein eigenes Genre für sich. Da können Marvel, DC und alle anderen Cinematic Universes so viele 25-Jahr-Pläne aufstellen wie sie wollen: Was George Lucas 1977 begann, ist in seinem Scope schlicht nicht reproduzierbar. Daran konnten nicht mal die von den Originaltrilogie-Fans gehassten Prequels der Jahre 1999 bis 2005 etwas ändern – im Gegenteil, mit den Abenteuern des jungen Anakin Skywalker erwärmte Lucas eine ganz neue Generation von Fans für sein Epos. Dennoch war es das erklärte Ziel der aktuellen Star Wars-Macher – allen voran der neuen Lucasfilm-Chefin Kathleen Kennedy und des Disney-Bosses Bob Iger – mit der dritten Trilogie zurück zu den Wurzeln zu gehen. Also: mehr praktische Effekte, mehr Abenteuer und Action, mehr Emotion, mehr von allem, was es in den Episoden I bis III nicht gab. Diese Filme waren schlicht quälend anzusehen mit ihrer erschreckend einfallslosen Regie, ihrem Fokus auf knochentrockener Exposition und ihrer kunterbunten Cartoonhaftigkeit.

AB HIER: SPOILER!

Episode VII also. Nun standen viele Fragen im Raum: Kommen Luke Skywalker & Co. zurück? Ist Harrison Ford dabei – der Mann, der in seiner Post-Jedi-Karriere kaum ein gutes Wort für Han Solo als Figur übrig hatte? Wer schreibt das Drehbuch? Und vor allem: Wer setzt sich auf den heißen Stuhl des Regisseurs? Namen wie Matthew Vaughn, Brad Bird, John Favreau machten die Runde. Und natürlich J.J. Abrams, der bereits mit seinen beiden Star Trek-Neuinterpretationen im Prinzip schon Star Wars unter falscher Flagge gemacht hatte. Nach ganz viel Hin und Her, Bitten und Betteln übernahm der Mann dann das Ruder, schrieb auch gleich mit Star Wars-Veteran Lawrence Kasdan das Buch (nach Vorarbeit von Toy Story 3-Autor Michael Arndt), sorgte gemeinsam mit den Honchos bei Disney für eine wunderbar geheimnisvolle Marketing-Kampagne und lieferte dann rechtzeitig zu Weihnachten 2015 das schönste Geschenk, das sich alle „echten“ Fans seit 1983 nur wünschen konnten: Star Wars Episode VII – The Force Awakens.

Das Echo bei Fans und Kritikern war gleichermaßen überwältigend. Was auf den ersten Blick auch nicht wirklich überrascht, ist der Film doch tatsächlich nach den unfassbar statischen und uninspirierten Prequels eine wunderbar frische Brise herrlich sorgloser Kinetik und filmischer Energie. Abrams hat es in der Tat geschafft, im Vergleich zu Lucas’ letzter Trilogie das Tempo enorm anzuziehen und den fortlaufenden Plot von allem Fett zu befreien, von allen verstaubten Anspielungen auf Handelsföderationen, Space-Steuern und Senatsdebatten. Nun wird wieder aufs Wesentliche reduziert: Da die Bösen mit den weißen Uniformen, hier die Guten mit den orangenen Overalls, mittendrin ein paar Helden wider Willen, die vor dem Hintergrund eines galaktischen Konflikts zu Freunden werden. Das ist stellenweise sehr hübsch anzusehen, überraschend lustig und wirklich kurzweilig.

Und das wäre auch mehr als genug, handelte es sich hier nicht um eine Episode einer Reihe, sondern um ein einzelnes Werk. Wie beispielsweise der originale Star Wars von 1977. Zwar stand hier am Anfang des berühmten Opening Crawls die serielle Zuordnung „Episode IV“, doch das war eher als postmoderner Verweis auf Lucas’ filmische Vorbilder der Buck Rodgers- und Flash Gordon-Serials zu sehen. A New Hope, wie der Film dann irgendwann mal hieß, war nicht als Grundlage eines ganzen Geschichten-Universums geplant, sondern als alleinstehendes Weltraum-Abenteuer. Dummerweise nimmt sich Abrams genau diesen Film als Vorbild – und überraschenderweise ganz konkret, bis hinein in die Tiefen der Struktur, der Motive, der Figurenkonstellation, sogar ganzer Szenen und Dialoge. Das kann man als Hommage verstehen, muss man aber im Zuge aktueller Hollywood-Trends als blanken Reboot sehen. Abrams legt mit seiner Episode VII ganz unverhohlen ein Remake von Episode IV vor, was nicht wirklich überrascht, auch sein Star Trek Into Darkness machte schon ähnliches mit Star Trek II – Der Zorn des Khan. Das führt zu einem interessanten, wenn auch verwirrenden und letztlich extrem enttäuschenden Effekt: Das Ganze ist nur auf dem Papier eine Fortsetzung, bedient sich der Originalcharaktere lediglich als Nostalgie-Trigger und benennt altbekannte Schauplätze, Figuren und Motive lediglich um. Jakku ist Tattooine in etwas anderer Beige-Schattierung, die Mos Eisley-Cantina ist jetzt Maz Canatas Castle, Maz Kanata selbst ist Yoda in orange, der Todesstern nun ungefähr fünfmal so groß wie das Original und heißt Starkiller. Man muss den Hut ziehen vor so viel Frechheit – dem Film tut das allerdings nicht gut.

Denn Abrams will es allen recht machen – genauer gesagt allen immanent widerstrebenden Bedürfnissen der Fans, zu denen er sich selbst erklärtermaßen ja auch zählt. Eine Fortsetzung der mythischen Geschichte soll es sein, gleichzeitig nicht zu weit entfernt von den Originalen, ein weiteres Puzzlestück im immer größer werdenden Geschichten-Kanon, aber ohne sich in den zunehmend undurchsichtigen Idiosynkrasien dieses gigantischen Universums zu verlieren, eine Generationengeschichte mit eng verwobenen Charakteren, deren persönliche Beziehungen zueinander in dem expandierenden Kosmos immer unwahrscheinlicher wirken.

Es hilft nicht, dass mit Rey, Finn, Kylo Ren und dem alten Han Solo durchaus unterhaltsame Figuren diesen Film bevölkern – die mythische Qualität ihrer Vorgänger können sie schlicht nicht erreichen, da es sich bei ihnen um farbkorrigierte Kopien handelt. Im blau-und-orange-stichigen hyperaktiven Kino des J.J. Abrams werden sie darüber hinaus als Treibstoff der Actionmaschine verheizt, die sich keine Zeit nimmt für Momente der Ruhe, für kontemplative Augenblicke des Mythischen, des wahrlich Märchenhaften, die die Originaltrilogie neben all dem überlebensgroßen Spektakel so besonders machten. Han Solo stirbt, gemeuchelt von seinem eigenen Sohn, dem Enkel des legendären Darth Vader – was für eine Wendung! Und was macht Abrams? Schnitt, Schnitt, weiter geht’s, der neue Todesstern muss vernichtet, Luke Skywalker gefunden werden. Einem der größten Helden der modernen Kinogeschichte wird hier kein wirklicher Abschied gegönnt, Abrams kann das schlicht nicht. Show, don’t tell, klar. Aber was schon die Star Trek-Reboots teilweise so unerträglich macht, wird hier schmerzhaft wieder einmal deutlich: Abrams ist einfach ein lediglich kompetenter Regisseur, der sich in Oberfächlichkeiten verliert.

Und dem hier zusätzlich noch der Mut fehlt, wirklich etwas zu wagen, das die ausufernde Saga nach sechs Filmen, diversen Cartoon-Reihen, Comics, Romanen etc. pp. vielleicht doch noch mal spannend gemacht hätte. Ähnlich wie Jurassic World, dem diesjährigen Neuaufguss von Steven Spielbergs Meisterwerk Jurassic Park – passenderweise inszeniert von Colin Trevorrow, dem designierten Regisseur von Star Wars Episode IX – macht Das Erwachen der Macht gewissermaßen alles richtig und gleichzeitig alles falsch. Eben alles eine Frage der Perspektive, wie Ben Kenobi sagen würde.

Star Wars: Das Erwachen der Macht ist seit dem 17.12.2015 bei uns im Kino zu sehen.

Abb. © & TM Lucasfilm Ltd.

Star Wars: Das Erwachen der Macht (USA 2015) • Regie: J.J. Abrams • Darsteller: Daisy Ridley, John Boyega, Oscar Isaac, Harrison Ford, Domhnall Gleeson, Carrie Fisher, Mark Hamill

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