12. Januar 2016 2 Likes

Pulverfass Sonnensystem

Nach dem gelungenen Serienauftakt macht „The Expanse“ auch weiterhin alles richtig

Lesezeit: 6 min.

Die erste Folge der brandneuen SF-Serie The Expanse, die auf den Romanen von James S. A. Corey (im Shop) beruht, hat mich ordentlich angefixt. Die Frage aller Fragen war natürlich, ob die nächsten Folgen, „The Big Empty“ und „Remember the Cant“, Niveau und Tempo halten können, und wie die Änderungen im Vergleich zum Roman Leviathan erwacht (im Shop) weitergesponnen werden. Um es kurz zu machen: Folge zwei und drei haben mich nicht enttäuscht. Was als harmloses Serienvergnügen begann, ist zu einer massiven Sucht geworden, was die Nachricht, dass The Expanse eine zweite Staffel spendiert bekommt, zu einem dringend benötigten Beruhigungsmittel machte. Nicht auszudenken, wenn ich noch einmal durch den Firefly-Schmerz müsste!

Achtung! Ab hier wird kräftig gespoilert, und zwar nicht nur in Bezug auf Folge zwei und drei der TV-Serie, sondern auch auf den Roman Leviathan erwacht!


Die verschwundene Julie Mao

Nachdem wir in „Dulcinea“ vor allem die Crew des Eisfrachters Canterbury und Detective Miller auf Ceres kennengelernt, aber wenig über die UN-Diplomatin Chrisjen Avasarala auf der Erde erfahren haben, dreht sich in Folge zwei, „The Big Empty“, alles darum, die drei Handlungsstränge miteinander zu verknüpfen und den Figuren mehr Tiefe zu verleihen. Im The Expanse-Universum ist alles miteinander verbunden, was überdeutlich wird, als auf Ceres das Wasser rationiert wird, weil die Canterbury ausbleibt. Miller und sein Partner Havelock werden beauftragt, in einem Fall von Wasserdiebstahl zu ermitteln, was vor allem dazu dient, noch einmal zu zeigen, dass in den Augen der (irdischen) Konzerne, die Ceres regieren, die Gürtler immer die Schuldigen sind. Die Krise auf Ceres hat auch noch eine andere Folge: Miller wird befohlen, seine Suche nach Julie Mao einzustellen. Doch Miller ist längst von ihr fasziniert und setzt seine Ermittlungen fort. ER findet heraus, dass Julie Mao ist mit der Scopuli von Ceres abgereist ist.

Chrisjen Avasarala, die in „Dulcinea“ durch die Folterung eines Gürtlers aufgefallen ist, wird dafür gerügt und von ihren Vorgesetzten angewiesen, den Gefangenen zum Mond zu bringen. Sie befragt ihn ein letztes Mal (unter humaneren Umständen in einer ziemlich genial gefilmten Szene), kann aber nicht in Erfahrung bringen, woher der Mann, den sie für ein Mitglied der radikalen OPA (Outer Planets Alliance) hält, die Waffen hat. Auf dem Weg zum Mond begeht der Gürtler Selbstmord. Avasarala glaubt, dass die Waffensysteme und -techniken, die, wie wir Zuschauer wissen auch bei der Vernichtung der Canterbury zum Einsatz kamen, vom Mars stammen. Der rote Planet befindet sich mit der Erde seit Jahren in einem kalten Krieg, und wenn aufständische Gürtler mit marsianischen Waffen beliefert werden, könnte daraus sehr schnell ein heißer werden.

Die Überlebenden der Canterbury, Holden, Naomi, Shed, Alex und Amos, sitzen auf dem Beiboot Knight fest, das von den Trümmern der Cant schwer beschädigt wurde. Die Funkanalage ist zerstört, und die Überlebenden haben nur noch Atemluft für wenige Stunden. Diese Notsituation dient vor allem dazu, uns die fünf Figuren etwas genauer vorzustellen. Sie hatten auf der riesigen Cant nur selten direkt miteinander zu tun und müssen jetzt zu einem Team werden. Nachdem die Antenne repariert ist, senden sie ein Notsignal, das ausgerechnet vom Flaggschiff der marsianischen Marine, der Donnager, aufgefangen wird. Nachdem Naomi an Bord der Scopuli marsianische Technologie entdeckt hat, denkt Holden, dass der Mars hinter der Attacke auf die Canterbury steckt, und schickt als „Lebensversicherung“ eine Nachricht, in der er die Vorkommnisse schildert und den Mars dafür verantwortlich macht. Wegen der Probleme mit der Funkanalage ist es aber fraglich, ob die jemals gehört werden wird.


Naomi, Shed, Holden, Alex und Amos auf dem Shuttle Knight

Die ganze Geschichte um die Knight weicht gewaltig von Leviathan erwacht ab: Im Roman wird das Shuttle nicht beschädigt, sondern nimmt die Verfolgung des unbekannten Schiffes auf. Holden sendet seine Nachricht, noch ehe die Donnegar auftaucht, in dem festen Glauben, dass die Menschen schon das Richtige tun werden, wenn sie nur die Wahrheit kennen. Was diese Wahrheit wiederum sein soll, bleibt einer der zentralen Diskussionspunkte im Roman.

„Remember the Cant“ setzt nahtlos da an, wo „The Big Empty“ aufhört. Gleich zu Beginn wird klar: Holdens Nachricht wurde empfangen und wird seitdem im ganzen System wiederholt. Vor allem auf Ceres sorgt das für Unruhen, was die Menschen von der Erde, die die Bergbaustation betreiben, ziemlich nervös macht. Detective Miller muss sich zunächst einmal mit dem lokalen Zweig der OPA befassen und dafür sorgen, dass dessen Anführer, Anderson Dawes, keinen Aufstand anzettelt. Nebenbei erfahren wir mehr über Millers Partner Dimitri Havelock. Im Roman verlässt er Ceres, als sich die Stimmung unangenehm aufheizt. In der TV-Serie hingegen bekommt er etwas mehr Tiefe, vor allem in den Szenen, in denen der erdgeborene Havelock mit der Hilfe ein Prostituierten versucht, die komplizierte Gürtler-Sprache, die sich aus verschiedenen Sprachen und Zeichensprache zusammensetzt, zu lernen. Man durchschaut allerdings schnell, dass das Ganze nur dazu dient, uns auf Havelocks gewaltsamen Tod am Ende der Episode vorzubereiten. Welche Auswirkungen das auf spätere Staffeln von The Expanse haben wird, ist noch nicht abzusehen, denn Havelock kehrt in Cibola brennt (im Shop) zurück. Ein junger Mann namens „Nightbandit31“ kommt bei den Unruhen ebenfalls ums Leben, was Miller aufhorchen lässt, denn Nightbandit stand mit Julie Mao in Kontakt.

Auf der Erde geht Chrisjen Avasarala ihrer Vermutung weiter nach, die Holdens Botschaft zu bestätigen scheint. Durch einen Trick veranlasst sie die Mars-Regierung dazu, nachzuprüfen, ob aus ihren Forschungseinrichtungen etwas gestohlen wurde, was nicht der Fall ist. Mars und die OPA arbeiten nicht zusammen, der drohende Krieg ist fürs erste abgewendet – aber Avasarala hat das ihre jahrzehntelange Freundschaft mit dem marsianischen Botschafter gekostet.

Holden und seine vier Kameraden werden an Bord der Donnager einzeln verhört. Die Mars-Marine versucht, die fragile Einheit, die die Überlebenden eben erst gebildet hat, wieder zu zerstören, und leistet ganze Arbeit: Alex wird aus Gründen, die seinen Freunden zunächst unbekannt sind, einer Sonderbehandlung unterzogen. Naomi wird als OPA-Agentin hingestellt. Shed hat seine Unterlagen gefälscht und sich als Arzt ausgegeben, weil er sich vor einem Drogendealer verstecken wollte. Holden wurde unehrenhaft aus der Marine entlassen. Und über Amos weiß keiner irgendetwas, außer dass er tut, was Naomi sagt. Binnen Minuten bricht ein Streit zwischen der Ex-Canterbury-Crew aus, bis die Kapitänin der Donnegar Jim Holden einen Ausweg anbietet: Er soll bekanntgeben, dass die OPA-Agentin Naomi die Canterbury zerstört hat und damit den Mars entlasten, was der aufrichtige Holden natürlich ablehnt. Später stellen die Deckoffiziere fest, dass die Donnegar von einem unbekannten Raumschiff verfolgt wird.


Chrisjen Avasarala

The Expanse schafft es in Folge zwei und drei, die Balance zwischen Action- und Enthüllungsszenen zu halten, und das bei dem zunehmend komplexer werdenden Plot. Es erfordert einiges an Aufmerksamkeit, alle Wendungen mitzubekommen und die richtigen Schlüsse zu ziehen. Was mich bisher besonders freut ist, dass es zwar ein netter Bonus ist, wenn man die Bücher gelesen hat, aber mir bisher kein einziges Mal der unerträgliche Satz „Das ist im Buch aber besser!“ über die Lippen kam. Auch die Charaktere werden zunehmend vielschichtiger, was sich vor allem bei den Überlebenden von der Canterbury zeigt, die irgendwie zueinanderfinden müssen. Avasarala ist, trotz der extremen Einführung, keine grausame Person, aber man erkennt hinter der Fassade der netten Omi den unbedingten politischen Willen, dem sie letzten Endes auch Opfer zu bringen bereit ist. Durch sie erfahren wir viel über die komplizierte und angespannte Situation im Sonnensystem, die auf Ceres in Gewalt umschlägt, was wiederum Miller, der zunehmend von Julie Mao besessen ist, mehr Hintergrund gibt. Havelocks gewaltsamer Tod ist unschön, aber man sieht mehr als einmal, wie die Gürtler unfair behandelt und ausgebeutet werden. Mars bleibt die große Unbekannte: Es scheint, als wäre er nicht verantwortlich für den Abschuss der Canterbury, aber der Umgang mit den Gefangenen, die zwar nicht gefoltert, aber massiv unter Druck gesetzt werden, zeigt, aus welchem Holz die Bewohner des roten Planeten geschnitzt sind. Ob ihnen das gegen das unbekannte Schiff helfen wird?

Mehr Infos zur Serie finden Sie unter www.syfy.com/theexpanse. Die Romane zur Fernsehserie finden Sie in unserem Shop. Im Juni 2016 erscheint der fünfte Band der Serie, Nemesis-Spiele, auf Deutsch bei Heyne. Bilder © Syfy

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