6. Juni 2016 2 Likes

Reden wir übers Klima!

Wie soll man im Dickicht der Halbwahrheiten und Mythen über den Klimawandel die Orientierung behalten?

Lesezeit: 3 min.

In den letzten Jahren haben wir uns hier mit allerhand Wetter beschäftigt: mysteriöses Wetter auf Uranus, Biergartenwetter auf dem Mars, gefährliches Wetter auf Titan. Aber was ist eigentlich mit dem Wetter auf der Erde? Wetter ist unser beliebtestes Thema für Smalltalk. Man meckert gern mal mit den Nachbarn im Aufzug darüber, dass es schon wieder das Wochenende verregnet hat und hofft mit den Kollegen auf einen heißen Sommer. Das Wetter scheint als Gesprächsthema eine ganz besondere Anziehungskraft zu haben; vielleicht, weil es nicht politisch ist und in der Regel niemanden beleidigt. Im Internet findet man zum Beispiel auch haarsträubende Aussagen wie diese: „Das Wetter – als Thema zu flach? Ein Smalltalk ist keine Wissenschaft, und Ihr Beitrag muss keinen allzu hohen geistigen Ansprüchen genügen. Falls Sie Angst haben, die Konversation würde allmählich zu flach, müssen Sie beim Thema Wetter nur einen ganz leichten Schwenk machen: Reden Sie übers Klima!“

Also dann: Reden wir übers Klima. Vielleicht schaffen wir ja sogar ein bisschen geistigen Anspruch.

Was ist Klima? Das Meteorologie-Lehrbuch beschreibt „Klima“ als den durchschnittlichen Zustand der Atmosphäre über einen großen Zeitraum. Im Gegensatz dazu definiert sich „Wetter“ als Zustand der Atmosphäre an einem bestimmten Punkt zu einer bestimmten Zeit. So weit, so schwammig. Besser vorstellen kann man sich das vielleicht mit folgendem Beispiel: Man nehme einen Würfel und werfe ihn einmal. Er zeigt vier Augen. Das ist Wetter. Jetzt sehen wir uns den Würfel genauer an: sein Gewicht, seine Dichte, seine Kantenlänge, seine Farbe und die Wahrscheinlichkeit, bei einem Wurf eine bestimmte Augenzahl zu erhalten (von eins bis sechs) – diese Eigenschaften sind das „Klima“ des Würfels. Der Knackpunkt dabei ist, dass es eigentlich vollkommen egal ist, welche Augenzahl der Würfel anzeigt, wenn man ihn einmal wirft. Will sagen: Ein heißer Sommer macht noch keinen Klimawandel, zwei auch nicht. Und wenn ein Sommer in Hamburg ins kalte Wasser fällt, heißt das nicht, dass es global nicht trotzdem ungewöhnlich warm sein kann. Wenn sich Anomalien jedoch häufen, deutet das darauf hin, dass sich der Würfel verändert hat.

Gab es vor einigen Jahren noch viele Stimmen, die den Klimawandel per se abgestritten haben, so ist mittlerweile wohl klar, dass sich unser Klima verändert. Die nebenstehende Grafik stammt von Ed Hawkins, Klimawissenschaftler am National Centre for Atmospheric Science der University of Reading, und zeigt den Jahresverlauf der mittleren globalen Temperatur seit 1850. Sie zeigt aber nicht, was diese Veränderung auslöst, und nun gibt es wieder diese Stimmen: Der Klimawandel ist ganz natürlich, und es gab ihn schon immer – man muss nur mal auf die Eiszeiten schauen. Der CO2-Gehalt der Atmosphäre beträgt ja nur 0,04 Prozent, und überhaupt produziert der Mensch doch gar nicht so viel CO2. Außerdem können die Wissenschaftler ja nicht mal das Wetter der nächsten zehn Tagen voraussagen – wie wollen sie da hundert Jahre abdecken?

Da alles sind Fragen, zu denen viele Menschen ihre ganz eigene Meinung haben, irgendwo zwischen „Es wird schon nichts passieren“ und „Wir werden alle sterben“, und deren Diskussionen oft sehr erhitzt und persönlich ablaufen. Halbwahrheiten, Mythen und Panikmache sind oft schwer von Fakten zu trennen, und die populistischsten Aussagen basieren leider selten auf der wissenschaftlichen Wahrheit.

Weil der Klimawandel nicht nur in der Science-Fiction ein beliebtes Thema ist, sondern auch ganz real, werde ich mir in den folgenden Ausgaben von „Heiter bis rötlich“ einige der weitverbreiteten Aussagen über den Klimawandel einmal genauer ansehen. Bis dahin: Immer schön übers Wetter reden!
 

Judith Homann hat einen Master in Meteorologie von der Universität Innsbruck und interessiert sich insbesondere für extraterrestrische Wetteraktivitäten. Alle ihre Kolumnen finden Sie hier.

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