8. Juni 2016 3 Likes

The Walking Darcy

Austen kriegt aufs Maul: „Stolz & Vorurteil und Zombies“

Lesezeit: 4 min.

Man weiß ja gar nicht mehr, was man bringen soll. Also bringt man neuerdings Dinge zusammen, die nicht wirklich zusammengehören. Man lässt den ehrwürdigen US-Präsidenten Abraham Lincoln Jagd auf finstere Vampire machen, schickt schlecht gelaunte Cowboys in den Nahkampf gegen noch schlechter gelaunte Aliens – oder transformiert zart selbstbewusste Jane-Austen-Heldinnen in Martial-Arts-bewanderte Zombiekiller. So geschehen im neuesten Movie-Mashup, das sein High Concept bereits im Titel trägt: Stolz & Vorurteil und Zombies ist ein weiterer jener Filme, die ihre Daseinsberechtigung aus einem experimentellen „Clash of Genres“ beziehen, aus einer im Ansatz meist grobschlächtigen Versuchsanordnung, die oft nicht mehr Potenzial in sich trägt als einen gewissen Novelty-Effekt zu generieren.

Was diesen Film von uninspirierter Massenware unterscheidet, ist zunächst einmal die Tatsache, dass es sich um eine – gewissermaßen – doppelte Literaturverfilmung handelt. Nicht nur basiert das Ganze mittelbar auf Janes Austens viktorianischem Klassiker Stolz und Vorurteil, sondern ganz unmittelbar auf Seth Grahame-Smiths literarischer Bearbeitung des Stoffs aus dem Jahr 2009 (im Shop), welche dem Film seinen Namen gibt. Grahame-Smith verbindet in seinem Mash-Up (mit Jane Austen als explizit genannter Co-Autorin) den klassischen Stoff mit Elementen der Horror-, insbesondere der Zombie-Literatur und spinnt die Geschichte der Bennet-Schwestern und ihrer illustren männlichen Verehrer-Schar vor dem Hintergrund einer alternativen englischen Geschichte des 18. Jahrhunderts neu. In dieser Parallelwelt hat der Ausbruch eines Zombievirus das britische Königreich arg gebeutelt – was den Landadel und das aufkeimende Bügertum jedoch nicht davon abhält, sich weiterhin in der Kunst der Konversation, der Kuppelei und der kühl kalkulierten familiären Verbindungen zu ergehen. So weit, so Austen – doch als zusätzlicher Faktor gesellschaftlicher Anerkennung kommen bei Grahame-Smith im fernen Asien erworbene Martial-Arts-Kenntnisse dazu, die beim Abwehren aufdringlicher Untoter durchaus behilflich sind.

Bemerkenswert an dem Roman ist seine Werktreue. Es handelt sich keinesfalls um Jane Austen für Dummies: die komplexen Mechanismen des viktorianischen Gesellschaftsspiels, die Irrungen und Wirrungen der von Stolz und Vorurteilen motivierten Figuren und ihrer Liebschaften, die bissigen Dialoge – alles da. Man muss dem Regisseur Burr Stevens wirklich dankbar sein, dass er dem Beispiel seiner Vorlage so stringent folgt, denn was wir hier zu sehen bekommen, ist zunächst mal eine weitere wirklich gelungene filmische Umsetzung des Stoffs. Zwar herrscht daran nun wirklich kein Mangel; zahlreiche Kino- und TV-Produktionen widmeten sich dem Stoff bereits sowohl in Form direkter Adaption als auch thematischer Annäherung. Doch dank herausragender Darsteller wie Sam Riley, Lily James, Matt Smith oder Charles Dance, exquisiten Produktions-Designs, stimmungsvoller Kamera und sicherer Regie kann diese zunächst einmal unter Trash-Verdacht stehende Version mit den vermeintlich stilvolleren Vorgängern absolut mithalten. Und hat darüberhinaus den Vorteil, dass die messerscharfen Austen-Dialoge hier nicht ausschließlich in ländlichen Cottages im Glanz der sommerlichen Nachmittagssonne geschwungen werden, sondern eben durchaus auch mal in feuchten Katakomben beim knallharten Nahkampf-Training. Messer zu Messern – wer hätte gedacht, dass diese Kombination so viel Sinn ergibt? Dafür, dass die Sinnlichkeit nicht zu kurz kommt, sorgt dann eben auch der Kniff mit der drohenden Zombie-Invasion; die prüde englische Gesellschaft des 18. Jahrhunderts bekommt durch das Untoten-Unheil eine notgedrungene Körperlichkeit, die dem Geschehen das Statische nimmt, das rein intellektuelle Spiel mit Ironie, Sarkasmus und falschen Fassaden. Wenn Elizabeth Bennet den Heiratsantrag Mr. Darcys ablehnt, wird hier nicht still und höflich gelitten – hier wird getreten und schwertgekämpft, dass die Fetzen fliegen.

Stolz & Vorurteil und Zombies funktioniert, weil die Macher beide Komponenten ihres Stoffs ernst nehmen: die Zombie-Plage ist nicht nur Gimmick und ironischer Fremdkörper im artfremden Genrekosmos, sondern integraler Bestandteil dieses erstaunlichen Werks. Grahame-Smith und Burr verstehen es meisterhaft, das alles authentisch wirken zu lassen und erreichen so genau das, was einen wirklich guten Mash-Up ausmacht, nämlich nicht unvermittelbares Nebeneinander, sondern kongeniale Synthese. Hut ab.

Jedoch bleibt am Ende die Frage, für wen das eigentlich gemacht ist. Fans prächtiger Historienstoffe im Allgemeinen und geschmackvoller Austen-Adaptionen im Besonderen dürften Schwierigkeiten haben, die platzenden Köpfe und faulenden Untoten-Visagen zu goutieren. Beinharte Horror-Hounds könnten unter Umständen die komplexen Ränke, emotionalen Sperenzchen und bebenden Unterlippen etwas ermüdend finden. Und die breite Masse kann man mit sowas eh nicht packen. Schwierig. Weil eben einfach etwas zu klug. Und genau das macht diesen gut gelaunten, gut gemachten Film zu einer echten Überraschung, die man durchaus bringen kann.

Stolz & Vorurteil und Zombies ist ab dem 9. Juni bei uns im Kino zu sehen.

Abb. © SquareOne/Universum

Stolz & Voruteil und Zombies (USA 2016) • Regie: Burr Steers • Darsteller: Lily James, Sam Riles, Bella Heathcote, Ellie Bamber, Charles Dance, Matt Smith

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