17. August 2016 3 Likes 2

Warner kann es niemandem Recht machen

David Ayers „Suicide Squad“ ist nicht schlecht – aber reicht das?

Lesezeit: 4 min.

Weit über eine Stunde läuft „Suicide Squad“ schon, da schneidet David Ayer (oder wer auch immer am Ende die nun ins Kino kommende Version verantwortet hat) einmal mehr recht unvermittelt von der ohnehin losen Handlung zu einer der zahllosen Rückblenden: Da sieht man die atemberaubende Margot Robbie noch als Dr. Harleen Quinzel, aber schon dem Joker verfallen, wie sie ihren Geliebten küsst – und dann von ihm in die Tiefe gestürzt wird, hinein in das klassische Becken mit Säure. Einen Moment zögert der Joker, dann stürzt er sich hinterher, taucht in die Säure ein und zieht die neu geborene Harley Quinn in die Höhe: Nun tragen beide grellstes Makeup, küssen sich zu ekstatischer Musik in einem Becken voller grünlicher Säure, durch das blau-rote Schlieren ziehen. In seiner Künstlichkeit, seiner Stilisierung ragt dieser Moment aus den zwei Stunden der „Suicide Squad“ heraus, ist so exaltiert und doch emotional wie vielleicht dieses ganze, vermutlich von Beginn an zum Scheitern verurteilte Projekt hätte sein können oder sollen.

Was genau „Suicide Squad“ vielleicht einmal sein sollte ist jedoch kaum noch zu sagen. Als Warner Bros. vor Jahren die Idee hatte, die DC-Property eines ständig wechselnden Teams von Super-Bösewichtern, die per Druck und Erpressung dazu genötigt werden, für das Gute zu kämpfen, zu adaptieren, steckte der Plan eines großen DC Expanded Universe noch in den Kinderschuhen, da hatte Marvel mit seinem MCU noch nicht Milliarden gescheffelt, da waren Blockbuster zwar schon auf Fortsetzungen geeicht, aber doch noch halbwegs solitäre Filme.

Doch diese Zeit scheint vorbei, nun ist ein Film nicht einfach mehr ein Film, sondern vor allem Teil eines großen, mehr oder weniger durchdachten Masterplans. Ob bei WB/DC noch Zack Snyder die Zügel in der Hand hat oder doch ein Produzenten-Kommitee ist schwer zu sagen. Offensichtlich sind dagegen Versuche, das Schiff nach dem als enttäuschend wahrgenommenen „Batmen v Superman“ herumzureißen. Und das bedeutet kurz gesagt: Nicht mehr so „düster“ zu sein, sondern „ironischer“. Die Konsequenz dieser Entscheidung konnte man unlängst im ersten „Justice League“-Trailer erahnen, der in zwei Minuten mehr flache Gags bot, als selbst die drei Stunden des Ultimate Cut von „BVS“. Und auch die „Suicide Squad“ wurden, so heißt es, per Nachdrehs ein wenig ironischer, etwas weniger düster gemacht.

Wessen Version nun ins Kino kommt ist kaum zu sagen, die vielen Köche taugen aber zur Erklärung dieses merkwürdigen Films, der nicht wirklich disparat ist, aber doch oft abgehakt und voller verschenkter Möglichkeiten. Die Handlung ist kaum mehr als eine Skizze, nicht so überkomplex, dabei aber auch ambitioniert wie die von „BvS“, sondern erstaunlich dünn: Nach dem (scheinbaren) Tod von Superman sieht die Regierungsbeamte Amanda Waller (die wunderbare Viola Davis), die Welt ohne Schutz vor Bedrohungen. Sie plant allerlei Superbösewichte zu rekrutieren, die nicht etwa im Arkham Asylum vor sich hin darben, sondern ganz zeitgemäß in einer Black Site: So kommt es, dass Deadshot (Will Smith), Harley Quinn (Margot Robbie), Boomerang (Jai Courtney), Diablo (Jay Hernandez), Killer Croc (Adewale Akinnuoye-Agbaje) und später auch noch Katana (Karen Fukuhara) zu einem Team zusammengewürfelt werden, angeführt vom Marine Rick Flag (Joel Kinnaman), dessen Liebe zu June Moone (Cara Delevingne) Ursache der Probleme ist: Denn June verwandelt sich bald in die mysteriöse Enchantress, die die Welt bedroht, was sonst, und somit zum typischen Superhelden vs. Endgegner-Megafinale führt. Immer wieder funkt auch der Joker (Jared Leto in einer Mischung aus Nicholson, Ledger und sich selbst) dazwischen, was zwar nur bedingt Sinn ergibt, aber zu einigen der schönsten Momente des Films führt.

Ohnehin besteht „Suicide Squad“ vor allem aus Momenten, zahllosen kurzen Szenen, in denen die Figuren eingeführt werden, meist zu bekannten Songs – von den Stones über Eminem bis zu den Animals und Queen wird nichts ausgelassen (allein die Musikrechte müssen ein Vermögen gekostet haben) – oder ironisch-sarkastisches Teambuilding betrieben wird. Unübersehbarer Mittelpunkt ist dabei Will Smith, doch Margot Robbie stiehlt ihm die Schau und das nicht nur Dank ihres Kostüms. Ihre Harley Quinn ist so wunderbar durchgedreht und anarchisch, verströmt dabei aber dennoch eine zärtliche Verletzlichkeit, das man zu gern gewusst hätte, was Ayer möglicherweise mit ihr und den anderen Charakteren geplant hatte.

In seiner stringenten, für heutige Blockbuster-Verhältnisse geradezu schlichten Struktur, an die am Ende ein typisch exaltiertes Mega-Finale gepappt wurde, erinnert „Suicide Squad“ ein wenig an die letztjährigen „Fantastic Four“. Was keineswegs als Beleidigung gemeint ist, mir persönlich war der Versuch eines im Ansatz etwas reduzierten Superheldenfilm, der gerade im Zusammenspiel seiner Charaktere große Klasse hatte, lieber, als eine weitere, generische Exzess-Orgie. Da jedoch jeder neue Superhelden-Film die Vorgänger übertrumpfen muss, die Männer an den Geldtöpfen lieber auf Nummer sicher gehen, als von der (noch) erfolgreichen Norm abzuweichen, wurde wohl auch „Suicide Squad“ geglättet und „optimiert“. Was nicht heißt, dass es ein schlechter Film ist, der die einmal mehr überraschend vernichtenden Kritiken der amerikanischen Presse verdient hat. Doch angesichts der (finanziellen) Erwartungen an ein Produkt wie diesen dritten DCEU-Film, sind Urteile wie: leidlich unterhaltsam, amüsant, hat viele schöne Momente, offensichtlich nicht mehr genug. Weniger als ein Meisterwerk darf es nicht sein und das ist Ayers Film gewiss nicht. Angesichts der stets aus dem Ruder laufenden Erwartungen fällt es aber augenscheinlich immer schwerer, auch einen soliden Film, der mehr von einem rohen B-Picture hat, als einem Mega-Sommer-Blockbuster, einfach für das zu nehmen, was er ist.

„Suicide Squad“ startet am 18. August im Kino.

Abb. © Warner Bros.

Suicide Squad • USA 2016 • Regie: David Ayer • Darsteller: Will Smith, Margot Robbie, Jai Courtney, Jay Hernandez, Adewale Akinnuoye-Agbaje, Karen Fukuhara, Joel Kinnaman, Cara Delevingne, Viola Davis, und (vorsicht Spoiler: Ben Affleck, Ezra Miller

Kommentare

Bild des Benutzers Doctor Flamenco

Will Smith spielt Deadshot, nicht Deadpool. Der gehört immer noch Marvel.

Bild des Benutzers Sebastian Pirling

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